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Monumentum Austriacum

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Groß ist die Zahl der Kunstdenkmäler Österreichs. Vom Bauernhaus bis zur gotischen Burg und zum barocken Palais, vom Wegkreuz bis zum ehrwürdigen Dom, alle sprechen sie von der Geschichte unserer Heimat und von der Schönheit der Schöpfungen unserer Vorfahren. Einzig aber unter ihnen sind Nationalheiligtümer, die jeder Österreicher kennt und liebt oder kennen und lieben sollte, wirkliche Monumente, Mahnmale unserer Gesdiichte und unserer Kunst: unser Dom, unsere Ringstraße, unser Stift Heiligenkreuz, unser St. Florian, unser Residenzplatz in Salzburg, unsere Burg in Wiener Neustadt.

Zu Ende des 12. Jahrhunderts errichteten die Babenberger an einer der gefährlichsten Einfallspforten des Landes, knapp an der Leitha, die „Wienerische Neustadt“ nach sauberem, rechteckigen Plan an der Gren7e zwischen Österreich, Steiermark und Ungarn. Hier hatten sie ihr festes Haus. Wenn wir auch heute annehmen, daß einst eine Pfalz an anderer Stelle in der Stadt sich befunden hat, bald entstand in der südöstlichen Ecke des Mauerringes der Stadt die Burg, die mit ihren vier vorspringenden, wehrhaften Eck-türmen und den sie verbindenden Gebäudeteilen größte Ähnlichkeit mit der ältesten Burg in Wien, dem „Schweizer Hof“' hatte.

Das sumpfige Gelände ermöglichte die Anlage eines Wassergrabens. Diese Burg berannten Mongolen, Ungarn und Kumanen. Vor den Toren dieser Burg siegte und fiel 1246 Friedrich IL, der Streitbare, der letzte Babenberger, als er tollkühn, bloß zwei Ritter hinter sidt, in das fliehende feindliche Heer vorstieß. Als sein Pferd, vom Pfeil eines Kumanen getroffen, stürzte, wurden seine Begleiter vom Gefolge Frangipans überwältigt. Der Fürst selbst erlag dem Schwerte Frangipans.

1348 oder 1356 fügten Erdbeben der Burg schwere Schäden zu. 1378 begannen die Habsburger die Burg neu zu bauen. Leopold der Biedere, Herzog von Steiermark, be-zeidinet sich als Gründer auf einem Sdiluß-stein in der Gmftkapclle. Österreich war auch zu dieser Zeit geteilt und Wiener Neustadt eine Gren7feste innerhalb der habs-burgischen Länder. Der bedeutendste Bewohner der Burg war ohne Zweifel Friedrich V., als Kaiser Friedrich III., Sohn Herzogs Ernst des Eisernen von Steiermark und der Massowischen Herzogstochter Cim-burga. In den Burghof zogen im Februar 1440 die Reidistagsgesandten prunkvoll ein und brachten dem Fürsten die Nachricht von seiner Wahl in Frankfurt. Von Wiener Neustadt aus trat er seinen Romzug an, in seinem Gefolge der unmündige Ladislaus Posthumus, Sohn Albrechts II. Vor der Burg in Wiener Neustadt entbrannte der Kampf mit den Wienern, welche die Herausgabe des Prinzen nach der Rückkunft aus Rom erzwangen und ihn im Triumph nach Wien führten. Nach dem frühen Tod des Jünglings mußte der Kaiser auch die Stephanskrone an Matthias Corvinus herausgeben und es dulden, daß derselbe 1485 Wien in Besitz nahm. 1486 wird der Kaiser in der Burg von Wiener Neustadt von Zapolya und später von Matthias Corvinus selbst belagert. Er mußte die Burg übergeben und floh nach Linz. Nach dem plötzlichen Tod Matthias am 9. April 1490 erhoben sich die Wiener-Neustädter, Maximilian hielt seinen Einzug in der Burg und ließ sich huldigen.

Der letzte Ritter hatte seine Jugend in dieser Burg verbradit. Im Juli 1515 fanden hier in der Burg die Vermählungen statt, die später die Vereinigung Österreichs, Ungarns und Böhmens in der habsburgischen Monarchie zur Folge hatten.

Hier fand Kaiser Maximilian seinem letzten Willen gemäß unter den Stufen des Altars der Burgkirdie seine Grabstätte.

War die Burg bisher Festung und Hoflager gewesen, so wurde sie unter Kaiserin Maria Theresia eine Pflanzstätte für die österreichisdie Jugend. „In landesmütterlicher Sorgfalt und in der besonderen Erwägung, daß eine namhafte Anzahl der Jugend wegen großer Dürftigkeit deren Eltern, teils aber aus Abgang der Gelegenheit oder aus anderen Ursachen an der standesmäßigen Erziehung merklich Mangel leide“, beschloß die Kaiserin, in der landes-fürstlichen Burg in Wiener Neustadt eine Militärakademie zu errichten. Die Burg war baufällig geworden. In beschleunigter Arbeit wurde von Pacassi und Gerl die Burg 1751 umgebaut und auf die heutige Gestalt gebracht.

Die historischen Ereignisse, die sich hier abspielten, würden ohne Zweifel allein die Burg über andere Stätten hinausheben. Sie ist aber nicht nur ein historisches Denkmal, sondern vor allem ein Baudenkmal von besonderer Kostbarkeit und von hervorragender künstlerischer Bedeutung. Wenngleich die mittelalterliche Burg mit ihren vier Ecktürmen heute gewissermaßen eingeschachtelt erscheint in dem barocken Umbau Pacassis und Gerls, so ist sie gerade deswegen als gewachsenes Kunstwerk von besonderem Reiz. Von den mittelalterlichen Türmen steht noch der nordwestliche, in dem Rakoczy im Jahre 1701 gefangen saß. Die anderen drei Türme verschwanden im barocken Bauwerk, sind aber in ihren unteren Geschossen mit ihren Gewölben erhalten. Der Uhrturm, die Freitreppen und Giebelbekrönungen Pacassis bestimmen wohl den Eindruck des Hofes, das Kleinod bleibt jedoch die Georgskapelle im Westtrakt der Burg, die sich über der gewölbten Torhalle befindet und von Friedrich III. als seine Burgkapelle und Grabstätte gedacht war.

Von Peter Pusika, seinem Hofbaumeister, in den Jahren 1449 bis 1460 erbaut, ist die Kapeiie ein diaraktci lstisdics Me'sterwerk der ö.-terreichisdien Gotik. Auf früheste, mittelalterliche Gedankengänge zurückgreifend, bewacht das Heiligtum das Burgtor wie die alten Torkape'len der karolingi-schen Pialzen. Von außen ein schlichter Giebelbau mit ursprünglich abgewalmten Satteldach, stellt sich die Kirche im Innern als re:c'i ausgestattetes Baudenkmal dar, oder vielmehr, sie war es b s 7u den Ereignissen dieses Krieges. Aur runden' Säulen das wappengeschmückte Netzrippengewölbe, reiche gotische Emporen die Wände umziehend, die wundervollen gotischen Oratorien, Me:sterwerke der Steinbildhauerei, herrlich ornamental und figural verziert. In den Fenstern kostbare Glasmalereien von Jörg van Delfs aus dem Ende des 15. Jahrhunderts mit Darstellungen der kaiserlichen Stifter. Ein Bronzestandbild des hl. Georg aus der italienisdien Renaissance über dem Hochaltar und prächtige Luster im Mittelschiff. Unter den Stufen des Altars eingemauert der Sarkophag Kaiser Maximilians, der das Grab unter den Füßen des Priesters dem Hochgrab vorzog, das er sich zu Lebenszeiten schaffen ließ und das heute in der Hofkirche in Innsbruck steht.

Der reichste und eigenartigste Zierat des Baudenkmales ist jedoch die Wappenwand außen an der Hofseite der Kirche, eine ungeheure Steinskulptur mit 107 Wappenreliefs aus dem Jahre 1453, ein künstlerisches Dokument der Heraldik, in die sich bei äußerer Ohnmacht der unsebeugte Geist Friedrichs III. flüchtete, um immer wieder sein Bekenntnis auszusprechen, das in der Devise: AEIOU seinen Ausdruck fand. Inmitten der Wappen das Standbild des Kaisers, nicht gekrönt mit der Kaiserkrone, sondern mit dem Erzherzogshut.

Nebe/S der Burgkirche, diesem Juwel des Bauwerkes, verlieren die wunderbarsten gotischen Gewölbe der Burg, der Geridits-saal oder die Gottesleichnamskapelle, an Bedeutung, Räume, die an anderen Orten wichtigste Zeugen mittelalterlicher Baukunst wären.

In diesem Kriege war die Burg zur Kriegsschule der deutschen Wehrmacht geworden und wurde Ziel zahlreicher Bomben, welche die Gewölbe der Georgskirche zerschlugen, während Brand die Burg verheerte. Die verantwortlichen Stellen haben der Sicherung dieses österreichischen Nationalheiligtums, das so schwer getroffen war, höchste Aufmerksamkeit zugewendet: bald werden sich Notdächer über allen kostbaren gewölbten Räumen befinden und diese vor weiterer Zerstörung durch Witterungseinflüsse schützen. Inzwischen wurde der Sarg Maximilians, des letzten Ritters, für die Zeit der Arbeiten in der Georgskirche im Neukloster an der Seite des Grabes der Kaiserin Eleonora, seiner Mutter, und der Grabstätten seiner frühverstorbenen Geschwister aufgestellt.

Es wäre verfehlt, mit einer bloßen Sicherung des derzeitigen Bestandes der Burg es bewenden zu lassen. Dieses ehrwürdige österreichische Nationaldenkmal soll nicht als Ruine erhalten werden, wie etwa das Heidelberger Schloß oder das Schloß in Preßburg. Wenn ein endgültiger Verfall aufgehalten werden soll, müssen die Dächer der Burg wieder erstehen, muß die Grabkirche des letzten Ritters wieder ihre Gewölbe bekommen, müssen die kostbaren geborgenen Glasfenster hier wieder eingebaut und die geretteten Kunstschätze wieder aufgestellt werden.

Dann kann an dieser Stätte wieder eine Jugend zur friedlichen Sendung Österreichs erzogen werden.

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