6554966-1948_16_11.jpg
Digital In Arbeit

Kulturbilder von Insulinde

Werbung
Werbung
Werbung

Die Umwälzungen im indonesischen Raum sind noch nicht abgeschlossen. Ein Reich von zwei Millionen Quadratkilometer und siebzig Millionen Einwohnern hat im Rahmen des holländischen Imperiums nach langem Ringen nahezu völlige Selbständigkeit gefunden und, wenn nicht alle Anzeichen täuschen, wird es in zehn oder zwanzig Jahren dieser Bindung völlig entwachsen sein. Die ostindische Inselwelt zählt zu den reichsten Landstrichen der Welt. Ungeheure Mengen von Zinn werden auf Bangka und Billiton im Tagbau gewonnen, Petroleum wird auf Tarakan und Borneo gefördert, noch reicher sollen die noch kaum erschlossenen ErdöLgebiete auf Neuguinea sein und auf manchen kleinen Inseln läuft der kostbare Rohstoff noch ungenutzt ins Meer. Für Naturkautschuk ist Sumatra das Hauptproduktionsland. Unerschöpfliche Ernten von1 Reis und Rohrzucker trägt der Boden.

Auf diesen von der Natur so gesegneten Landstrichen wohnt eine solche Vielfalt von Völkern, daß 280 selbständige Sprachen gezählt werden, manche von ihnen mit mehreren selbständigen Dialekten, viele mit eigenen Alphabeten. Diese alle überbrückend sind die Malaien die Führer in diesem Völkergemisch. In dieser kulturell, ethnologisch, linguistisch und religiös so abgestuften Welt stehen die katholischen Missionen in schwerer, aber aussichtsreicher Arbeit. Um die Verhältnisse, in denen sie dort wirken, verständlich zu machen, muß man historisch zurückgreifen. Durch mehr als 800 Jahre, von 400 nach Christi bis 1246, als Dschingiskhan einbrach, bestand ein großmalaiisches Reich, das auch das ganze festländische Hinterindien umfaßte. Seri Vidjaya genannt, griff es weit über das jetzige „Holländisch-Ostindien" hinaus. Seine Hauptstadt war Seri, das heutige Palembang auf Sumatra. Auf ihren Langbooten fuhren die Malaien, echte Seefahrer, bis Hawai und Madagaskar, wo ihre Sprache auch heute noch viel verbreitet ist. An der Küste aller dieser Länder und in der Ebene, soweit die schiffbaren Flüsse reichen, siedeln die Malaien, irfi Inneren die Proto- malaien und Primitivmalaien, Ackerbauer und Jäger. Sie sind deistische Animisten mit mohammedanischem Firnis. Der Islam ist auf ihr Innenleben nie von großem Einfluß gewesen, sosehr er in Indonesien politisch wirksam ist. Sie huldigen, wie es dem Animismus eigen ist, der Kopfjägerei, je nach ihrer Kulturstufe in verschieden hohem Ausmaß und wer sich zu den Stämmen im Inneren begibt, muß mit diesem schrecklichen Aberglauben und seinen Folgen auch allenfalls für sich selbst rechnen. Um ein Haus gegen böse Geister zu festigen, braucht es bei manchen Stämmen vier Menschenköpfe, aber auch Brücken werden Zum Beispiel gegen feindliche Dämonen durch diese furchtbare Zier geschützt. Die „Minangkaban“ etwa gehören formal dem Mohammedanismus an, behielten aber ihr Mutterrecht, das der islamitischen Ideenwelt durchaus zuwiderläuft.

Die erste Einwirkung des Christentums erfolgte im Osten der malaiischen Inselwelt. Als die spanischen Seefahrer diesen Raum erreichten, mieden sie die noch allzu mächtigen Reiche von Java und Sumatra und landeten auf den Philippinen und auf den Molukken, auf Flores, wo sie mit großem Erfolg missionierten. Als die Holländer auf den Plan traten, waren die malaiischen Staaten schon so im Verfall, daß allmählich einer nach dem anderen von ihnen unterworfen werden konnte. Die Holländer verbanden sich zu diesem Zwecke mit den Mohammedanern, eine Zusammenarbeit, die jahrhundertelang anhielt und den Holländern an manchen Stellen auch heute noch gute politische Dienste leistet. Die einheimischen Javaner lebten unter ihren eingeborenen Fürsten. Diesen setzten die Holländer mohammedanische „Fürsten“ entgegen, die sich oft aus eingewanderten Handelsleuten rekrutierten. Auch jetzt noch sind viele solche holländisch geförderte, islamitische Lehensherren an der Herrschaft, zum Beispiel in Djodjakarta und Surakarta auf J a v a. Auf diesem Wege wurde jüngst auch Ostiindonesien, das nie ein selbständiger Teil Hollandisch-Ostiądiens gewesen war, von den beiden Hauptinseln Java und Sumatra abgetrennt und von ihnen unabhängig gemacht, indem dort mit Hilfe solcher islamitischer Lehensherrscher ein neuer Staat mit eigenem Parlament eingerichtet wurde. Vor allem ist hier das Sultanat von Pontianac auf Borneo zu nennen, dessen mohammedanische Herrscher die einheimischen Reiche der Dajaks im Zaume halten. Diese Taktik des „Divide et impera“ setzen die Holländer nun auch auf Java selbst fort, wie aus jüngst erhobenen indonesischen Beschwerden beim Sicherheitsrat der UNO hervorgeht. Auch die Religionsstatistik ergibt durch diese islamitischen Zwischenherrschaften ein ganz falsches Bild Die malaiische Bevölkerung gibt sich wohl bei gewissen festlichen Gelegenheiten. im Sinne ihrer Herrscher so, als ob sie mohammedanisch wäre, und dies genügt, um sie als Anhänger des Islams zu deklarieren. In Wirklichkeit aber ist sie nach wie Vor animistisch, bringt ihre herkömmlichen Opfer und huldigt ihren alten religiösen Bräuchen. Die mohammedanischen Händler kamen sehr oft dadurch zu Macht und Reichtum, daß die Holländer sie zur Eintreibung der den Distrikten auferlegten Steuersummen heranzogen. Die Händler legten nun den malaiischen Landleuten die Steuerbeträge vor und brachten durch Wucher und Preisdruck die Gelder mit ungeheurem Gewinn herein. Oftmals erhoben sich die Unterdrückten — noch zu Ende der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts — gegen dieses System. Jetzt gibt es auf Java und Sumatra Arbeiter- schutzgesetze und Mindestlöhne, die aber nur ifi den zugänglichen Gegenden eingehalten werden. Die Löhne sind erschreckend niedrig — für den Tagesverdienst kann sich der einheimische Arbeiter ntir einige Maiskolben kaufen. Damit in krassem Gegensatz stehen die Reich- tümer nicht nur der islamitischen Händler, sondern auch der holländischen Plantagenbesitzer und die hohen Gehälter, die deren Angestellte beziehen. Zählt doch, vornehm lich aus ostindischen Quellen, das kleine Holland mehr als zweihundert Guldenmillionäre.

Die katholischen Missionen — aber auch lange die protestantischen — waren bei den Holländern niemals gefördert, die längste Zeit nach Möglichkeit behindert, die Katholiken in früher Zeit aufs schärfste verfolgt. Allzuspät — erst vor kurzem — erkannte der Gouverneur von Makassar an, daß, wo die katholischen Missionen eine Schule haben, sich ein solcher Wandel der Gesinnung vollziehe, daß er dort ein Regiment Soldaten ersparen könne. Jeder katholische Missionär bedarf zu seinem Wirken in Indonesien einer eigenen königlichen Zulassung, „Radikale“ genannt, die nur von Holland selbst aus erteilt wird und von der Königin persönlich unterfertigt sein muß. Aber auch an Ort und Stelle darf der Missionär nur dorthin gehen, wohin ihm die Regierung zu gehen gestattet und dies geschieht erst nach vorhergehender Anfrage.

Das malaiische Volk ist dem katholischen Christentum aufgeschlossen, dessen Liturgie und ' Muttergottesverehrung es ansprechen. Rasch hatte sich daher der katholische Glauben sdion zur Zeit der spanischen Besetzung der Ostmolukken ausgebreitet; auf dem Solorarchipel gab es damals ein blühendes Bistum mit 32.000 Christen. Die Holländer brachten, als sie Indonesien eroberten, mit ihrer Hotte kriegerische Mohammedaner nach Solor, die den Katholizismus mit schweren Verfolgungen auszurotten vermeinten. Aber so groß war? die Glaubenstreue der Bekehrten gewesen, daß sie ohne Priester in ihren verborgenen Höhlen Gottesdienst hielten, ihre Kinder tauften und ihnen die Glaubenslehre Weitergaben. Am Karfreitag zogen säe in ihren Bergen von Station zu Station des Kreuzweges — das Leiden Christi hatte sich unauslöschlich ihren Seelen eingeprägt. 1805, als die napoleonische Gesetzgebung im eroberten Holland die Gleichberechtigung der Religionen, also auch des Katholizismus, verkündete und erstmals wieder katholische Priester nach Ostindien kamen, fanden sie so einen Grundstock bewährter Christen vor. Die hochstehenden Sittlichkeitsbegriffe der Malaien, besonders auf sexuellem Gebiet, erleichtern die Ausbreitung der christlichen Lehre.

Die Japaner vernichteten im letzten Kriege die Missionen, wo ihnen dies mög lich war, mit den rücksichtslosesten Mitteln, sie förderten die nationale Bewegung. Diese selbst, die nun in Indonesien im Durchbruche begriffen ist, ist der Gedankenwelt des Christentums keineswegs abhold. Man darf nicht vergessen, daß die Javaner eine uralte Literatur, Kultur und Baukunst besitzen. Sie haben einheimische Hochschulen, viele Javaner haben in Europa und Amerika studiert. Diese Oberschicht spricht offen aus, der Westen sei nur durch das Christentum zu der Höhe gelangt, die er erreicht hat, und sie halten es für ihr Volk für vorteilhaft, die christliche Religion in Indonesien zuzulassen. Denn Java, das einst so hochgestanden war, sei nur durch den Mangel an einer großen Idee in den Schatten getreten. Bei den Kämpfen der letzten Jahre machten die Indonesier großen Unterschied zwischen jenen christlichen Geistlichen, die sich proholländisch und jenen, die sich neutral verhalten hatten. Letztere ließen sie auch während der heftigsten Kämpfe in Frieden. Der indonesischen — einheimischen — Regierung gehört als Unterrichtsminister der frühere Chefredakteur Kasoemo der größten christlichen javanischen „Soera Katolik“ an. Auch eine Javanerin christlichen Bekenntnisses hat eine hohe Stelle in der staatlichen Verwaltung inne. Indonesien zählt heute über eine halbe Million Katholiken, besitzt katholische Gymnasien und Seminare, ein einheimischer Klerus ist in Heranbildung

— schon hat ein Indonesier die Bischofsweihe empfangen. Nach Leid, Kampf und Verfolgung fällt nun die Saat des Glaubens auf guten Boden und sie scheint reiche Frucht tragen zu wollen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung