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öl schafft Wasser

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Ibn Saud, Herrscher über beinahe 6 Millionen Menschen eines harten, kämpferischen Wüstenvolkes, ist die prägnanteste Persönlichkeit in der arabischen Welt. In der ganzen arabischen Welt wird der Name Ibn Sauds mit Ehrfurcht genannt, mit Betonung auf der Ehre, nicht auf Furcht. Sein urwüchsiger Humor und seine oft etwas derben Spaße sind sprichwörtlich. Für die Errungenschaften der modernen Technik hat er eine beinahe kindlich-spielerische Vorliebe. Wiewohl Oberhaupt einer strengen mohammedanischen Sekte ist er doch alles andere als ein freudloser Puritaner. Das können vor allem seine religiösen Berater bezeugen, denen er, bei guter Laune, heimlicherweise Niespulver in die hennaroten Barte schmuggelt und sich über den gelungenen Spaß kindlich freut. Und manch einem seiner Gäste, der sich seines menschlichen Interesses und Wohlwollens erfreute, ist die Szene unvergeßlich, da er, ohne Schlimmes zu ahnen, plötzlich von seinem Stahlrohrstuhl im Schloßgarten kopfüber in den idyllischen Teich purzelte. Diese mit einem geheimen Mechanismus konstruierten Sessel sind ein besonderes Vergnügen des königlichen Spaßvogels. Allerdings: wer je von seinen Gästen die Ehre hatte, das Opfer eines fürstlichen Schabernacks zu werden, wurde auch für den ausgestandenen Schrecken königlich beschenkt.

Privat humorvoll-gemütlich, ist Ibn Saud bei Ausübung seiner Staatsgeschäfte streng und zeremoniell: „Alles zu seiner Zeit“ ist seine Devise. Vergnügen ist Vergnügen, Geschäft aber ist Geschäft. Und von diesem versteht der Einiger Arabiens ebensoviel wie von jenem. Davon wissen die Herren der Aramco (Arabian American Oil Company) zu erzählen. Wohl noch nie zuvor haben diese Taktiker des perfekten Busineß mit einerrt geschickteren und hartnäckigeren Partner am selben Tisch gesessen. Schon allein die in den letzten Vorkriegsjahren abgeschlossenen Konzessionsverträge bestätigen diese Behauptung. Die Zugeständnisse, die die amerikanische Oelmacht hier, freiwillig und ohne mit der Wimper zu zucken, an ein verhältnismäßig kleines arabisches Land machte, sind einmalig: 50 Prozent beträgt die Gewinnbeteiligung des Königl'y'en Part-

ners, die Hälfte des Bruttogewinnes, errechnet vor Abzug der Steuern und jeglicher Abgaben. Kein Angestellter der Aramco darf in Saudi-Arabien einen Posten antreten, bevor er nicht einen dreimonatigen Kursus absolviert hat, der ihn arabische Höflichkeit lehrt und mit dem orientalischen Leben bekannt macht. Eheschließungen, nicht nur zwischen Weißen und Arabern, sind verboten; auch die weißen Angesteilten der Aramco dürfen eine Ehe unter sich nicht eingehen, solange sie sich in Saudi-Arabien aufhalten. Die seelsorgerische Tätigkeit christlicher Geistlicher ist vollständig unterbunden, Kirchen dürfen nicht gebaut werden und Gottesdienste in irgendeiner Form sind nicht gestattet.

Ibn Saud ist ein gewandter Geschäftsmann, der es versteht, seinen Vorteil wahrzuneh-

men. Nodi im Jahre 1950 betrugen seine Tantiemen 60 Millionen Dollar, 1952 erreichten sie bereits das Zweieinhalbfache, 150 Millionen, und in den nächsten Jahren werden sie sich ohne Zweifel noch weiter erhöhen. Darüber hinaus aber hat die Aramco alljährlich eine Reihe bizarrer und redit kostspieliger Wünsche des fürstlichen Partners zu erfüllen. Eine über 500 Kilometer lange Eisenbahn durch die unwegsame Wüste wurde durch die Aramco-Kasse bezahlt, die Königsburg Riyadh, in der Ibn Saud mit seinen unzählbaren Verwandten und seinem großen Hofstaat, insgesamt etwa 1500 Menschen, residiert, wurde in den letzten Jahren durch Geschenke der amerikanischen Oelherren modern umgebaut und mit den letzten technischen Neuerungen versehen. Ibn Sauds Musterfarm und sein weltberühmtes Gestüt von über 10.000 herrlichen Vollblutpferden werden von der Aramco verwaltet und unterhalten; 32 von den 150 Sultanssöhnen haben prinzliches Statut, und ihnen stehen zu jeder Stunde die Flugzeuge der Aramco, selbstverständlich unentgeltlich, zur Verfügung, wobei jeder bis zu acht Plätze für sich und seine Freunde zu belegen das Recht hat.

Eines Tages beschwerte sich der alte Wüstenkönig darüber, daß die wichtigsten Entscheidungen der Aramco immer nur in New York getroffen würden. Sofort bequemte man sich, das beschlußfähige Hauptquartier nach Dharan in Saudi-Arabien zu verlegen und den königlichen Wunsch zu erfüllen.

Der weitsichtige Herrscher Saudi-Arabiens wußte von allem Anfang an, was er wollte. Es genügte ihm nicht, in jahrzehntelangen Kämpfen die wilden, bettelarmen Stämme der Halbinsel zu einigen und zur Ordnung zu rufen. Das Einigungswerk konnte nur dann Sinn und Bestand haben, wenn es gelang, die vielen sich bekämpfenden Nomadenstämme zu nationalbewußten Staatsbürgern

zu machen, ihnen Ackerboden und Palmen* gärten für seßhafte Siedlungen zu schaffen. Das aber kostet in dem wasserarmen Wüstenland viel Geld. Das Erbohren von Brunnen und das Erstellen von Bewässerungsanlagen ist eine kostspielige Sache, für die die Einnahmen aus den Pilgerfahrten nach Mekka bei weitem nicht ausreidien konnten.

Doch, sagte Ibn Saud, um ein geordnetes Staatswesen zu erhalten und die drei Grundübel seines Reiches: Armut, Unwissenheit und Krankheit zu bekämpfen, ist vor allem eines notwendig: Wasser. Sollen also die Amerikaner Saudi-Arabiens Oel nehmen und dafür die notwendigen Gelder zur Verfügung stellen, um Wasser zu bohren, Bewässerungsanlagen zu errichten, Siedlungen, Sdiulen und Krankenhäuser zu bauen.

Das Verhältnis der beiden Vertragspartner war von allem Anfang an ein gutes und ist es bis heute geblieben. Zwar vtjrsdienkt Ibn Saud sein Oel nicht und die Amerikaner haben Bedingungen zu erfüllen, die nur von einem ebenbürtigen Partner gestellt werden dürfen. Dennoch lohnt sich das Geschäft für beide. Die vertraglichen Aramco-Gewinne, die heute in die Kasse Saudi-Arabiens fließen, decken beinahe 90 Prozent (1952) der gesamten Staatseinnahmen. Darüber hinaus aber gewinnt Saudi-Arabien durch den Aufbau modernster technischer Installationen und Siedlungen in dem 1,100.000 Quadratkilometer umfassenden Konzessionsgebiet durdi die Ausbildung und Schulung der einheimischen Angestellten und Arbeiter der Gesellschaft. Ueberau dort, wo Oel gebohrt, Pumpstationen und andere Installationen angelegt werden, fließt plötzlich auch Wasser, entstehen für die einstigen Nomaden feste Wohnstätten mit Schulen und Krankenhäusern.

Die intelligenten und regsamen Saudis, die anfänglidi der Zusammenarbeit ihres verehrten Fürsten mit den Fremden skeptisch und ablehnend gegenüberstanden, haben sdinell begriffen, welch ungeheure Vorteile ihnen und ihren Nadikommen das große Werk bieten konnte. Rasch gaben sie ihren Widerstand auf, und heute sind sie emsige und begeisterte Freunde der Amerikaner, gelehrige und zuverlässige Arbeiter, denen auch höhere und gut bezahlte Posten offenstehen. Bereits stellen sie ein großes Kontingent des technisdien Stabes, Verwaltungsbeamte, Pflegepersonal und Assistenzärzte in den Krankenhäusern. Ihr Interesse an der Steigerung der Oelproduktion ist genau so groß wie dasjenige der Gesellschaft, und so ist es nicht weiter verwunderlich, wenn die Förderung der Aramco Jahr für Jahr höhere Ziffern erreicht.

So bedeutet die Oelschwemme in „Arabia deserta“ nicht nur ein großartiges Geschäft für die Amerikaner und einen märchenhaften Goldregen für die einst leere Schatulle Ibn Sauds; sie hat vor allem auch einen ungeheuren Aufschwung im ganzen Lande zur Folge und hebt den* Lebensstandard des intelligenten, aufgesdilossenen Wüstenvolkes in ungeahnter Weise. '

Die erste Oelquelle der Aramco im saudiarabischen Konzessionsgebiet, unweit des Persischen Golfes, südlich von Kuweit, floß bereits im Jahre 1938, gerade als Hitler mit der gewaltsamen Eingliederung Oesterreichs den neuen Krieg begann. Achtzehn Monate später, als Europa in Flammen stand, sprudelte das Herzblut der Erde aus drei weiteren Bohrungen, und in den kommenden Jahren erschloß die Aramco in Arabien Ader um Ader. Der große Aufschwung aber begann erst mit Beendigung des zweiten

Weltkrieges, und heute ist die Aramco nicht nur die wichtigste amerikanische Anslands-unternehmung, sondern auch die bedeutendste Oelgesellschaft im Orient. Das hauptsächlichste Absatzgebiet für die Urpro-

duktion des Mittleren Ostens ist Europa, und man greift wohl nicht zu hoch, wenn man behauptet, daß heute mindestens die Hälfte aller Autos auf dem alten Kontinent mit Aramco-Benzin getrieben werden.

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