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KONZERTE IN DER AULA

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Der Brand des Alten Universitätsgebäudes in der Nacht vom 7. auf den 8. Februar und die traurigen Folgen dieses Unglücks haben in einigen Wiener Zeitungen historische Märchen zutage gefördert, die auch die musikgeschichtliche Vergangenheit des Hauses betrafen. Es scheint deshalb angebracht, sich der Wahrheit zu erinnern.

Nachdem die Wiener Universität mehr als zweihundert Jahre lang im noch erhaltenen Gebäude des großen Jesuitenkollegiums tnnA ifsfa n- 4 nstidi utnu — ssd g risrtash'fiätf rtts. I; rtr si untergebracht gewesen war, wurden 1756 die meisten Vorlesungen m das neue7 ttaus, dO aXmÄs'yiogdffariiite Neue Universitätsgebäude, verlegt, bis die Ereignisse des Jahres 1848 eine Rückkehr in das gegenüberliegende alte Haus nötig machten. Bis zur Übersiedlung in den Neubau auf dem Ring (1883) fanden die Vorlesungen aber nicht nur in der ehemaligen Jesuitenburg statt, sondern die Hörsäle waren über die ganze Stadt verstreut. Das herrliche Gebäude von Jadot, gewöhnlich die Aula genannt, dient seit 1857 der Akademie der Wissenschaften. Nur die Inaugurationen der Rektoren fanden noch bis 1883 im Festsaal, der Aula, statt.

Dieser prächtige und sehr akustische Saal, dessen Deckengemälde jetzt vernichtet worden ist, war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch nicht für musikalische Aufführungen verwendet worden, obwohl Wien an Konzertsälen sehr arm war. Die ersten nachweisbaren Konzerte dort wurden in der Saison von 1807 auf 1808 von einer Amateurgesellschaft veranstaltet, und diese Unternehmung wurde das „Kavaliers-Konzert" genannt. Es gab jeden Sonntag mittag solche Konzerte, zuerst im kleinen Saal der „Mehlgrube“ auf dem Neuen Markt, dann aber in der Aula, von Johann Baptist v. Häring, Franz Clement oder von Beethoven dirigiert. Von ihm wurden in dieser Saison um Neujahr 1808 die Zweite und die Vierte Sinfonie, die Prometheus- und die Coriolan-Ouvertüre, vielleicht auch mehr gespielt. Die Programme sind leider nicht erhalten geblieben.

Eines dieser Liebhaberkonzerte im Universitätssaal war die berühmte Aufführung der „Schöpfung“ am 27. März 1808, wo Haydn zum letzten Male öffentlich erschien und wo man seinen 76. Geburtstag im voraus feierte. Sein Oratorium wurde damals mit dem italienischen Text von Carpäni unter Salieris Leitung gegeben. Der Fürst Esterhazy, Flaydns letzter Patron, ließ ihn von Gumpendorf im Wagen abholen, Beethoven, Salieri und andere Musiker empfingen ihn am Tor der Aula. In einem Armstuhl wurde der schon gebrechliche Greis in den Saal hinaufgetragen und zwischen drei ihm befreundeten Damen postiert: Fürstin Maria Esterhazy, Fräulein Magdalena v. Kurzböck und Baronesse Spielmann. Auch Hummel, Gyrowetz, Weigl, Eybler und Graf Moritz Dietrichstein saßen in den drei Stuhlreihen der Honoratioren. Beethoven, Salieri und Fürst Lobkowitz küßten Haydn die Hand. In dem noch kühlen Saale fröstelte den Meister so, daß man ihn mit einem Schluck Weines stärkte, seinen Zweispitz aufsetzen ließ und die Damen ihn mit ihren Schals förmlich bedeckten. Diese Szene hat Balthasar Wiegand in Gouache auf den Deckel einer kostbaren Kassette gemalt, die Haydn von der Fürstin Esterhazy geschenkt bekam und die leider um 1945 dem Historischen Museum der Stadt Wien verlorengegangen ist. Nach dem letzten Teil des Oratoriums mußte man Haydn, der gerührt alle Anwesenden segnete, wieder hinuntertragen und nach Hause fahren. Heinrich v. Collin beschrieb das Konzert in einem Gedicht, das so begann:

Es war ein Tag, an deut Wiens Musenhalle, Die herrliche, der froh ich Bildung danke, Ertönte von der Schöpfung Feierschalle.

Dann heißt es:

Beethovens Kraft denkt liebend zu vergehen, So Haupt als Hand küßt glühend er dem Greise.

Und es endet:

Wohl wird er nie mehr kommen!

Das wurde ein Jahr vor Haydns Tod gedruckt.

Weniger bekannt als dieses historische Konzert ist die Tat- šache, daß Beethoven im gleichen Saale seine Siebente Sinfonie und sein einst populäres Tongemälde „Wellingtons Sieg oder Die Schlacht bei Vittoria" am 8. Dezember 1813 zum ersten Male aufgeführt hat. Diese Akademie fand zugunsten der bayrischen und österreichischen Invaliden aus der Schlacht bei Hanau statt und wurde am 12. Dezember wiederholt. Beethoven selbst dirigierte, und viele Notabilitäten der Musik wirkten aus Verehrung oder Freundschaft in dem hundertköpfigen Orchester abtuw nsßhrläiriabrmH wb MTJ iov i

mit, das den Meister restlos beglückte. Salieri und der Opernsänger Siboni traktierten die „Kanonen“ (große Trommeln) und „Gewehre" (Ratschen) auf den beiden gegenüberliegenden Baikonen, wo diese „Kriegsmaschinen" der Engländer und Franzosen untergebracht waren. Eine der großen Trommeln bediente Hummel, die andere vielleicht der junge Meyerbeer, der damals in Wien weilte, wie der Cellist Romberg, der gleichfalls mittat. Spohr und Mayseder beschieden sich mit zweiten und dritten Streicherpartien. Schuppanzigh aber war der Konzertmeister dieser Akademien, dem zufolge der Taubheit Beethovens eine besondere Verantwortung zufiel. Der Mechaniker Mälzel, der die Komposition der „Schlacht“ angeregt hatte, produzierte zwischen den neuen Werken seinen mechanischen „Trompeter“, der Märsche von Pleyel und Dussek mit Orchesterbegleitung blies. Da der unerhört hohe Eintrittspreis fünf und zehn Gulden betrug, ergab sich ein Erlös von mehr als 4000 Gulden für den wohltätigen Zweck der beiden Konzerte. Aus Beethovens Briefen ist zu ersehen, daß er sich an den Rektor hatte empfehlen lassen, um den Saal zu bekommen, der „am vorteilhaftesten und ehrenvollsten für mein jetziges Vorhaben wäre“. Im Universitätssaale hat Beethoven dann noch am 17. Jänner 1819 die Prometheus- Ouvertüre und wieder die Siebente Sinfonie dirigiert, vom Publikum lebhaft begrüßt und bedankt Das geschah bei einer der jährlichen Akademien der juridischen Fakultät zugunsten der bedürftigen Witwen und Waisen ihrer Mitglieder. Es war das letzte öffentliche Auftreten Beethovens mehr als acht Jahre vor seinem Ende.

Zwischen jener Aufführung der „Schöpfung“ und der ersten „Schlacht“ lagen Schuberts fünf Zöglingsjahre im Wiener Stadtkonvikt, das mit dem Akademischen Gymnasium im ehemaligen Jesuitenkollegium untergebracht war. Da Schubert im Herbst 1808 eintrat und im Herbst 1813 jene Anstalten wieder verließ, hatte er keinen der musikhistorisch denkwürdigen Tage gegenüber der Aula erlebt. Aber bald nach Haydn ist auch er dort aufgetreten, in einer freilich sehr bescheidenen Rolle. Am Sonntag, den 15. Dezember 1811, wurde im Universitätssaale eine Heinrich-v.-Collin-Feier abgehalten, deren Ertrag dem Denkmal des verstorbenen Dichters in der Karlskirche zufloß. Das Programm dieser ganz von Dilettanten bestrittenen, von Mosel dirigierten Akademie enthielt unter anderem fünf von Abbe Stadler komponierte Chöre aus Collins Trauerspiel „Polyxena“. Die Fürstin Karoline Lobkowitz hatte im Namen der „Gesellschaft adeliger Frauen zur Beförderung des Guten und Nützlichen" den Hofmusikgrafen Moritz Dietrichstein gebeten, daß die Sängerknaben der Hofkapelle in diesen Chören ausnahmsweise mitwirken dürften. (Denn sonst war ihnen jedes öffentliche Auftreten verboten.) Diese Ausnahme wurde gewährt, auch für die gleichen Chöre bei einem Konzert, das am 24. Dezember im Burgtheater stattfand Unter den zehn Sängerknaben, die auf Kosten des Hofes im Konvikt gehalten wurden, war auch der 14jährige Schubert. So hat er zweifellos damals mitgewirkt und ist im Universitätssaale zum ersten Male öffentlich aufgetreten.

Nach dem Verlassen des Konvikts führte Schubert dort (gegenüber der Aula) 1813 und 1814 seine beiden ersten Sinfonien mit dem Schülerorchester auf. Seine verlorene Kantate „Prometheus“ wurde 1816 im Konsistorialsaale der Universität geprobt, bevor sie am 24. Juli im Erdberger Garten des Professors Watteroth von den Hörern der Rechte als Serenade aufgeführt worden ist, unter persönlicher Leitung des nun 19jährigen Komponisten. Jener Saal liegt aber nicht in der Aula, sondern in dem sogenannten Alten Universitätshause („Domus Universi- tatis“) links neben der Jesuitenkirche (heute Sonnenfelsgasse 23), wo bis 1884 der Akademische Senat seinen Sitz hatte.

Am 6. Mai 1827 mittags veranstaltete die Juridische Witwen- und-Waisen-Sozietät im Universitätssaale eine ihrer jährlichen musikalischen Akademien. Dabei wirkte der 15jährige Klaviervirtuose Siegmund Thalberg mit (ein natürlicher Sohn jenes Grafen Dietrichstein). Schubert aber begleitete am Pianoforte selbst sein neues Lied „Im Freien“ (Text von Seidl), das der Subpedell Ludwig Titze sang. Eine Kritik über diese Akademie, im Wiener „Sammler“ erschienen, bemerkte bei allem Lobe, daß „das Lokal für ein Lied, bei dem die feinsten Schattierungen nicht verlorengehen dürfen, zu groß sei; im Zimmer müßte es sich viel besser ausnehmen“.

Schubert ist also im alten Universjtätssaale einmal als Sänger und einmal als Begleiter aufgetreten, was allerdings auch anderwärts nicht oft geschehen ist.

Die letzte „Juridische Akademie“ fand am 20. April 1840 statt, und damit war die mehr als 30jährige Verwendung des Universitätssaales für Wohltätigkeitskonzerte zu Ende.

Im neuen Jahrhundert hat die Akademie der Wissenschaften den Festsaal einige Male bei besonderen Anlässen zur Verfügung gestellt. Zuerst am 27. März 1908 zur Hundertjahrfeier jenes „Schöpfungs“-Tages, die von der Gesellschaft der Musikfreunde mit Franz Schalk und den Philharmonikern veranstaltet worden ist.

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