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Kölner Bekenntnis zur neuen Kirchenmusik

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Zwei bedeutsame Ereignisse des Jahres 1950 charakterisieren die Lage der zeitgenössischen Kirchenmusik: der Internationale Kongreß für Kirchenmusik, der im Mai in R o m stattfand, und die Oktobertagung der Internationalen Gesellschaft für Neue Kirchenmusik (I. G. K.) in Köln. Während der Weltkongreß in Rom vorwiegend wissenschaftlich orientiert war, beschränkte man sich in Köln von vornherein auf praktische Darbietungen und verzichtete auf theoretische Diskussionen. Darin liegt der Wert, aber auch die Beschränkung der Tagung, und man könnte sich vorstellen, daß man künftighin die Anwesenheit eines auserlesenen Forums von Komponisten, Musikforschern, Chorleitern, Organisten, Geistlichen und Laien gleich benützt, um auch geistige und Materialprobleme der neuen Kirchenmusik zu erörtern.

Die Krise der neuen Kirchenmusik beruht wohl zutiefst in der Schwierigkeit eines allgemeingültigen Ausgleiches zwischen Tradition und Fortschritt; die kirchliche Kunst, die für uns die höchste Zweckkunst bedeutet, die sich denken läßt, muß sowohl musikalisdien als auch liturgischen Gesetzen gehorchen. Und so großzügig auch immer die Kirche sein mag, von den Grundforderungen der Verherrlichung Gottes und der Erbauung der Gläubigen, die sich in den konkreten Vorschriften nach Heiligkeit, Güte der Form und Allgemeinver-ständlidikeit ausdrücken, kann sie niemals abgehen. Die neue Kirchenmusik wird verhältnismäßig leidit die beiden ersten Forderungen, am schwersten jedoch die Forderung nach Universalität erfüllen können. Deshalb wies Kardinal Frings von Köln n seiner Festansprache auf die Kluft zwischen Kunstmusik und gläubiger Gemeinde hin und beschwor die Komponisten, „Fühlung mit dem Volk“ zu finden — die Laien, aktiven Anteil an der Entwicklung der neuen Kirchenmusik zu nehmen und die I. G. K., Wegbereiterin zur neuen Kunst, aber auch Kunstmittlerin zu sein.

Dies wurde auch der Grundgedanke der Kölner Tagung. Vier, bis an den Rand mit Musik erfüllte Tage boten in drei Pontifikal-ämtern im Hohen Dom, fünf Studienkonzerten (im Funkhaus, wo die neue große Funkorgel bewundert wurde), zwei Festkonzerten, einer Orgelweihestunde, in der Josef Zimmermann einen interessanten Querschnitt durch das neue deutsche Orgelschaffen gab, dem Festakt in der Universitätsaula und einem festlichen Opernabend (Milhauds „Columbus“) ein lebenswahres Bild der heutigen kirchenmusikalischen Lage. Die Spitzenwerke der Festkonzerte (geistliche Musik) waren gleichzeitig auch die musikalischen Höhepunkte der Tagung, die eigentliche liturgische Musik, die in den Messen kulminierte, fiel dagegen ab, allerdings hatte man auch keine „ganz neuen Messen gewählt (Koddly, Andriessen und Vierne). Beim römischen Kongreß wurde ein Antrag auf offizielles Kirchenverbot der Zwölftonmusik mit großer Mehrheit aus prinzipiellen Gründen abgelehnt. Nun, in Köln hörte man keine Zwölftonmusik, das Oslerkon-zert des Schö.nbergsdiülers Winfried Zillig ist keine liturgische Musik und auch sonst nicht allzu radikal. Olivier Messiaen, den wir bei der Frankfurter Tagung 1936 das erstemal hörten, ist sich seit dieser Zeit treu geblieben und wurde in Köln lebhaft diskutiert (Drei kleine Liturgien, Quartett auf das Ende der Zeiten). Deutsche, niederländische und französische Chöre, .bedeutende Organisten und Improvisatoren, das Kölner Funkorchester unter L. Jochum und das Gürzenichorchester unter G. Wand boten ausgezeichnete Leistungen. Erschüttert erlebten die aus kriegsverschontea Zonen Herbeigeeilten den unirdischen Zauber der Musik als ein irreales Geschehen auf einer trostlosen Trümmerstätte deutschen Geistes — wie ein Zeugnis unvergänglicher christlicher Kultur erhebt sich der stark angeschlagene Kölner Dom inmitten der völlig zerstörten Stadt.

Die österreichisdie Gruppe war diesmal leider nur mit zwei kleinen Werken vertreten (J. Kronsleiners Pfinqst-Communio und; A. Heillers Ave Maria). Man denkt dabei an die große Frankfurter Tagung 1936 zurück, bei der Österreich mit zehn Komponisten qualitativ als auch quantitativ dominierte. Es wird Aufgabe der in Wiedergründung begriffenen österreichischen Sektion sein, unseren Anspruch bei der nächsten Tagung (die wahrscheinlich in Freiburg i. B. stattfinden wird) anzumelden und durchzusetzen.

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