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Im Schatten Ludendorffs

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Wilhelm Groener hat vom Oktober 1937 bis März 1939, wenige Wochen vor seinem Tode, seine Lebenserinnerungen niedergeschrieben. Durch einen rechtzeitigen Zugriff des damaligen Heeresarchivs 6ind die Manuskripte erhalten geblieben. Daraus erschienen vor fünf Jahren, vor allem für die Zeit der Weimarer Republik, wichtige Abschnitte, welche die Tochter des Verewigten herausgab. (Siehe: Österreichische Furche“, 9. April 1955.) Die vorliegende wissenschaftliche Ausgabe umfaßt die Zeit bis zum Friedensschluß 1919 sowie einen kurzen Auszug au* den Tagebüchern und Briefen an Groeners Frau, die eine Teilgrundlage der Lebenserinnerungen bildeten.

Groener, der 1867 in Ludwigsburg geboren wurde, war Württemberger, aber die Bindung an das Herrscherhaus und die Heimat machte sehr bald einer zeitweise schrankenlosen Bewunderung des Preußentums Platz. Als Offizier setzte er sich sehr rasch durch und fand infolge seiner außergewöhnlichen Leistungen bald manche Förderung. Nach Leutnantsjahren im romantischen Schwaben der Zeit vor 1900 und der Ausbildung zum Generalstabsdienst in der Schule Schlieffens, wurde ihm der „Große Generalstab“ zur eigentlichen geistigen Heimat. Groeners Fähigkeiten, Nachschubfragen zu bearbeiten, brachten ihn in die Eisenbahnabteilung und damit an den Schalthebel der modernen Mobilmachung. Er wurde sehr rasch Abteilungschef und galt neben Ludendorff als ein aufsteigender Stern. Dieser Ruf blieb ihm, auch alf der Krieg Wirklichkeit wurde und seine Abteilung infolge ihrer hervorragenden Leistungen von Wilhelm II. belobt wurde, der als Zeichen seiner Gunst den Offizieren bei Tisch „Pellkartoffel zuwarf“ (Seite 152). Groeners Kritik an Wilhelm II. ist bis 1917 kaum merkbar. Sein rascher Aufstieg überhäufte ihn mit Arbeit und Aufgaben, und als die totale wirtschaftliche Mobilisierung aller Kräfte, das sogenannte „Hinden-burg-Programm“, beschlossen wurde, ernannte man den jungen Generalleutnant - der bis dahin noch kein Gefecht erlebt hatte (und auch keines mehr erleben sollte) — zum Chef des Kriegsamtes. Der Mann, der die Eisenbahnen so zauberhaft zu dirigieren verstand, sollte offenkundig auch den Rohstoffmangel, den Wucher, die Habgier und die Eigensucht der Schwerindustrie und all das, was nun wie üble Gewächse hervortrat, wegzaubern. Der nüchterne Schwabe hat dies versucht, und zwar auf seine eigene Art: er sah längst, daß der Krieg die größte demokratische und soziale Revolution geworden war. Deshalb seine Forderung nach Beiziehung von Gewerkschaftsvertretern bei den einzelnen neuen Kriegswirtschaftsinstanzen und der Einbau sozialer Sicherungsmaßnahmen für die Arbeiter. Daß sich Groener bei allen seinen Maßnahmen des militärischen Armes bedienen mußte, war ein Verhängnis: „Damit unterhöhlten wir selbst die Lebensgrundlagen der Beamtenschaft, bis hinauf zu den höchsten Stellen“ (Seite 3 5 3). Die neue Wirtschaftsform erforderte aber auch eine Einschränkung jener, die bisher schrankenlos am Krieg verdient hatten, der Unternehmer und gewisser Spezialgruppen von Facharbeitern. Eine Denkschrift, die sich hauptsächlich gegen die Unternehmergewinne richtete, rief jene Macht gegen Groener auf den Plan, die ihn schon lange ganz zu Unrecht als heimlichen Demokraten denunziert hatte, die Deutschlands Verhängnis in zwei Kriegen war und auch jetzt noch ist: die Schwerindustrie. Hugo Stinnes hat den Sturz Groeners über Ludendorff, bei dem die „pressure-groups“ der damaligen Zeit ihre eigenen Verbindungsmänner hatten, veranlaßt. Wie selbstherrlich „die regierende Schwerindustrie“ mit den höchsten Instanzen des Reiches verfuhr, zeigt eine Tagebuchnotiz Groeners vom 19. August 1917 über eine Beratung der Schwerindustrie über das Hilfsdienstgesetz, „wozu gnädigst“ der Herr Reichskanzler aufgefordert wurde, einen Vertreter zu entsenden. Vorläufig siegte noch Ludendorff an allen Fronten. Groener übergab man eine ruhige Division im Westen und später eine undankbare Aufgabe als Stabschef in der Ukraine. Erst als Ludendorff seine politische und militärische Bankrotterklärung abgegeben hatte und am 29. September 1918 binnen 24 Stunden einen Waffenstillstand forderte, nachdem man noch Monate vorher ausschweifend von deutschen Satellitenreichen vom Schwarzen Meer bis Finnland geträumt hatte, außerdem Belgien, Holland, einen Teil von Frankreich natürlich eingeschlossen, rief man wieder Groener. Er sollte als „Erster Generalquartiermeister“ und Nachfolger Ludendorfls die Liquidation durchführen, wahrscheinlich weil man seine „demokratische“ Vergangenheit der letzten Jahre jetzt als Pluspunkt zu werten geneigt war. Die Rolle Groeners bei der Abdankung des lautstarken Prahlhans Wilhelm II., der nach den letzten Veröffentlichungen, wie etwa den Aufzeichnungen des Vizeadmirals Müller, menschlich und politisch mehr und mehr verliert, wurde in der Nachkriegspolitik von sogenannten Konservativen immer verzerrt dargestellt. Nach seiner eigenen Aufzeichnung übernimmt Groener nur für folgende Entscheidungen die Verantwortung: dem Gedanken Wilhelms II. vom 8. November 1918, sich an der Spitze des zurückkehrn-den Heeres die Heimat wieder zu erobern, widersetzte er sich aus realpolitischen Gründen, auch wenn dies Wilhelm II. nur als König von Preußen getan hätte, und er erklärte dem Kaiser, daß das Heer in Ruhe und Ordnung, jedoch nicht tinter sei-'nrtemTB£fehl?%Wfickkehren werde. Er, Groener, trollt** damit den Monarchen, „der sich an einert Strohhalm klammerte“, warnen, hatte sich aber für die Zeit nach 1918 das politische Todesurteil gesprochen.

Der ihm, Wilhelm II. gegenüber, immer wieder in den Mund gelegte Satz, „daß Fahneneid und oberster Kriegsherr in revolutionären Zeiten nur Fiktionen wären“, fiel tatsächlich im Gespräch mit Herren der Umgebung des Kaisers, aber am Rande aller Erwägungen der durchaus revolutionären Situation. „Sie sind württembergischer General, nachdem ich nicht mehr Kaiser bin, habe ich nichts mehr mit Ihnen zu tun“, waren die Abschiedsworte Wilhelms II. an Groener, den der Kaiser einstmals begönnert und bewundert hatte.

Groeners bedeutendste politische Leistung ist aber in der Folge sicherlich das Bündnis zwischen der „Obersten Heeresleitung“ und den n;uen Gewalten, mit Ebert, gewesen, denn dadurch gelang es, die Armee reibungslos zurückzuführen u.id linksradikale Entwicklungen hintanzuhalten, wenn auch die Reaktionäre sehr wesentlich gefördert und ermutigt wurden. In der Zeit zwischen Waffenstillstand und Friedensschluß neben Hindenburg kämpfte Groener für die deutsche Einheitsidee gegen Preußen, wie den Kriegsminister Reinhardt, der wie andere ernstlich ein „Ostreich“ unter Aufgabe der deutschen Einheit ausrufen wollte, um damit den Bestimmungen des Friedensvertrages Widerstand zu leisten. Das „schwarze Schaf“ vom November 1918 war Groener auch am 23. Juni 1919, als Hindenburg, nachdem die OFIL und eine Reihe ihr angehöriger Offiziere alle möglichen politischen und militärischen Widcstandspläne erwogen hatten, ihn beauftragten, Ebert die Aussichtslosigkeit eines Widerstandes gegen Versailles mitzuteilen. Er nahm die Rolle dieses schwarzen Schafes noch einmal auf sich, rechnete auf Dankbarkeit und wurde mit Schmutz und Kot durch Jahre überschüttet. Als

Lesen Sie auch die Buchbesprechungen in der Monatsschrift „DER GROSSE ENTSCHLUSS“ Minister der Weimarer Republik glaubte er zeitweilig an die Treue Hindenburgs, bis ihn dessen sprichwörtliche Untreue in einem kritischen Augenblick stürzte und damit den Untergang des wilhelminischen Nachfolgereiches einleitete.

Es sei noch am Rande vermerkt, daß auch hier, wie bei ähnlichen jüngst erschienenen Frinnerungs-werken (Müller. Theaer), die Unkenntnis des österreichisch-ungarischen Verbündeten himmelschreiend ist. Groener, der sonst zurückhaltend ist, kennt nur „nachgiebige, unfähige, unsichere“ österreichische Bundesgenossen, die rechtzeitig, um die italienische Kriegsgefahr abzuwehren, das „Tridentino“ an Italien abtreten sollten (Seite 533). Die Opferung des österreichisch-ungarischen Heeres in der Ostschlacht 1914 ist ihm vollkommen gleichgültig oder entgangen. Conrad beurteilt er zwar im allgemeinen günstig und meint, daß 1917 eine ausholende Operation gegen Italien und Frankreich nach Conrads Plänen richtig gewesen wäre. Damit sind Groeners ^wertvolle^Aufaröhiiüttg>ir>! uch ein' -kthtt'htze'uhi nender Beitrag iiim Kapitel „Bündriiskr>'g 1914 bis' 1918“. Univ-Doz. Dr. Ludwig Jedlicka

DIE GEMÄLDEGALERIE DES KUNSTHISTORISCHEN MUSEUMS IN WIEN. Von Vinzenz Oberhammer. Erster Halbband. Verlag Anton Schroll k Co. in Wien und München. Wien, 1959. 112 Seiten. 51 Farbphotos. Preis 324 S.

Es ist bedauerlich, daß die Repräsentation der Gemäldegalerie durch hundert Farbentafeln auf zwei Bände aufgeteilt worden ist und in dem ersten Halbband, der die Malerei nördlich der Alpen vom XV. bis zum XVII. Jahrhundert darstellt, Rubens und van Dyck fehlen, eine klare Abgrenzung der Themenkreise beider Bände also nicht erreicht erscheint. Und bedauerlich ist es, daß die Bildtexte zu den einzelnen Tafeln, an denen Gustav und Vita Maria Künstler mitgearbeitet haben, so umfangreich geworden sind, daß sie trotz des übergroß genommenen Satzspiegels die Bildtafeln bedrängen. Ein Blick auf das gestörte Gleichgewicht zwischen Text und Bild hätte genügen müssen, die allermeisten Erläuterungen radikal zu kürzen, um aus einem Repräsentationswerk der Galerie nicht ein kunst-, geschichtliches Lehrbuch werden zu lassen Die Texte zu den Bildern von Dürer oder Bruegel etwa sind so ausgedehnt, daß auch der zu groß gewählte Satzspiegel einer Seife für sie nicht ausreicht und die folgenden Seiten herangezogen werden müssen. Dieser Mißgriff schädigt die Wirkung der Tafeln schwer, was dur,ch einen Vergleich mit Ernst Buchners vorbildlichem Band über die Alte Pinakothek in München mit aller Deutlichkeit offenbar wird. Dort wechseln Farbentafeln mit einfarbigen Abbildungen, was ich persönlich begrüße, weil nicht alle Originale einer farbigen Wiedergabe gleichmäßig entgegenkommen und das betrachtende Auge durch den Wechsel stärker aktiviert und weniger ermüdet wird. Obwohl die Farbentafeln einen hohen technischen Durchschnitt in der farbicen Treue der Wiedergabe erreichen und sich vorteilhaft von den häufig grellen Tonskalen der Skira-Bände abheben, sind auch in dem Wiener Band nicht alle Ansprüche erfüllt. Einmal arbeiten die einzelnen Reproduktionsanstalten — neben vier Wiener wurden auch drei Grazer Firmen für die Herstellung der Farbenklischees herangezogen — trotz aller Skalengleichheit doch mit differierenden Ergebnissen, und dann ergibt der Ausdruck der Tafeln trotz genauester Korrekturarbeit immer wieder Schwankungen in einzelnen Partien oder Farben.

Trotz allen Einwänden ist der vorliegende Band begrüßenswert, da er an die Seite der repräsentativen Veröffentlichungen der anderen Weltgalerien tritt und die Wiener Sammlung ihrem stolzen Kranz einreiht. Bruno Grimschitz

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