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Kuhne Traume

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Oder sollten sich seine kühnen Träume doch verwirklichen lassen? Die Stimmen mehrten sich, die das Eingreifen Europas in die verworrenen Verhältnisse Mexikos forderten, die als Möglichkeit endlicher Befriedung die Errichtung einer konstitutionellen Monarchie nach europäischem Muster sahen. Die zeitübliche „Überlegenheit des weißen Mannes“ wollte dort drüben im Neuspanien Karls V. die Gegensätze zwischen Kreolen und Mestizen, Klerikalen und Liberalen ausgleichen und ausnützen. Das war vor allem die Absicht des französischen Kaiserpaares, das damit auch sehr handfeste wirtschafte- und handelspolitische Interessen verband. Mit psychologischer Sicherheit wußten Napoleon III. und Eugenie den junwürddg, gewandt und gelehrig, aber auch etwas oberflächlich und selbstgefällig: „Schritt ist Tod, Trab ist Leben, Galopp ist Seligkeit“, bekannte er früh. Seine Verbindung mit Charlotte von Koburg, der Tochter des ersten Belgierkönigs, fand in London und Paris, in Wien und Brüssel allgemeinen Beifall. Das stolze junge Paar hielt 1857 in Mailand seinen Einzug, wo es aber die wachsende nationale Opposition des „jungen Italien“ trotz besten Willens nicht zu überwinden vermochte. Dafür erbaute es sich an der blauen Adria sein herrliches „Miramar“ und auf der Insel Lacroma eine womöglich noch feenhaftere Residenz. Doch dies wunderbare Milieu genügte dem jungen Fürstenpaar nicht; vor allem Ferdinand Maximilian konnte es nicht verwinden, der Zweitgeborene zu sein, keine Krone tragen zu dürfen.gen Erzherzog Ferdinand Maximilian und seine Gemahlin für diese imperialen Ideen zu gewinnen, Pius IX. gab dazu seinen Segen, da er in einer solchen Berufung einen besonderen Missionsauftrag sah.

Und Mexiko selbst? Die Abordnung, die in Miramar erschien, um dem Erzherzog „die Krone Monte-zumas“ anzubieten, bestand aus einer Meinen Gruppe klerikal-konservativer Emigranten, von der Maximilian allzu gern annahm, daß sie das ganze „gute Volk Neuspaniens“ repräsentierte. Dies war aber durchaus nicht der Fall: das „Volk“ selbst, sofern es in seiner beispiellosen Armut und Unwissenheit überhaupt politisch interessiert war, stand zum Großteil hinter dem energischen und rücksichtslosen Juarez, der ihm eine „freiheitliche“ Zukunft versprach, die es mit diktatorischen Maßnahmen zu erreichen gelte. Und die übrige Welt? Bei Charlottens Vater, dem alten Leopold I. von Belgien, hielten sich Genugtuung und Besorgnis die Waage, England betrachtete die Frage nur vom Aspekt des amerikanischen Sezessionskriegs aus und Österreich riet ernstlich von dem vagen Kaiserplan ab, doch vermochte Franz Joseph nicht, den Bruder von der Annahme der Krone zurückzuhalten, er betonte aber in aller Nüchternheit, daß Maximilian niemals mit der bewaffneten Hilfe seines Vaterlandes rechnen könne, da es sich gleichzeitig auf den Endkampf um die Vorherrschaft in Deutschland rüsten mußte.

Mit allen guten Wünschen und großen Erwartungen begab sich das junge Kaiserpaar in sein völlig unbekanntes Land; noch an Bord der stolzen „Novara“ wurde eine Kabinettskanzlei errichtet und ein Hofzeremoniell entworfen. Der Empfang in Veracruz war nicht so überwältigend wie man es erwartet hatte, aber der Besuch im Nationalheiligtum von Guadalupe und die Begrüßung in der Hauptstadt gestalteten sich schon erfreulicher. In der Innenpolitik zeigte Maximilian den besten Willen, die Parteiengegensätze durch einen gemäßigten, liberalen Kurs auszugleichen. Das brachte ihn bald in Gegensatz zu den enttäuschten Klerikalen, die unter Führung einer mächtigen Hierarchie die Rückerstattung der von Juarez beschlagnahmten Kirchengüter erwarteten. Und von außen her wurde der Druck der siegreichen Nordstaaten Amerikas immer bedenklicher, die USA sahen in der „Europäisierung Mexikos“ einen Angriff auf die Monroe-Doktrin; die Forderung nach Abzug der französischen „Schutztruppen“ wurde immer dringender und brachte Napoleon III. in eine peinliche Zvyangalage, der er seine mexikanischen Verpflichtungen zu opfern, bald bereit war.

Dabei gab sich Maximilian immer noch kühnen Universalträumen hin, er wollte die mittel- und südamerikanische Welt zwischen Nord und Süd aufteilen: „Unsere wahre Bestimmung besteht darin, das Kaiserreich als Zentralmacht des neuen Kontinents zu sehen, während man die Beherrschung des Nordens den Vereinigten Staaten, jene des Südens dem brasilianischen Kaiserreich überläßt.“

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