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Notizen

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Eine ganze Stadt als Ausstellungsgelände: das wird vom 13. bis 15. August die niederösterreichische Stadt Heidenreichstein sein. 126 Betriebe und Geschäfte bilden die Ausstellungskojen für eine große Leistungsschau. Darüber hinaus werden auch Sonderausstellungen veranstaltet. Die besondere Note der mit vollem Einsatz vorbereiteten Festlichkeiten gibt die 750-Jahr-Feier. Die Burg Heidenreichstein ist eine Gründung der Garser Grafen und wird erstmalig 1205 urkundlich genannt. Beherrscht vom mittelalterlichen Bergfried und den gewaltigen Ecktürmen bietet sie ein Bild urtümlicher Stärke. Nach einem Umbau im 16. Jahrhundert erhielt sie ihr heutiges Aussehen und ist zur Zeit Eigentum der Familie Rudolf Graf van der Straten. Heidenreichstein entstand mit der Burg. 1369 ausdrücklich Markt genannt, war der Ort etwa 1282 bis 1850 Mittelpunkt einer ausgedehnten Herrschaft mit eigener Gerichtsbarkeit. Der Pranger mit dem Roland zeugt aus dieser Zeit. 1584 zählte der Markt 56 Häuser. Handel und Gewerbe blühten trotz mehrmaliger Verwüstung des Ortes immer mehr auf und Landesfürsten zeichneten den Markt durch Privilegien aus. Um die Wende des 20. Jahrhunderts änderte sich die Struktur Heidenreichsteins. Bedeutende Industrien entstanden. Vor allem die Strumpferzeugung gibt Heidenreichstein, das 1932 zur Stadt erhoben wurde, heute seine besondere Note. Jeden Abend um 9 Uhr ertönt aber nach alter Sitte heute noch die „Bierglocke“, die in früheren Zeiten den Dienstantritt der Nachtwache meldete.

Zum zehnten Male jährte sich der Todestag des Komponisten E. N. von Reznicek, der als Sohn des österreichischen Feldmarschalleutnants Joseph von Reznicek 1860 in Wien geboren wurde und am 2. August 1945 in Berlin starb. Sein Lebenswerk umfaßt mehr als 150 Kompositionen. Immer wieder überrascht Reznicek durch seine außerordentliche Wandlungsfähigkeit. Von seinen Opern ist namentlich sein reifstes Bühnenwerk „Ritter Blaubart“ lebendig geblieben, das in Graz unter Clemens Krauß zum ersten Male über die Bretter ging. Dieses Werk ist in Musik und Handlung von stärkster Dramatik und wurde an vielen deutschen Bühnen mit größtem Erfolg aufgeführt Neben mehreren Symphonien und Tondichtungen schrieb der Künstler Orgel- und Chorwerke, ein Violinkonzert, Kammermusik und zahlreiche Lieder. Besonders erfolgreich war die Musik zu Strindbergs „Traumspiel“ sowie die zur Komödie „Die wunderlichen Geschichten des Kapellmeisters Kreisler“, die in Berlin über hundert Aufführungen erlebte. Im vorgerückten Alter machte sich bei Reznicek immer mehr die Vorliebe zu musikalischer Gestaltung von Stoffen bemerkbar, die einen mystisch-transzendentalen Inhalt aufweisen. Ueberblickt man sein reiches Schaffen, so zeigte sich der Meister der verschiedensten Stilarten mächtig. Einmal ist er von graziler Leichtigkeit und sprühender Laune, dann wieder von tragischer Dämonie, von liebenswürdigem, skurrilem oder auch grimmigem Humor. Gerade dieser Humor war es, der ihm stets die schweren Schicksalsschläge überwinden ließ, an denen sein 85 Jahre währendes Leben reich gewesen ist.

„DerTurmbun d“, die Innsbrucker Gesellschaft für Literatur und Kunst, veranstaltet in der Zeit vom

10. bis 14. September 1955 den ersten International-deutschsprachigen Schriftstellerkongreß in Igls bei Innsbruck. Die Tagung wird unter dem Leitgedanken „Dichtung der Gegenwart — Gehalt und Erscheinung“ stehen. Erwartet werden bedeutende Dichter-, Schriftsteller- und Verlegerpersönlichkeiten des gesamten deutschen Sprachraumes sowie hervorragende Vertreter von Rundfunk, Presse und Theater. Der Kongreß wird nicht nur einen aufschlußreichen Situationsbericht über das nach Landschaften gegliederte deutschsprachige Schrifttum der Gegenwart bieten, sondern auch in moderne Form- und Gehaltprobleme einführen.

Die Erhaltung des Volksturas und der bodenständigen Kulturgüter der Heimatvertriebenen ist das Ziel einer neuen Aktion der Klemensgemeinde. In einem Aufruf an alle in Oesterreich lebenden Flüchtlinge ersucht die Leitung der Klemensgenieinde um Material für eine Volkstums-sammlung, die der großen Fachbibliothek der Gemeinde in Linz angeschlossen wird. Die Beiträge der einzelnen Einsender werden von Fachleuten bearbeitet und finden auch für die Gestaltung des Jahrbuches 1956 der Klemensgemeinde Verwendung. Die Aktion wird in Form eines Preisausschreibens durchgeführt. Man will auf diese Weise zum Beispiel das alte Sagen gut aus den Herkunftsländern der Heimatvertriebenen der Nachwelt erhalten. Aber auch Volksmärchen, Mundartdichtungen. Volkslieder, bodenständige Sprichwörter, Berichte über Volksbräuche kirchlicher und weltlicher Natur oder heimatkundliche Daten sollen durch die Aktion erfaßt werden. Die Klemensgemeinde ersucht auch alle Heimatvertriebenen, eventuell vorhandene Trachten- oder ähnliche Bilder oder Bücher über Volkstumsfragen der Sammlung zur Verfügung zu stellen. Die Beiträge der Heimatvertriebenen werden von Fachleuten, die sich der Klemensgemeinde zur Verfügung gestellt haben, ausgewertet. Man hofft, auf diese Weise das alte Kultur- und Volksgut, das den Charakter der deutschsprachigen Bevölkerungsteile im Osten und Südosten wesentlich bestimmte, nun aber im Zuge des Assimilationsprozesses der Heimatvertriebenen in Oesterreich rasch in Vergessenheit gerät, für die Nachwelt zu retten. Für die besten Einsendungen sind insgesamt 54 Preise ausgesetzt. Beiträge sind erbeten an die Klemensgemeinde, Wien I, Wollzeile 7.

Die in den Jahren nach dem Krieg und der Währungsreform oft erörterte Krise des Buches sei lediglich eine Vertriebskrise gewesen. Diese Feststellung machte Georg von Holtzbrinck, der Gründer, Leiter und geistige Motor der Stuttgarter Hausbücherei, die zu den fünf größten deutschen Buchgemeinschaften zählt. Die Ausschaltung alter Bildungsschichten durch den Krieg und seine Folgen, das Aufsteigen neuer Schichten, das durch den Wiederaufbau der Wirtschaft ausgelöst wurde, machten es notwendig, sich mit anderen Methoden an diese neuen, bildungshungrigen Kreise, vor allem der Angestellten und Facharbeiter, zu wenden. Die Beratung ist heute viel wichtiger, als sie in früheren Zeiten war. Das stellen auch die Buchhandlungen und Volksbibliotheken fest. Es fehlt vielen Bücherkäufern von heute noch das literarische Urteil. Das kann bei so tiefgreifenden soziologischen Umschichtungen auch nicht gut anders sein. Der neue Bücherfreund will auch nicht zum Kauf bestimmter Titel gezwungen oder überredet werden. Wie anspruchsvoll er ist und wie ernst sein Bildungsstreben beurteilt werden muß. zeigten auch die Erfahrungen der Hausbücherei. Die höchsten Auflagen erreichten nicht reine Unterhaltungsromane sondern Douglas, „Das Gewand des Erlösers“, und Caldwell, „Einst wird kommen der Tag“. Noch mehr überrascht, daß eine kleine „Weltgeschichte der Philosophie“ und der „Neue Weltatlas“ in einem Jahr mehrere Auflagen erlebten.

Die diesjährige Internationale Pax-Christi-Studien-tagung, die in Nimwegen vom 8. bis 12. August stattfindet, steht unter dem Thema „Das christliche Gewissen und der Einsatz für den Frieden“. Kardinal F e 11 i n (Erzbischof von Paris), P. G a 11 i SJ (Zürich), Kanonikus L a 1 a n d e (Paris) und Professor Santamaria (San Sebastian) werden die Hauptreferate halten. Die „Furche“ ist durch Dr. Anton Burghardt vertreten.

Eine aus sechzehn Persönlichkeiten des französischen Geisteslebens bestehende Jury suchte d i e besten n i c h t f r a n z ö s i s c h e n Romane der letzten hundert Jahre zu bestimmen. An erster Stelle wurden Charles Dickens' „Große Erwartungen“ genannt, darauf folgen Tolstoi („Krieg und Frieden“), Thomas Hardy, Dostojewskij, Hawthorne und Hamsun. Erst an siebenter Stelle wurde als bester deutschsprachiger Autor Franz Kafka genannt.

Die neue italienische Regierung Segni ist das dreizehnte Kabinett seit Kriegsende. Ihr Amtsantritt beendete eine Regierungskrise, die dreizehn Tage dauerte. Sie stellte sich dem Staatspräsidenten um 13 Uhr vor. Dem Kabinett gehören neben Segni weitere dreizehn christliche Demokraten an. Am 13. Juli wurde es vom Parlament bestätigt. Wahrlich: abergläubisch dürfen die neuen Minister nicht sein . ..

In Zukunft sollen Elektronengehirne das Wetter prophezeien. Auf Grund ihrer Rechenoperationen können nach Ansicht von Fachleuten zuverlässige Voraussagen für drei Tage gegeben werden, während die bisherigen Prognosen nur für 36 Stunden gelten. •

Seit Stalins Tod sei ein „E r d r u t s c h“ von Kircheneintritten erfolgt. Allein die Baptisten hätten im vergangenen Jahr 12.000 Neubekehrungen erzielt. In einer einzigen orthodoxen Kirche in Leningrad würden jede Woche 500 Kinder getauft. Selbst Parteimitglieder ließen sich immer häufiger kirchlich trauen. Diese Schilderung der kirchlichen Situation in Rußland gab der anglikanische Kanonikus Raven nach seiner Rückkehr aus Rußland. Er fügte hinzu, der Kommunismus, wie er von Lenin und Stalin entwickelt worden sei, habe messianische Züge gehabt. Stalins Bild sei in fast jeder Familie an die Stelle der Ikonen, der alten Heiligenbilder, getreten. Seit Stalins Tod aber gebe es ein Vakuum, das die jetzigen Führer nicht ausfüllen könnten. Wenn die Kirche ihre Verantwortung erkenne und eine mutige Evangelisation betreibe, könnte sie viel verlorenen Boden zurückgewinnen.

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