Joseph II - © Foto: picturedesk.com / akg-images

Joseph II.: Der rastlos reisende Kaiser

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Monika Czernin erzählt in ihrem von romanhaften Einsprengseln durchsetzten Bericht über den „Grafen Falkenstein“ alias Joseph II. von der bemerkenswerten Reisetätigkeit des reformfreudigen Herrschers.

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Monika Czernin erzählt in ihrem von romanhaften Einsprengseln durchsetzten Bericht über den „Grafen Falkenstein“ alias Joseph II. von der bemerkenswerten Reisetätigkeit des reformfreudigen Herrschers.

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Für Hegel war Napoleon „der Weltgeist zu Pferde“. Der schwäbische Philosoph hatte allerdings übersehen, dass schon eine Generation zuvor ein Habsburgerherrscher ganz Europa bereist hatte, in Kutschen wie auf Pferderücken, um seine aufgeklärte Überzeugung zu festigen, mit Reformeifer und Toleranz den Frieden zu erhalten.

Joseph II. reiste inkognito, um sich bei Lokalaugenscheinen ein unverfälschtes Bild zu verschaffen: Unter dem Tarnnamen „Graf Falkenstein“ war dieser Kaiser unermüdlich unterwegs, um Land und Leute seines riesigen Reichs kennenzulernen. Ab 1765 war er Mitregent Maria Theresias, nach deren Tod 1780 alleiniger Monarch.

Joseph II. ist in dem Vierteljahrhundert seiner Regentschaft (1765–1790), vor allem aber in den zehn Jahren seiner Alleinherrschaft (1780–1790) eine der herausragendsten Erscheinungen in der Geschichte des Habsburgerreichs geworden. Ein Monarch, der die Zeichen der Zeit erkannt hat und danach trachtete, ihnen vorauseilend zu handeln. Er schaffte die Todesstrafe ab, die Folter und die Leibeigenschaft. Er führte gegen den Willen Roms die Religionsfreiheit auch für Protestanten, Orthodoxe und Juden ein, gründete das Allgemeine Krankenhaus in Wien und schuf die Grundlage für die moderne Verwaltung des Staats unter einer egalitär rekrutierten Beamtenschaft. Und er öffnete sukzessive die kaiserlichen Gärten und Jagdgebiete in Wien, um sie zur Erholung für jeden zugänglich zu machen.

Einfacher Lebensstil

Joseph II. war der erste Monarch, der sich von der Idee der Gleichheit aller Menschen leiten ließ. Die Angst der Obrigkeit vor dem Volk, die andere Herrscher seiner Zeit umtrieb, kannte er nicht. Im Gegenteil, ihm konnte es an Begegnungen mit Menschen jeglicher Herkunft nie genug sein. In der Einfachheit seines Lebensstils suchte er sich ihnen anzugleichen.

„In einem Reiche, das ich regiere, muss, nach meinen Grundsätzen beherrscht, Vorurteil, Fanatismus, Parteilichkeit und Sklaverei verschwinden, damit jeder meiner Untertanen in den Genuss seiner angeborenen Freiheiten eingesetzt werden kann.“ Mit dieser Maxime hatte der Kaiser drei Monate nach dem Antritt seiner Alleinregierung deren Zielsetzungen formuliert.

Ein Viertel seiner gesamten Regierungszeit war er unterwegs. Dabei legte er eine Wegstrecke von fast fünfzigtausend Kilometern zurück. Mit Papier und Federkiel hielt er seine Eindrücke und Erlebnisse fest. „Wenn das Reisen für jeden denkenden Menschen nützlich ist“, schrieb er 1767, „so ist es das umso mehr für einen Souverän, der, alle Vergnügungen zurückweisend, sich nur auf die Nützlichkeit seines Tuns konzentriert.“

Für die österreichische Sachbuchautorin Monika Czernin ist der umtriebige Herrscher schlichtweg ihr Held. Gewissermaßen ein Typ, mit dem man Pferde stehlen konnte. Ausschließlich den reisenden Kaiser begleitet ihre frisch und forsch geschriebene Darstellung, in der die historisch gesicherten Tatsachen zuweilen etwas ungefügig mit romanhaften Einsprengseln aufgemischt werden.

Von Frankfurt bis auf die Krim

Auf neun der zahlreichen Reisen des Kaisers geht die Autorin ausführlich ein: von der Fahrt zur Krönung 1764 in Frankfurt bis zur Reise auf die Krim 1787, zur abermaligen Begegnung mit Zarin Katharina II., mit der er bereits 1780, entgegen dem Wunsch seiner Mutter, in der (weiß)russischen Grenzstadt Mogilev und später in St. Petersburg zusammengetroffen war. Auf der Krim hatte er sich vom Schlachtspektakel des Fürsten Potemkin blenden und zu einem Bündnisvertrag verleiten lassen, der die Monarchie nur ein Jahr später, im neuerlichen Krieg der Türken gegen Russland, in ein bellizistisches Abenteuer verwickelte, das militärische Kräfte fehlgeleitet band.

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