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MYRIARTHEFS MAKARIUS / KIRCHENFURST UND VOLKSTRIBUN

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„Ein Bischof gegen England“, „Der Bischof an der Zündschnur“ —i eine kleine Auswahl aus Zeitungsschlagzeilen der fünfziger Jahre, die sich mit dem Problem Zypern beschäftigten. 1959 endlich schien das Problem einer wenn schon nicht glücklichen, so doch befriedigenden Lösung zugeführt worden zu sein. „Zypern ist der Schlüssel zu Vorderasien“ — dos erkannte auch der Premierminister Königin Viktorias, Benjamin Disraeli.

Heute freilich besitzt England nicht einmal mehr das dazugehörige Schlüsselloch. Den Schlüssel verwaltet Seine Seligkeit Myriar-thefs Makarios III., Erzbischof der selbständigen orthodoxen Kirche von Zypern. Der heute fünfzigjährige Bischof vereinigt in sich eine Macht, wie sie die geistlichen Fürsten des Mittelalters besaßen: Er ist in einer Person kirchliches Oberhaupt und Staatspräsident.

Der 1913 in Paphos geborene Bauernsohn trägt als Zeichen seines hohen Amtes die goldene Krone, den Purpurmantel und das königliche Zepter, jene In-signien, die der Kaiser von By-zanz dem Erzbischof von Zypern im 7. Jahrhundert als besondere Auszeichnung verliehen hat.

Nach dem Besuch der Dorfschule trat er als Novize in das Kloster Kykko ein, schloß seine höhere Schulbildung am Panzyprischen Gymnasium in Nikosia ab und wurde dann an die Universität Athen geschickt, wo er im Jahre 1942 sein theologisches Examen mit Auszeichnung ablegte. Makarios blieb während der ganzen Zeit der deutschen Besetzung in Griechenland, studierte Jus und machte sich in der griechischen Untergrundbewegung einen Namen. Nach dem Krieg wurde er zum Priester geweiht; ein Stipendium des Weltkirchenrates ermöglichte zwei Jahre Soziologie-Studium in Boston.

Während er noch in Boston weilte, wurde er schon zum Bischof von Kition gewählt. Der junge Theologe kehrte in ein von Parteikämpfen zerrissenes Griechenland zurück. Auch in seiner Inselheimat spiegelte sich die innere Zerrissenheit des Landes wider: Auch die Führer der Kirche waren uneins.

Noch nicht 37 Jahre alt, wurde Makarios ohne Gegenkandidaten auf den vakanten Stuhl des Erz-bischofs gewählt. Inneren grundlegenden Reformen folgte der mit Zähigkeit und Beharrlichkeit eingeschlagene Weg der Forderung nach Selbstbestimmung für Zypern. Die Deportation des Bischofs nach den Seychellen brachte den Briten genau das Gegenteil des erwünschten Effekts.

Das Exil dauerte nicht lange. Die Londoner Konferenz im Jahre 1959 brachte Zypern zwar nicht den erwünschten Anschluß an Griechenland, aber die Unabhängigkeit. Der Erzbischof wurde erster Präsident der Inselrepublik.

Die nächsten Jahre dienten der Festigung des kleinen Staatswesens. Zahlreiche Auslandsreisen — von denen ihn eine 1962 auch nach Wien führte — brachten den Erzbischof in Kontakt mit den führenden Staatsmännern der Welt.

Und nun steht Zypern seit einigen Wochen wieder im Mittelpunkt des Weltinteresses. Makarios, einem modernen Volkstribun nicht unähnlich, will neuerlich den Weg gehen, der ihm schon einmal Erfolg gebracht hat. Bewundernd blickte damals die Welt auf ihn, den Zyprioten, der einem Weltreich die Stirn bot. Noch im Mai 1962 sprach Makarios zu Wiener Journalisten von einer Entspannung des Verhältnisses zwischen der griechischen und der türkischen Volksgruppe. Und heute? Schüsse, das Krachen von Bomben — das ist die Musik, die von der Mittel-meerinsel herüberklingt. Der Gleichschritt der Militärpatrouillen hallt — wie vor wenigen Jahren — durch die menschenleeren Straßen. Angehörige einer nationalen Minderheit werden verfolgt. Der „Schlüssel zu Vorderasien“ scheint in schlechter Hut.

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