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Monastisdies Leben in Österreich an der Wende?

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Bald nach Ende des zweiten Weltkrieges zeigten sich in einzelnen österreichischen Klöstern, die von den Orden der Benediktiner, Zisterzienser, Augustinerchorherrn und Prämonstratenser besiedelt sind und auf der stabilitas loci basieren, Anfänge eines historischen Vorganges, der seinem Wesen nach darauf hinzielt, einen Großteil jener Formen, die das Klosterlebcn der Barockzeit und Josephinismus schufen, zu beseitigen und wieder monastisdies Leben im strengen Sinn des Wortes einzuführen. Dieser Prozeß, der vorerst einige Klöster Österreichs ergriff, wie das Schottenstift in Wien oder das Kloster Heiligenkreuz bei Baden oder das Stift Klosterneuburg, scheint langsam, aber sicher auf die übrigen Stifte Österreichs überzugreifen und damit ine neue bedeutend Epoche zu gestalten. Die Klöster im ursprünglichen Sinn des Wortes gehen in Österreich auf zwei Gründungsepochen zurück, einmal auf das 8. Jahrhundert und dann auf die Zeit von 1000 bis 1200, in ¿rt Stiftungen von Landesherren, Bischöfen und reichen Adeligen gemacht wurden. Ihre Existenz wurde im Verlauf der Geschichte mehrmals schwer gefährdet, wie durch den Magyarensturm des 10. Jahrhunderts, durch die Reformation, den Josephinismus, und sie waren nahe daran, durch den Nationalsozialismus fast ganz ausgelöscht zu werden,

Der Bestand dieser Klöster war für Österreich durch die Jahrhunderte von eminenter Bedeutung. Hatten sie in ihrer Gründungszeit die besondere Aufgabe, die christlidie Kultur zu vermitteln, im frühen und hohen Mittelalter, die Vertiefung des Glaubens zu bewirken, so war ihnen in der Reformation und während der Türkenkriege ein Großteil der Last des Abwehrkampfes auferlegt. Zur Zeit des Josephinismus galt es hinwieder die Mittel bereitzustellen, um jenes ausgebaute Pfarrsystem zu schaffen, das bis heute noch die Basis der kirchlichen Organisation bildet.

Zwei Faktoren ermöglichten in der Reformationszeit vor allem eine Wiedergewinnung Österreichs für den alten Glauben, nachdem es fast überwiegend protestantisch zu werden schien, das Festhalten der Habsburger am katholischen Glauben und der Fortbestand der Klöster. Während in allen Ländern, in denen die Reformation zum Siege gelangte, die kirchlichen Stiftungen säkularisiert wurden, blieben sie in Österreich bestehen. Sie gehörten nämlich zum „Kammergut" des Landesherrn, deren unbeugsame Haltung sie vor dem Untergang sicherte. Während die protestantischen Magistrate und Adeligen die katholischen Pfarrer von ihren Patronats-furchen vertrieben und protestantische Prädikanten einsetzten, blieben die zahlreichen Pfarreien, die von ihrer Gründung an ru Klöstern gehörten, dem katholischen Glauben erhalten, nur wurden sie an Stell der sich immer mehr verlierenden" Weltpriester durch die Ordensangehörigen selbst verwaltet. Das bedeutete nun, daß das katholische leben in Österreich keine Unterbrechung erlitt, die religiöse Tradition fortgesetzt wurde und die Verkündung der Glaubenswahrheiten nicht verstummte. Den Klöstern aber war damit die gewaltige Last auferlegt, auch für die Seelsorge der Pfarren aufzukommen. In der gleichen Zeit mußten die Klöster auch im politischen Leben eine neue Verantwortung übernehmen. In den Landtagen aßen die Vorsteher der Klöster auf der sogenannten Prälatenbank, wodurch der Landesherr einen sicheren politischen Verbündeten gewonnen hatte, der ihm eine wirksame materielle Hilfe zu leisten imstande war. Während in der Not der Türkenkriege die protestantischen Adeligen ihre Hilfe immer wieder von Zugeständnissen des Landesherrn abhängig machten, opferten die Prälaten jedoch ohne Zögern wertvolle Kunstwerke und Bestände aus den Klöstern, um der gemeinsamen Sache willen. So wird es begreiflich, daß der Sieg 3es katholischen Landesherm über den Feind auch als ein Sieg der Klöster empfunden wurde und die Barockzeit, dieser rauschend ¿Triumph des Siegers, in diesen Kreisen einen besonderen Widerhall fand. Sie hintejließ tiefe Spuren im Antlitz der Konvente, angefangen von den klösterlichen Bauten bis zu den Lebensformen der früheren Mönche. Die Barockzeit war ein im guten Sinne feudale Zeit, sie machte aus ihren Menschen Grandseigneur von einmaligem Format. Diese Feudalisierung bedeutete kein Herabsinken im sittlichen oder religiösen Bereidi. Im Gegenteil, diese barocken Klostervorsteher und Mitglieder der Konvente waren nicht nur Menschen von hoher Kultur, sondern auch Christen von intensivster Glut und Priester von hingebender Leidenschaft.

Dies Wandlung des inneren Lebensstiles brachte aber auch eine Nivellierung der Unterschiede zwischen den einzelnen Orden mit sich, die schon rein äußerlich erkennbar wird. Die barocken Prachtbauten, die nun an Stelle der romanischen und gotischen Baulichkeiten traten, nahmen auf den besonderen Charakter des Konvents keine Rücksicht mehr. Ein Benediktinerstift unterschied sich nicht mehr von einem Chorherrnstift. Ebenso schwanden grundsätzliche Unterschiede zwischen den einzelnen Orden. Ob Benediktiner oder Augustinerchorherr, ob Prämonstratenser oder, Zisterzienser, sie waren zu Stiftsherren und Kapitularen geworden. Diese Nivellierung ergriff natürlich auch die Vorstände der Konvente. Seit der Zeit, da si von der Prälatenbank aus für die Sache des katholischen Landesherrn auf den Landtagen gekämpft hatten, war der Titel „Prälat" ihr besonderes Charakteristikum geworden und erhielt endgültig den Vorrang vor dem Titel „Abt" oder „Propst“. Im inneren Leben der einzelnen Klöster vollzog sich die Zurückdrängung der Laienbrüderinstitution, die vielfach sogar völlig aufgeilassen wurde, da infolge der Feudalisierung ihre sinngemäße Aufgabe erlosch. V’.’ti

Eine noch weitergehende Umwandlung der Klöster bewirkte aber der Josephinismus. Es wurden damals nicht nur die beschaulichen Klöster aufgehoben, sondern auch sogenannte „aktive" Orden ihrer ursprünglichen Aufgabe entkleidet. Sie konnten ihre Existenz nur dadurch retten, daß sie im Sinne der damaligen Zeit ean sogenanntes „nützliches Leben“ führten, das heißt sich der Schule, der Krankenpflege oder der pfarrlichen Seelsorge widmeten. Damit begann die praktische Auflösung der Konvente. Waren in der Zeit der Reformation und Gegenreformation die Mitglieder der Stifte aus einer religiösen Notlage auf die verwaisten Pfarren gegangen, so wurde diese Notlösung nun zum Prinzip erhoben, die noch bestehende sichtbare Gemeinschaft löste sich dadurch auf. Die Klöster wurden zu Verwaltungszentren, in denen der Abt mit einigen Stiftsherrn, welche die Administration besorgten, verblieb und sich sonst nur noch das Noviziat und das Altersheim befand. Dem Opus Dei der Liturgien, dem nichts vorgezogen werden sollte, waren die Liturgen, die in Gemeinschaft Feiernden, genommen; das Armutsgelübde verlor seine praktische Bedeutung, denn der Mönch auf der Pfarje mußte sich seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten und das Gehorsamsgelübde hatte nur mehr symbolischen Sinn, der Mönch als Pfarrer war ja vorerst dem Bischof zum Gehorsam verpflichtet. Hunderte von Mön chen lebten seither ihr ganzes, oft langes Kiosterleben nur wenige Jahre wirklich im Kloster, oft nur während des Noviziates, denn schon zum Theologiestudium waren sie außer.Haus und kamen nach dem Abschluß ihrer Ausbildung sofort auf die Pfarreien. So vollzog der Josephinismus die stärkste Umformung des klösterlichen Lebens, die überhaupt denkbar ist.

Heute setzt ein gegenteiliger Prozeß ein, der dahin geht, die Pfarreien langsam abzustoßen and die Mitglieder des Konvents ausschließlich im Kloster zu versammeln. Wer heute die Berufung für die klösterliche Gemeinschaft erkennt, will eben als Mönch oder Chorherr leben, mit all den ursprünglichen Folgerungen, die sich aus ihrer Eigenart ergeben and zu dem starken Leben der Gemeinschaft und der Durchführung des Opus Dei, der Liturgie, führen. Es geht ihm nicht darum, in irgendein Kloster nzutreten, sondern er will ein bestimmtes geistlich höheres Ideal verwirklichen, das nur dieser oder jener Orden darstellt. So wird auch di Gleichförmigkeit, die in der Barockzeit einsetzte, allmählich ein Ende finden. Besonders für die Benediktinerklöstcr wird dieser Prozeß wahrscheinlich weitreichende Folgen auf dem Gebiet der Laienbrüderinstitution haben. Der fühlbare Mangel an Dienstboten hat längst audr die Welt des Klosters ergriffen, und die Institution der Laienbrüder ist nicht wieder zur Entfaltung gekommen. Ein Grund hieftir liegt in deren gegenwärtigen Rechtsstellung; der Laienbruder gilt juridisch nicht als Mönch und steht damit dem jüngsten Chornovizen nach. Wer heute jedoch das klösterliche Gemeinschaftsleben erwählt, will vor allem Möndi sein. Dies kann möglicherweise dazu führen, daß einmal den Laienbrüdern insofern eine Gleidisteltung gewährt wird, indem sie in den Status der Mönche erhoben werden und als Laienniönehe neben den Priestermönchen den Konvent bilden werden. Damit würde wieder eine Einheit geschaffen, die eigentlich der ursprünglichen Regel des Benediktinerordens entspräche, nadi der es nur Mönche gibt.

Im klösterlichen Leben der alten AbtsfeB Österreich vollzieht sich heute ine gro e geschichtliche Umwälzung, wohl den meisten Besuchern unsichtbar, die für das geistige und kulturelle Leben Österreichs von großer Bedeutung sein wird. Reinhold Schneider schrieb einmal, daß manche Stadt und manches Land ihre Existenz nur mehr der anonymen Tätigkeit eines Kloster und seinem Gebetsleben verdanken. Auch für die geistige und religiöse Neuformung Österreichs wird die Kraft starker religiöser Mittelpunkte einen heute noch unsichtbaren, aber bedeutenden Einfluß auf die Verinnerlichung ausüben.

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