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Nasser verlor sein „Vietnam“

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In Jemen — in über 3000jährige Monarchie und knapp dreijährige Republik zerfallenes, von der modernen Zivilisation 300 Jahre und vom modernsten Araberstaat 3000 Kilometer entferntes arabisches Stammland — wird noch geschossen. Aber 30 Tage vor seinem dritten Jahrestag und zwei Jahre, zehn Monate, zwei Wochen und drei Tage nach seinem Beginn ist der Krieg zu Ende, der rund 100.000 Jemeniten das Leben kostete und fast 13.000 Ägyptern, in dem zuerst 20.000 Elitesoldaten 50 Strauchrittern gegenüberstanden und heute beinahe 60.000 verzagte und meuternde Offiziere und Mannschaften mit furchtgebietendem Waffenarsenal 350.000 Stammeskriegern, denen es manchmal fehlte an selbstgefertigten Patronen für ihre Vorderladerflinten und gehärtetem Stahl für ihre Krummsäbel, doch nie an Mut, Ausdauer und Siegeszuversicht.

1.037,000.000 US-Dollar — täglich eine Million —, arabische Führerrolle, neutralistische Führungschancen, Sympathien der westlichen und Unabhängigkeit von der östlichen Führungsmacht kostete dem neuen Pharaopropheten Abdel Nasser das Abenteuer, die Entscheidungsschlacht über die Zukunft der Araber zu suchen im Land jenseits von Aden und südlich der Aramco-Ölfelder, aus dem einst die Beduinen kamen, ein Weltreich und seine eigenen Vorfahren, am Nil ihr Glück zu finden: „Arabia felix, glückliches Arabien“, wie der Jemen hieß im Altertum. Der Ägypter aus dem Nomadenstamm der Beni mor — bitteren Söhne — fand auf Allahs eigener Halbinsel, wo die Sonne aufgeht, der Prophet geboren wurde und die arabische Kultur begann, nur Bitternis und kein Erdöl, sondern tränkte die Erde mit dem Blut seiner Untertanen. und verspielte j sein eigenes Glück. Er ist der Verlierer eines unentschiedenen Kampfes. In Djidda einigten sich jetzt royalistische und republikanische ' Unterhändler über die Beilegung ihres Streites; Ägypten wurde nicht ( dazu befragt. Erst als das Verhandlungsergebnis feststand, war König ( Feisal bereit, mit Präsident Abdel . Nasser zu sprechen — über den von , jemenitischen Royalisten und Re- , publikanern einträchtig verlangten j ägyptischen Truppenabzug. Das ■ überraschende Ende des Jemen- , konfliktes gilt außerhalb Ägyptens ( als halber Sieg des Imams Moham- ] med al-Badr, aber als ganze Nieder- , läge Abdel Nassers. ,

Es begann vor drei Jahren j

Der Bürgerkrieg begann im ' September 1962. Sieben Tage nach i dem Tod des als grausamer Despot '<&#9632; verhaßten Imams Achmed „des 1 Dämons“ und einen Tag vor der Thronbesteigung seines Sohnes * Mohammed al-Badr. Dieser hatte : den Armeeobersten Abdullah s as-Sallal jahrelang eingekerkert, 1 jener machte ihn zum Chef seiner 1 Leibwache. Lohn der guten Tat war 1 eine Schießerei, unter der königlicher Palast und Monarchie morsch zusammenfielen. Die Republik wurde ausgerufen, und USA und die Bun- 1 desrepublik Deutschland Wetteifer- i ten auf der einen und die UdSSR und Rotchina auf der anderen Seite, sie als erste anzuerkennen. Es war blinder Eifer.

Der noch ungekrönte Imam entkam in Dienerkleidern. Von nun an hauste der Gesalbte in Höhlenverstecken, während die Anführer es sich wohl sein ließen in verlassenen Residenzen. Aber was niemand erwartete, geschah: Der auf Straf-expeditionen im Dienst seines Vaters gesundheitlich gestählte junge al-Badr und der in der Gefangenschaft seines Souveräns gesundheitlich zermürbte alte as-Sallal wurden zu Symbolen für Sieg und Niederlage. Während sich das — nach Ansicht vieler Jemeniten, fortschritt- ! [ich gesinnter Araber und der Außenwelt — überlebte Imamat zu , verjüngen schien nach dem ums I Haar geglückten Anschlag auf seine Existenz, blieb die neue Republik i trank und hinfällig und abhängig : von ausländischer Hüfe.

Schon kurz nach der Revolution erging ein republikanischer SOS-Ruf an Ägypten. Die Kairoer Führungshierarohie zerstritt sich darüber. Die Vizepräsidenten Kamal Eddin Hussein und Abdel Latif al-Boghdad opponierten gegen eine Intervention und wurden abgesetzt; Feldmarschall Abdel Hakim Amer warnte davor und wurde überhört. Präsident Abdel Nasser entsandte zunächst 20.000 Mann, um sein iurch den Zerfall der Union mit Syrien (1961) erschüttertes pan-irabisches Prestige nicht weiter zu schwächen. Nach Anfangserfolgen nußten sie sich darauf beschränken, das Städtedreieck Sanao-Taiz-rlodeida im Süden abzuschirmen, vährend die Royalisten den gebirrigen Norden beherrschten und in >litzschnellen nächtlichen Einzel-iktionen bis auf 20 Kilometer nörd-ich von Sano vorstießen und nehrmals auf dem Militärflugplatz ibgestellte Maschinen zerstörten.

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