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Menschenarbeit im Reiche Gottes

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Der Innsbrucker Oberhirte, Bischof Doktor Paulus Rusch, durfte heuer am 26. Juli den 25. Jahrestag seiner Priesterweihe begehen, und am 30. November jährt sich zum zwanzigstenmal der Tag seiner Bischofskonsekration, die sein Amtsvorgänger, Fürsterzbischof Dr. Sigismund W a i t z, in der Propsteikirche zu Innsbruck unter großer Anteilnahme des Klerus und der Bevölkerung, besonders der Jugend, vornahm.

Ungewöhnlich rasch war der Aufstieg des jungen Priesters, der nur zwei Jahre als Hilfspriester in Lech am Arlberg und in Hohenems tätig war und dann als Regens an das Priesterseminar in Innsbruck berufen wurde. Schon drei Jahre später erfolgte am 15. Oktober 1938 seine Ernennung zum Titularbischof von Lykopolis und zum Apostolischen Administrator für die Administra-tur Innsbruck-Feldkirch mit dem Sitz in Innsbruck.

Der Weihetag am Feste des heiligen Apostels und Märtyrers Andreas war wie ein düsteres Omen für viel Schweres, das dem jüngsten Nachfolger der Apostel in Oesterreich in den ersten Bischofsjahren bevorstand. Die nationalsozialistischen Unterdrücker im Lande begannen bereits am Weihetag mit Härte und Rücksichtslosigkeit das Wirken des Innsbrucker Bischofs auf jede nur mögliche Weise zu schädigen. Das damals im bereits aufgehobenen Canisianum untergebrachte Priesterseminar mußte mit seinem Regens den bisher bewohnten Flügel des Hauses räumen, sich in einem anderen Teil des Hauses auf weniger Raum beschränken und vier Monate später das Canisianum endgültig verlassen. Dieselbe Vertreibung wiederholte sich noch zweimal, nachdem das Seminar mühsam, mit viel Zeitverlust und großen Unkosten für ein Semester im Kloster der Serviten in Volders und ein Semester später in der Pension Kraft in Matrei am Brenner eingerichtet worden war. Zudem waren die meisten Theologen zum Militärdienst eingezogen worden.

Weil der neue Bischof von der Gauleitung nicht anerkannt war, war seine Arbeit nach außen noch mehr behindert und erschwert. Aber gerade deshalb war es ihm möglich, seine ganze Kraft getreu dem Wahlspruch „Christo Regi vita nostra“ auf den inneren Ausbau des Gottesreiches in den Herzen der anvertrauten Seelen zu verwenden. In dieser Hinsicht ist in den Jahren der Bedrängnis von 193 8 bis 1945 auch sehr viel geschehen. Bischof Rusch war mit seiner Priesterschaft und mit den vielen mutigen Helfern aus Laienkreisen ein Herz und eine Seele, und die Gestapo, die sich nicht gescheut hatte, mehr als einmal Priester mit Geld und anderen verlockenden Angeboten als Verräter zu gewinnen, mußte sehr bald die Aussichtslosigkeit ihres Beginnens einsehen. Sie sah sich im Kampf gegen die Kirche in Tirol einer vom Bischof geschickt geführten, geschlossenen Front gegenüber, die es nirgends und nie zu durchbrechen gelang. Die Opferfeier mit Opfermahl wurde kaum einmal so als Zentrum christlicher Lebensgestaltung und als Quelle der Kraft von der gläubigen Gemeinschaft erfaßt und praktiziert wie in diesen Jahren der Verfolgung.

Was an äußerer Aktivität von 1939 bis 1945 nicht geschehen konnte, wurde nachher gründlich nachgeholt, und es machte manchmal besonders bei den schon älteren Priestern etwas Mühe, mit dem nimmermüden Eifer des jungen Bischofs überall gleichen Schritt zu halten.

Nach Kriegsende war die dringendste Sorge die Ueberwindung der großen materiellen Not. Die Errichtung einer eigenen Caritaszentrale in Innsbruck und in Feldkirch mit einem dafür freigestellten Priester und vielen Helfern ließ eine rege karitative Tätigkeit entfalten wie nie zuvor. Reiche Spenden von Hilfsmitteln aus dem Ausland, besonders aus der Schweiz und aus Amerika, versetzten die bischöfliche Caritas in die Lage, in großzügiger Weise die ärgste Not an Nahrungsmitteln und Kleidern zu bannen.

Zur Behebung der Wohnungsnot wurde im Heiligen Jahr 1950 mit der Heiligjahrsiedlung mehr als 40 kinderreichen, weniger bemittelten Familien, die bis dahin menschenunwürdig wohnen mußten, der Erwerb eines Eigenheimes ermöglicht. Die damit begonnene Siedlungsaktion wurde in vielen Pfarreien mit dem Verkauf von Baugrund zu günstigen Preisen und durch die Errichtung einer Siedlungsgesellschaft fortgesetzt.

Um auch den Klerus mit all dem vertraut zu machen, was die Seelsorge bei den geänderten Zeitverhältnissen erfordert, wurden Priesterbildungskurse eingerichtet, abwechselnd für die Pfarrer und für die jüngeren Hilfspriester, mit Unterricht und Vorträgen durch mehrere Wochen während der Ferienzeit. Mit dem neuen Priesterseminar in Hötting wurde eine würdige Ausbildungsstätte für die angehenden Priester geschaffen. Das Haus ist gegenwärtig mit 101 Theologen voll besetzt. Durch die Teilung der zu großen Pfarreien in Innsbruck, Bregenz und in einigen anderen größeren Orten sind neue Pfarreien und Seelsorgestellen erstanden, was sich für die Seelsorge als sehr wertvoll erwiesen hat. Für die religiöse Betreuung außerhalb des Gotteshauses sind viele neue Pfarrheime, dazu Jugend- und Lehrlingsheime, gebaut worden und weitere im Entstehen begriffen. Bald werden auch die Arbeiten für das vom Bischof angeregte Knabenkonvikt „Maria-num“ in Bregenz beginnen.

Ein großes Anliegen sind Bischof Paulus die sozialen Probleme, für deren Lösung er sich in Wort und Schrift, mit Vorträgen und Aussprachen in Arbeitskreisen, mit Arbeitern und Unternehmern all die Jahre her eingesetzt hat, um im Geiste der Soziallehre der Kirche zur Lösung der noch offenen Fragen beizutragen.

Mit den einfachsten Kreisen der Bevölkerung teilt er in großer Anspruchslosigkeit seine ganze Lebenshaltung. Er wohnt seit 20 Jahren im obersten Stock eines äußerst bescheidenen Bene-fiziatenhauses, in dem es weder Wartezimmer noch Empfangszimmer noch sonst Räume gibt, wie sie an Bischofssitzen üblich sind. Hier wäre für manche Berufene eine schöne Gelegenheit, für das so vielfältige, segensreiche Wirken ihres Bischofs ein siebtbares Zeichen der Dankbarkeit schaffen zu helfen.

An der Formung nicht bloß der Priesterschaft, sondern auch der Gläubigen aller Stände nimmt Bischof Paulus durch die Veranstaltung von Exerzitienkursen, Einkehr- und Schulungstagen laufend immer wieder Anteil. In seinen Predigten, von denen jede ein Beispiel dafür ist, wie eine zeitnahe Predigt aussehen soll, weiß er zu allen wichtigen Fragen stets überzeugend Stellung zu nehmen und, wo es nottut, auch auf die Mißstände und Gefährdungen, denen das Christsein heute, im modernen Leben des wiedererlangten Wohlstandes, ausgesetzt ist, mit Freimut hinzuweisen, ganz im Geiste seines heiligen Patrones und Vorbildes, des Völkerapostels Paulus, der einst seinem Mitarbeiter Timotheus auch eindringlich nahegelegt hat: „Ich beschwöre dich vor Gott und Jesus Christus .. . verkünde das Wort, tritt auf, sei es gelegen oder ungelegen. Rüge, mahne, weise zurecht in aller Geduld und Lehrweisheit ... sei wachsam, ertrage alle Mühsal, vollbringe das Werk eines Künders des Evangeliums, tue deinen Dienst voll und ganz, sei nüchtern!“ (2 Tim. 4, 1-5).

Seinen Urlaub verbringt der Bischof seit vielen Jahren ganz bescheiden, bei Verzicht auf Reisen, an einem stillen Plätzchen im Oberinntal, wo er neben erholsamen Wanderungen sich Zeit nimmt zu Lektüre, Studium und zur Vorbereitung des neuen Seelsorgeprogrammes, das dann im Herbst in zweitägiger Konferenz mit den Dekanen beraten und zur Weitergabe an die Seelsorger klar und übersichtlich zusammengefaßt wird.

Wenn es aber gilt, dem großen Anliegen des Weltfriedens in der „Pax-Christi-Bewegung“ zu dienen, für die Bischof Paulus Referent in der österreichischen Bischofskonferenz und der Stellvertreter des Präsidenten Maurice Kardinal Feitin von Paris ist, macht er auch große Auslandsreisen nach Deutschland, Frankreich, Belgien und Spanien, um auf internationalen Tagungen zu diesen Menschheitsanliegen eindrucksvoll und zu Herzen gehend zu sprechen. lieber Anregung von Bischof Paulus als Referent in der Bischofskonferenz für Auslandsseelsorge konnte in London das längst dringend notwendige katholische Mädchenheim (Austrian Girl Centre) für die Oesterreicherinnen geschaffen werden, das von den Schwestern der Frohbotschaft, einer Gründung des verstorbenen Msgr. Dr. Fasching, gut geführt und von einem eigens dafür freigestellten Priester aus Vorarlberg seelsorglich betreut wird. Ein ähnliches Heim entsteht nun auch in Zürich.

Widerstände und Schwierigkeiten haben Bischof Paulus nie entmutigt, im Bewußtsein, daß es ohne gesunden Optimismus kein apostolisches Wirken gibt, und noch mehr vom Glauben beseelt, daß alle Arbeit im Reiche Gottes nie Menschenwerk allein bleibt, weil dazu stets der Herr Seinen Segen gibt.

In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Gläubigen, besonders die Jugend, um ihren Bischof geschart, der „glühend im Geiste“, wie einst St. Paulus, das Banner Christi vorangetragen und zur Gefolgschaft aufgerufen hat. Von den jungen Menschen unserer Tage aber werden viele schon bald an der Gestaltung unserer Zeit Anteil nehmen. Sie werden es im Geiste Christi tun können und so mithelfen, daß das der Hirtensorge des Bischofs unterstellte Kirchengebiet immer mehr Reich Gottes werde. Wenn dann einmal Gott der Herr Seinem Diener im Bischofsamt den Hirtenstab aus der Hand nehmen wird, soll er, zu Gott dem Vater gewendet, sagen dürfen, wie einst Christus der Herr:

„Ich habe das Werk vollendet, das du mir aufgetragen hast“ (Jo. 17, 4).

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