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Ist Rupert der falsche Patron von Salzburg?

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Die Patina alten Gemäuers in der Festspielstadt kann täuschen. Die Katakomben von St. Peter sind keine urchristlichen Flucht- und Kulturstätten, das Felsengrab des heiligen Rupert ist ein ursprünglicher Aschenkasten, der romanische Kreuzgang ist spätmittelalterlich - und das Stift datiert gemäß Haustradition seine Gründung auf das Jahr 582, obwohl der Gründerabt Rupertus erst gegen Ende des 7. Jahrhunderts nach Salzburg kam.

Die Wissenschaft ist bemüht, die Widersprüche zwischen tradierten Meinungen und historischen Fakten zu klären. Immer mehr tritt dabei das Bild einer christlichen Kontinuität hervor, die nicht erst mit dem Auftreten des heiligen Rupert begann.

Es fielen den Urkundenforschern auf, daß unter den Rupertus zugeschriebenen Gründungen ausgerechnet das Stift St. Peter, dem er als Abtbischof vorstand, nicht ausdrücklich genannt wird. Daraus ist zu schließen, daß Rupertus eine bereits bestehende MöBchsgemeinde an der Stätte vorfand. Sein Wirken bestand darin, diese zu reaktivieren und in neuen Bauten zu beheimaten.

Wo standen dieses damals neue Kloster und seine Kapelle? Hat es Alkuin, der Hofdichter Karls des Großen, gemeint, als er ein Jahrhundert nach Rupert seine Schönheit besang?

An der Stelle der heutigen gotischen Margaretenkapelle im Petersfriedhof stand damals eine dem heiligen Abt Amandus geweihte romanische Kapelle. Unter ihrem Boden konnten 1994 durch Stefan Karwiese spätantike Reste freigelegt werden, die auf einen christlichen Gottesdienst-und Begräbniskult deuten. Stand hier ein Sakralbau aus römischer

Zeit, auf deren Resten Rupert die Amadeuskapelle für die Mönchsgemeinde errichten ließ?

Die Mönchszellen waren die im nahen Berghang vorgefundenen und ausgebauten Höhlen. Auch unter dem Hohen Stock und der St. Georgs-Kapelle auf der Festung Hohensalzburg fanden sich 1994 spätantike Baureste. Die Vermutung, daß hier eine der in der Vita St. Severini genannten Basiliken gestanden sein könnte, tauchte sogleich auf. Oder stand eine christliche Basilika außerhalb Juvavums im Bereich der heutigen Linzergasse? Nach Bombeneinschlägen im Zweiten Weltkrieg kamen auch da spätantike Reste zutage, die aber vor Errichtung der Wiederaufbauten unzureichend wissenschaftlich untersucht wurden.

Das wichtigste literarische Zeugnis über das Christentum im römischen Donau- und Alpenraum ist die Vita St. Severin, die von dem Mönch Eugippius anfangs des 6. Jahrhunderts verfaßt und im frühen Mittelalter in den klösterlichen Schreibstuben mehrfach abgeschrieben wurde. Zwei darin überlieferte Daten geben zu denken: Severin starb am 8. Jänner 482. Das tradierte Gründungsdatum von St. Peter 582 liegt genau hundert Jahre später. Und am 8. Jänner wird im Martyrologium von St. Peter das Gedächtnis des Maximanius und seiner Gefährten gefeiert, die laut Vita St. Se-verini in den Mönchsberghöhlen den Tod fanden.

Auffallend an den Wegen des Rupertus zwei Jahrhunderte später: Vom Bayernherzog mit der Schaffung einer Diözese betraut, zog er zuerst nach Lauriacum, ei: ner der wichtigsten Stätten Severins, ehe er nach Seekirchen und dann nach Salzburg kam. Drei lokale Hinweise auf Salzburg finden sich in der Vita. Im 11. Kapitel wird das Kastell Cucullis erwähnt. Nach dem Zeugnis eines Marcia-nus geschah dort in Anwesenheit Severins ein Kerzenwunder. Das Kastell stand, wie die Ausgrabungen erwiesen, auf dem Georgenberg bei Kuchl an der alten Römerstraße nach Süden. War dieser Marcianus, von dem berichtet wird, er sei lange Zeit in der Fremde gewesen, der Gewährsmann des Eugippius?

Im 13. Kapitel der Vita wird wieder von einem Kerzenwunder berichtet, diesmal bei einem Abendgottesdienst Severins in einer Basilika vor der Stadt Juvao. Die in der Salzburger Linzergasse gefundenen, bereits erwähnten Relikte kommen dafür ebenso in Frage wie die spätantiken Funde auf der Festung.

Über das Martyrium Maximia-nus wird im 24. Katalog berichtet. Es hat sich nach Severins vergeblicher Warnung in Joviaco zugetragen. Die Entfernungsangabe -20 Meilen von Batavis (Passau) -ist unstimmig. Man nimmt den Ort eher in Schlügen oder Aschach an der Donau an. Aber wie kommt das Gedenken dann in das Stift St. Peter?

Ernst Karl Winter, sehr verdienstvoll, aber umstritten in der Severin-Forschung, hegte so wie schon andere Gelehrte vor ihm, an den Juvavum-Ortsangaben Zweifel. Schon die unterschiedliche Schreibweise in den klösterlichen Abschriften sei verdächtig: Juvao, Joviaco, Juvavo, Juva, Juba, Jobia-co, Jopia.

War die Urschrift so schlecht leserlich? Kannte Eugippius, der in Neapel den Urtext schrieb, die norisch-römische Geographie zu wenig? Oder wurde in den Schreibstuben bewußt manipuliert? Zumindest in weiteren Bereichen von Salzburg hätten Fälschungen mit Protest rechnen müssen. Es bestand ja damals ein geistiger Austausch zwischen den Stiften und Schreibstuben - und die Bücher wurden nicht nur abgeschrieben, sondern verglichen und gelesen.

Es ist zu hoffen, daß bald mehr Licht in das Dunkel der christlichen Mission Salzburgs vor Rupertus kommt. Ohne die Bedeutung des fränkischen Diözesan-patrons schmälern zu wollen, wurde mittlerweile der Einladungstext zu einem Diözesanforum zurückgezogen, in dem behauptet wurde, Rupertus habe vor 1300 Jahren das Christentum nach Salzburg gebracht. Das Christentum dort ist älter und wurde bereits von den Römern eingeführt und von Severin am Ende der Völkerwanderung betreut.

Die Frage seiner körperlichen Anwesenheit ist dabei gar nicht so entscheidend. Es ist ja stets der Geist, der lebendig macht.

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