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Magnaten, Diplomaten, Mäzene: die Esterhazy

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Der Hofkapellmeister Joseph Haydn hat am Fürstenhof der Esterhazy in Eisenstadt im Rang eines gehobenen Kammerdieners seine Dienste begonnen. Heute ist er vermutlich weltweit bekannter als die gesamte Fürsten-Dynastie. Auch sein Vorgänger Gregor Joseph Werner und sein Nachfolger Johann Nepo-muk Hummel haben geachtete Plätze in der Kulturgeschichte. Und selbst Zoltan Kodälys „Tänze aus Galänta” sind heute vielleicht mehr Leuten geläufig als der vollständige Name des Fürstengeschlechts: Esterhazy von Galanta.

Das war der Stammsitz der Esterhazy in der Nähe von Preßburg, der heutigen Hauptstadt der Slowakei, im Gebiet der Schüttinsel in der Donau. Dort waren sie angeblich schon 955 mit dem Grenzschutz betraut. Sie gehörten zum „Landnahme-Adel”, der sich zurückverfolgen läßt bis zur Ankunft der Ungarn in Europa. Heute, nach dem Verlöschen der Dynastie, leben sie vor allem durch ihr Mäzenatentum das sich nicht nur in der Förderung des musikalischen Schaffens erschöpft, sondern ebenso prunkvolle Schlösser und reiche Kunstsammlungen umfaßt. Die Ausstellung in Eisenstadt, ihrer Residenz durch drei Jahrhunderte, macht das in diesem Sommer sinnfällig.

Solch eine umfassende Familienschau samt Katalog, der eher einer Familienchronik ähnelt, wäre vermutlich zu Lebzeiten des letzten Fürsten, Paul V., nicht möglich gewesen. Das hängt mit dem besonderen Verhältnis der Magnaten-Dynastie zu Österreich zusammen.

Nachdem Ungarn seit 1526 von Wien aus regiert wurde, vertraten einige Adels-Residenzen die königliche Hofhaltung im Lande.

Mit der schrittweisen Befreiung von türkischer Besetzung kam es im 17. und 18. Jahrhundert zu Adelserhebungen, die nach einer Selbständigkeit Ungarns trachteten. Die Esterhazy blieben dem König in Wien, der zugleich der deutsche Kaiser war ^unbeirrt treu. Ebenso übrigens der katholischen Religion, die sie nur in der Reformationszeit kurz verlassen hatten.

Ein Hausrecht mit dem umständlichen Namen „Primogenitur-Fideikommiß” verhinderte jede Erbteilung, der Besitz wuchs und wuchs. Allzu sorgloser Aufwand führte allerdings im 19. Jahrhundert dazu, daß er

jahrzehntelang unter Zwangsverwaltung stand.

Schlimmere Folgen hatte die Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg: Die Republik Österreich bekam 1921 den deutsch besiedelten Teil Westungarns und damit 60.000 von 187.000 Hektar Esterhäzy-Besitz. Der junge Fürst Paul V. hatte alles getan, um dies zu verhindern. Er verzichtete auf die österreichische Staatsbürgerschaft und optierte für Ungarn, das ja

bis 1944 noch ein Königreich - ohne König - blieb. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sein ungarischer Besitz von den Kommunisten enteignet, er landete im Gefängnis. Erst der Aufstand von 1956 befreite ihn. Er besann sich auf seine österreichischen Besitztümer, die ja kurz vorher von der Sowjetbesatzung geräumt worden waren. Diese Güter ließ er von der Schweiz aus in altem Magnatengeist verwalten, Zugeständnisse an aktuelle Bedürfnisse des Landes waren ihm nur mühsam abzuringen. Immerhin gab er nach und nach 9.000 Hektar Bauernland auf, ebenso das Patronat über 78 katholische Kirchengemeinden. 1989 starb er ohne Erben.

Seine Witwe, von kleinadeliger Herkunft und mit modernem Menschenverstand begabt, ließ nun über vieles mit sich reden. Auch über eine Landesausstellung mit Hilfe von Stadt, Bundesland und Republik Österreich. Sie öffnete so manche Schatzkammer, die bisher nur Auserwählte kannten. Und manchmal auch diese nicht, weil sie verstaubt und vergessen waren.

Der große Saal des Eisenstädter Schlosses, in dem einst Haydn musizierte, bleibt den Konzerten vorbehalten, die in diesem Sommer besonders reichhaltig angeboten werden. Die 23 Schauräume sind klein, die Ausstellungsarchitektur drängt sich etwas zu sehr in den Vordergrund. Die Gliederung der Schau ist weitgehend nach dynastischen Gesichtspunkten erfolgt.

Die wichtigsten Träger des Namens werden mit ihren Leistungen präsentiert. Da gab es kaiserliche Gesandte in Neapel, Holland, Frankreich, England. Von dort aus erfolgte auch jener große Jagdausflug nach Indien, bei dem ein liger erlegt wurde, dessen Fell (jetzt in Eisenstadt zu sehen) in die kaiserlichen Sammlungen in Wien geriet und angeblich Kaiserin Elisabeth als Bettvorleger gedient haben soll.

Gemälde, heimisches und exotisches Porzellan, kostbarste Goldschmiede-Arbeiten sind zu sehen. Am Ende stößt man auf zwei Galawagen Nikolaus' des Prachtliebenden, Haydns Dienstherr, der nach ruhmreicher Teilnahme am Siebenjährigen Krieg Kapitän der Ungarischen Leibgarde in Wien und 1764 Krönungsbotschafter Kaiser Josephs II. in Frankfurt war. Er hatte dort ein Fest zu arrangieren, an das sich auch

Goethe in „Dichtung und Wahrheit” erinnerte. Hier wurde der Begriff vom „Esterhäzy'schen Feenreich” geprägt, der dann besonders für das „ungarische Versailles” paßte, das am Ostufer des Neusiedler Sees entstand. Hier im Schloß Esterhazy, an dem die besten Künstler ihrer Zeit gewirkt hatten, erreichte anläßlich eines Besuchs der Kaiserin und Königin Maria Theresia Anno 1773 die Prachtentfaltung mit Schauspiel, Puppenspiel, Oper und Feuerwerk einen Höhepunkt. (Bis 31. Oktober 1995 geöffnet)

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