
In Wien wurde die Schoa vorbereitet
Mit den Ereignissen des 9. November 1938 erreichte die Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten einen ersten, traurigen Höhepunkt. In Wien wurde der Boden dafür bereits Monate vor diesem Datum bereitet. Teil eins einer zweiteiligen Erinnerung an die Novemberpogrome.
Mit den Ereignissen des 9. November 1938 erreichte die Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten einen ersten, traurigen Höhepunkt. In Wien wurde der Boden dafür bereits Monate vor diesem Datum bereitet. Teil eins einer zweiteiligen Erinnerung an die Novemberpogrome.
"Reichskristallnacht“ ist die verharmlosende Bezeichnung für die staatlich organisierten Mord-Plünderung-Zerstörungsaktionen am 9. und 10. November 1938. Die Bezeichnung „Kristallnacht“ bezieht sich auf die zerborstenen Synagogen-, Geschäfts- und Wohnungsfenster. Der Begriff „Pogrom“ bezeichnet lokale und regionale Massaker an Juden seit dem Mittelalter, erfasst aber nicht die Organisation des Terrors durch eine Staatsregierung auf deren Staatsgebiet mit einer landesweiten Enteignungs-, Deportations- und Vernichtungspolitik.
Die Novemberpogrome 1938 waren die Generalprobe für die Schoa und markierten den Weg zur Endlösung und zur Ermordung von Millionen Juden. Offiziell galten sie als „spontane“ Aktion der Bevölkerung wegen der Ermordung des deutschen Legationsrates Ernst von Rath durch Herschel Grynszpan am 7. November 1938. Grynszpan hatte in der deutschen Botschaft in Paris Legationsrat Ernst von Rath durch Pistolenschüsse tödlich verletzt. Er wollte sein Eltern rächen und die Welt auf das Unrecht aufmerksam machen, das den Juden durch die Nationalsozialisten in Deutschland widerfahren ist.
Die Eltern von Herschel Grynszpan waren polnische Juden, die mehrere Jahre in Deutschland gelebt hatten. Die Nationalsozialisten nahmen im Oktober 1938 etwa 10.000 in Deutschland lebende polnische Juden in der sogenannten „Polenaktion“ gefangen und schickten sie an die polnische Grenze zurück. Zuvor hatte der polnische Staat diesen polnischen Staatsbürgern die polnische Staatszugehörigkeit entzogen. Die Polen ließen die Juden nicht hinein, die Deutschen taten das Gleiche. Kinder, Frauen und Männer verbrachten tagelang eine fürchterliche Zeit im Niemandsland. Sie vegetierten im Freien, im Regen und in der Herbstkälte ohne Nahrungsmittel und ohne ausreichende Kleidung, in völliger Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit dahin. Sie konnten dann im Oktober schlussendlich durch internationalen Druck doch nach Polen einreisen.
Private und staatliche Raffgier
Herschel Grynszpan wollte die Welt aufrütteln und verwundete Ernst von Rath, der kein Nationalsozialist war, so schwer, dass er am 9. November verstarb. Es gibt eine Fülle von Fakten, die beweisen, dass dieses Attentat bloß Anlass und nicht Ursache war, um das längst von den Nationalsozialisten vorbereitete Pogrom zu machen.
Hitler war auf dem Höhepunkt seiner Macht, er hatte Österreich annektiert und das Sudetenland dem Deutschen Reich einverleibt sowie im Oktober 1938 die Rest-Tschechoslowakei besetzt. Hitler wollte den Krieg, aber das Deutsche Reich war im Ausland schwer verschuldet, und die fehlenden finanziellen Mittel gefährdeten die Aufrüstung und die Verwirklichung der militärischen Pläne. Durch staatliche Enteignung der Juden sollte notwendige Finanzierung der militärischen Pläne ermöglicht werden.
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