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Lebensader Nil

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Daß die wirtschaftlichen Relchtüraer des Sudans bei den ägyptischen Ansprüchen eine nicht geringe Rolle spielen, wird man nicht bezweifeln, hofft doch Kairo, seine mißlichen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse durch Eingliederung des ökonomisch starken Gebietes südlich seiner Grenze zu sanieren, Diese rein wirtschaftliche Verlockung ist aber nicht der alleinige Grund für die ägyptische Haltung. Ebenso entscheidend ist für Ägypten das geradezu lebenswichtige Problem der Bewässerung seines eigenen Bodens. Der Schlüssel zu dieser Bewässerung liegt im Sudan. Das Ansteigen des Grundwasserspiegels in Unterägypten führte zur Versalzung der oberen Bodenschichten und bedroht Jahr für Jahr die Ernten in gefährlicher Weise, Diese für die ägyptische Landwirtschaft ruinösen Salze können nur durch die dauernde Uberwässerung des Bodens in die Tiefe geschwemmt werden. Die Reservoirs der hiezu notwendigen Wasser wiederum liegen, im Weißen und Blauen NU, auf sudanesischem Gebiet. Das unter der englischen Verwaltung entstandene System von Stauwehren und Verteilungsanlagen gehört zum Besten, was je auf diesem Gebiet geschaffen wurde, und ihm ist vor allem die noch immer in Erweiterung begriffene Entwicklung der sudanesischen Bodenbewirtschaftung zu verdanken. Die im Sudan mit gewaltigen Mitteln angestrebte Nutzbarmachung der gesamten Wasser des Weißen und Blauen Nils und der im „Sudd“, einem riesigen Sumpfgebiet am Oberlauf des Weißen Nils, noch immer verdunstenden unvorstellbaren Wassermengen würden, nach Fertigstellung eines gigantischen Kanalnetzes, ausreichen, gegen drei Millionen Hektar sudanesischen Bodens zu bewässern und riesige neue Anbauprojekte zu verwirklichen. Jedes weitere Fortschreiten der sudanesischen Anbaupläne aber bedroht die ägyptische Wasserversorgung und könnte eines Tages das Versiegen der heute schon in ungenügendem Maße zufließenden lebenswichtigen Wasser aus dem Sudan zur Folge haben. Wasser, mangelndes Wasser könnte den ägyptischen Lebensnerv in katastrophaler Weise gefährden.

Es geht also ln der sudanesischen Frage in erster Linie um Wasser, Baumwolle, Leim, Vieh und Hirse. Dabei liegt der Schwerpunkt beim Wasser, von dem die sudanesische Baumwolle und die gesamte wirtschaftliche Weiterentwicklung ebensosehr abhängt wie die ägyptische Landwirtschaft und im weiteren Sinne die ägyptische Existenzgrundlage. Nicht zu Unrecht fürchten daher die Sudanesen, daß ihre wirtschaftliche Blüte zum Verwelken käme, wenn Ägypten in irgendeiner Form Einfluß auf die sudanesische Verwaltung gewinnen würde, Es kann deshalb nicht verwundern, daß die Völker des Sudans in ihrfr großen Mehrheit den ägyptischen Forderungen feindlich begeonen und ihr Heil auch weiterhin in der bisher fruchtbaren Zusammenarbeit mit den Briten sehen. Immer zahlreicher und lauter werden die Stimmen, die den Chef der ägyptischen Ashigga- Partei, Sayed Sir Ali Mirghani, und seine Paladine als .Quislinge“ bezeichnen. Die Versicherungen, daß auch die Ashigga- Partei die Unabhängigkeit des Sudans, allerdings in engem Zusammengehen mit dem nördlichen Nachbarn, anstrebe, finden wenig Glauben und stoßen immer mehr auf offene Ablehnung. Die in den letzten Monaten auffällig zutage getretene Freundschaft Ali Mirghanis mit dem Großmufti von Jerusalem, der auch bei der innenpolitischen Auseinandersetzung im Sudan seine Hände mit im Spiel hat, läßt die Ashiggaleute in den Augen der breiten Massen verdächtig erscheinen und ist wohl auch der Grund, daß viele ihrer Anhänger in die Reihen der Omma-Partei hinüberschwenken und dem von breiten Kreisen hochverehrten Mahdi Gefolgschaft leisten. Die innen politische Auseinandersetzung ist in vollem Gange, und es ist auch für den fremden Beobachter nicht unerwartet, daß sie durch das Aufeinanderprallen der beiden Religionsführer Sayed Sir Ali Mirghani Pascha (Chef der Ashigga-Par- tei) und Sayed Sir Abdel Rahman El Mahdi Pascha (Oberhaupt der Omma- Partei) einen religiösen Inhalt bekommen hat. Ohne Zweifel werden bei den zukünftigen Auseinandersetzungen rein gefühlsmäßige und religiöse Beweggründe eine Rolle spielen; aber die grundsätzliche Stellungnahme der Sudanesen gegenüber den Forderungen Ägyptens wird auch dadurch keine Änderung erfahren: sie ist eindeutig ablehnend, und nichts wird die Stimmung im Sudan zugunsten der ägyptischen Angliederungswünsche beeinflussen können.

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