6705503-1963_50_08.jpg
Digital In Arbeit

Josefs Traum

Werbung
Werbung
Werbung

Die wichtige Stellung eines Mundschenks (vgl. 1 Mos. 40, 1) kann man aus einem Gemälde im Grab Nr. HO in Deir-el-Bachari (Nobelgräber zehn Kilometer westlich von Luxor) erkennen. Der „Oberbäcker” dürfte einer der „Tischschreiber des Pharao” gewesen sein, von denen wir wissen, daß sie auch die Bäckereien zu kontrollieren hatten. Die Ägypter besaßen Traumbücher, nach denen sie die Träume deuteten. Josef, der schon den Traum des Obermundschenks und des Oberbäckers richtig gedeutet hatte, wurde später von dem inzwischen wieder in sein Amt eingesetzten Obermundschenk aus dem Gefängnis geholt, als niemand imstande war, einen Traum des Pharao richtig und überzeugend zu deuten.

Die richtige Auslegung dieses Traumes „von den sieben Ähren” und „den sieben Kühen” und die gutüberlegten Maßnahmen, die Josef dem Pharao zur Abwehr einer drohenden Hungersnot vorschlug (vgl. 1 Mos. 41, 14—36), veranlaßten den Herrscher Ägyptens, Josef zum Versorgungsminister zu ernennen. Dieser fast unwahrscheinliche Aufstieg eines Ausländers paßt gut in die Hyksoszeit; die Hyksos hatten schon um die Mitte des 18. Jahrhunderts vor Christus die Stadtstaaten Kanaans erobert und sich schließlich etwa um 1670 vor Christus den Weg hinein nach Ägypten erkämpft; sie hatten keine Bedenken, ein so hohes Amt einem gleichfalls aus Asien gekommenen Fremdling anzuvertrauen. Ihre Fürsten, die in den ägyptischen Texten „Herrscher der Fremdvölker” (=Hyksos) genannt werden, beherrschten von ihrer im Nildelta gelegenen Hauptstadt Avaris aus Unter- und Mittelägypten. Nur in Oberägypten erhielt sich eine „Widerstandsbewegung”, die ihr Zentrum im damaligen Theben, dem heutigen Luxor, hatte.

An die Erzählung vom Traum des ägyptischen Josef denkt man unwillkürlich, wenn man im Museum von Kairo lange Papyrustexte sieht, auf denen die „sieben Ähren” und die „sieben Kühe” zu sehen sind. Der biblische Bericht über die Traumdeutung paßt ausgezeichnet zur ägyptischen Darstellung des Totenrichters Osiris, der oft mit sieben Kühen gezeigt wird, die ihn ernähren sollen. Die sieben Ähren waren dem alten Ägypter ein Sinnbild der Fruchtbarkeit. Das besondere an der Erzählung ist nicht der Traum — der ist durchaus ägyptisch —, sondern die durch Josef gegebene Auslegung, die auf ein unmittelbares Eingreifen Gottes hinweist.

Übrigens gibt es für den raschen Aufstieg eines Ausländers einen Parallelbericht: In der aus der Mitte des 14. Jahrhunderts vor

Christus stammenden Amarna- Korrespondenz, von der Teile in den Glasvitrinen des Museums von Kairo zu sehen sind, wird ein Semite namens Janhamu genannt, der ähnlich wie Josef die Vorratshäuser verwaltet und Getreide austeilt. Auf einer dieser Keilschrifttafeln aus dem Archiv des Außenministeriums Echnatons (= Amenophis IV., des Schwiegervaters Tut-anch-Amons) wird der Name „urusalim” (= Jerusalem) bezeugt.

Josef erhielt nach dem Bericht der Bibel (1 Mos. 41, 42) den Siegelring des Königs sowie die Beamtenkette, wie sie als Auszeichnung häufig vom Pharao verschenkt wurden. Auch der Bericht über den zweiten Namen, den Josef nun erhielt, entspricht eineraltägyptischen Gepflogenheit: auch sonst trugen die Ausländer am Hof noch einen Hofnamen, der meist dem Namen des Pharao nachgebildet war. Der biblische Bericht, wie Josef in das Amt eines ägyptischen Großwesirs eingesetzt wird, entspricht genau dem damaligen ägyptischen Protokoll, einschließlich dem in der Bibel überlieferten Ruf: „Abrek!”: „Er ließ ihn auf seinem zweiten Wagen fahren und vor ihm ausrufen: .Achtung!1; so setzte er ihn über ganz Ägypten” (1 Mos. 41, 43—44). Auch dieser Bibeltext, daß Josef, bekleidet mit den Insignien seiner neuen Würde, den „zweiten Wagen” besteigt, weist auf die Hyksoszeit hin; denn erst die Hyksos brachten das Pferd und den Kampfwagen nach Ägypten, wie er öfter auf den Tempelwändeh von Karnak und im Ramesseum dargestellt wird.

Schon ein Jahrtausend vor dem ägyptischen Josef muß es in ganz Ägypten eine schreckliche Hungersnot gegeben haben; zwei Kilometer nördlich vom Staudamm von Assuan, im ersten Katarakt, liegt die heilige Insel Seheil, deren Granitfelsen etwa 200 Gedenk- und Weiheinschriften tragen. Eine Parallele zum biblischen Bericht über eine siebenjährige Hungersnot ist eine Weiheinschrift auf der Nilinsel Seheil. In 32 Zeilen wird uns berichtet, daß zur Zeit des Pharao Zoser (III. Dynastie, um 2750 vor Christus) sieben Jahre lang eine Hungersnot die Ägypter gequält hat, weil die Wasser des Nil den Fruchtstreifen nicht in der gewohnten Höhe überschwemmten; erst auf das inständige Gebet des Pharao Zoser hin läßt (der oberägyptische) Gott Chnum die Nilüberschwemmung wieder richtig einsetzen.

Der Aufenthalt der Hyksos in

Ägypten, der etwa für die Periode von 1670 bis 1570 vor Christus anzusetzen ist, kann auch durch die in ihren Gräbern aufgefundenen Siegel nachgewiesen werden, die nach Art eines Skarabäus (= Mistkäfer, Sinnbild für den Sieg des Lebens über den Tod) gearbeitet sind und den

Namen des Toten enthalten. Auf einem dieser Siegel aus der Hyksoszeit steht der sonst in Ägypten nicht vorkommende Name „Jakob-her”.

Ein Geschenk des Nil

Tutmosis III., der Nachfolger der Pharaonin Hatsepsut, eroberte etwa 1479 vor Christus zahlreiche Orte in Kanaan, die auf den sogenannten geographischen Listen am Karnaktempel angeführt sind. Dort werden insgesamt 628 Fürsten dargestellt, und alle haben auf dem Oberkörper einen Schild mit der Inschrift einer eroberten Stadt (vgl. Bild Nr. 2); unter den 118 Ortsnamen aus dem Gebiet des heutigen Palästina fallen uns besonders zwei auf: „Jakob-el” und „Josef-el”.

An den Namen des ägyptischen Josef erinnert übrigens noch heute ein 334 Kilometer langer Kanal vom Nil zur Oase Fayum, der ein 44 Meter unter dem Meeresspiegel liegendes großfes Gebiet bewässert; der Kanal heißt „Bahr Yusuf”, „Josefskanal”, Wie m n auf jeder besseren Landkarte des heutigen Ägypten nachlesen kann. So wurde eine bisherige Sandwüste zum Ackerland, zu einer der fruchtbarsten Landschaften Ägyptens.

Die dreimal im Jahr einsetzende Überschwemmung des meist fünf bis zehn Kilometer breiten Fruchtstreifens beiderseits vom Nil war für die alten Ägypter ein uner- forschliches Geheimnis der Götter; sie wußten noch nichts vom Gewitterregen am Weißen und am Blauen Nil, doch bemerkten sie, daß die Wasser gerade zur rechten Zeit eintrafen, wenn das Land ausge trocknet war und die neue Aussaat beginnen sollte. Die Nilüberschwemmung düngte und bewässerte dreimal den Boden, im April, August und Oktober. Ägypten ist eigentlich nur eine Stromoase, „ein Geschenk des Nil” (Herodot); heutzutage wird die Überschwem mung” durch den Staudamm von Assuan geregelt. Die immer noch andauernde Krise im Nahen Osten wurde bekantlich durch den Streit um die Finanzierung des neuen, um neun Meter höheren Staudammes ausgelöst, der dazu beitragen soll, daß bald mehr als drei Prozent der Gesamtfläche Ägyptens fruchtbares Ackerland sind. Freilich werden die Wasser, die vom neuen Damm aufgestaut werden sollen, weite Gebiete Nubiens und auch noch im Sudan überschwemmen und unersetzliche Kulturwerte bedrohen. So wird beispielsweise der berühmte Abu-Simbel-Tempel. das mächtigste Bauwerk aus der Zeit Ramses II., nur noch 1964 zugänglich und zu besichtigen sein.

Es war ein Werk der göttlichen Vorsehung, daß jenes Volk, welches Träger der Heilsgeschichte und der Erlösung werden sollte, vom kulturell höchststehenden Volk der Antike aus dem recht primitiven Nomadendasein zu höherer Bildung geführt wurde. Zusammenfassend könnte man über die altägyptiscfien Parallelen zum biblischen Bericht über die Einwanderung zur Zeit des ägyptischen Josef folgendes feststellen:

1. Das Ereignis als solches, das heißt die Einwanderung eines

Semiten aus dem Stamm der „Apiru” (= Hebräer) und sein Aufstieg zum zweitmächtigsten Mann in Ägypten, paßt gut in die Hyksoszeit (1670 bis 1570 vor Christus). Solche Einwanderungen sind damals erfolgt, und auch eine ähnliche Karriere eines Semiten in Ägypten läßt sich außerbiblisch nachweisen.

2. Die Josefs-Erzählung beschreibt absolut richtig das ägyptische Milieu im 17. Jahrhundert vor Christus; sie enthält ägyptisches Sprachgut und sie trifft sehr gut das ägyptische Kolorit. Es handelt sich also ganz offenbar um einen Erlebnisbericht, den man später in dieser Form nicht mehr hätte nachmachen können; es handelt sich also um ein geschichtliches Ereignis, das bei den Israeliten von Generation zu Generation weitererzählt wurde, bis man es schließlich in der Genesis schriftlich fixierte.

(Weitere Artikel folgen)

1 In Farbwiedergabe ist dieses Bild (und 23 andere außerbiblische Belege) im Buch „Der Weg zu Christus. Die Offenbarungsgeschichte des Alten Bundes” (Tyrolin-Verlag, Preis 48 S), verfaßt vom

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung