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Kürzel CV noch immer umfehdet

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Schlägereien um Schläger, Kampf um Gleichberechtigung gestern, Ringen um Profilierung heute: eine Geschichte der farbentragenden katholischen Studenten.

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Schlägereien um Schläger, Kampf um Gleichberechtigung gestern, Ringen um Profilierung heute: eine Geschichte der farbentragenden katholischen Studenten.

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Es muß zugegangen sein wie bei der Intifada: Stockschläge und Steinwürfe, Geschrei und Blut - an der Universität Graz am 4. Juni 1895, wobei Friedrich Funder empfindlich verletzt wurde, oder 1900, 1920, 1925, 1927, 1928 und am 3. Dezember 1932 an der Uni Wien, als einer der Verletzten der spätere Kanzler Josef Klaus war. Studentischer Alltag anno dazumal, als katholische Farbstudenten um Gleichberechtigung auf akademischem Boden fochten - gegen Burschenschaften und Corps, die den Katholischen den Schläger als Zeichen der Gleichberechtigung verwehren wollten, was einiges auch vom heutigen Studentenbrauch erklärt.

Corps und Burschenschaften haben sich aus Orden und Landsmannschaften entwickelt, diese wieder aus den „Nationen“, den nach Herkunft gegliederten Studentengemeinschaften an den Universitäten, die ihrerseits aus Domschulen hervorgingen.

Kirche und Wissenschaft, Kirche und Politik begleiteten von Anbeginn auch die katholischen Farbstudenten, die ihrerseits wieder am Anfang der katholischen Volksbewegung der Vereine und Verbände standen. Der Historiker Gerhard Hartmann hat der Entwicklung des Carteilverbands (CV) ein neues Buch gewidmet, das für CVer wie für Nichtmitglieder aufschlußreich ist.

Keiner kritischen Frage wird ausgewichen, der legitimistischen Neigung bis 1918 ebenso wie dem zeitweisen Spuk deutschnationaler und antisemitischer Ideen ohne Beschönigung nachgespürt, schwachgewordene Nazi-CVer ebenso angeführt wie die (zahlreicheren) Blutzeugen der NS-Zeit. Diese Offenheit macht auch die Schilderung der Konflikte mit Jugendbewegung und Katholi scher Aktion bedenkenswert. Die Zeiten haben sich geändert. Der CV ist keine exklusive Kaderschmiede der ÖVP mehr, Kurt Krenn hat auch die Alternative zum CV auf Uniboden, die Hochschulgemeinden, zumindest in Wien zerstört, und in der ÖVP kann auch ein (so sympathischer) „Schlagender“ wie Gerhart Bruckmann Karriere machen.

Kann Vergangenheit Vergangenheit bleiben? Noch immer tun sich viele schwer damit. Der CV ringt mit neuen Problemen - Protestanten- und Frauenmitgliedschaft. Aber nicht mit Mitgliedersorgen: 11.209 CVer heute, davon 9.130 „Alte Herren“, entsprechen langjähriger Tradition. Das Buch verrät auch viele Namen hinter diesen Zahlen.

DER CV IN ÖSTERREICH

Von Gerhard Hartmann. Styria Verlag, Grazl Wien (Köln 1994 253 Seiten, öS 298,-.

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