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Österliche Volkskunde

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Wie alle Züge der Passionsgeschichte wurde auch die Szene des Einzugs Christi in Jerusalem schon in frühester Zeit in und außer der Kirche zur Darstellung gebracht, viele der Passionsspiele mit dem Ritt auf der Eselin und das Tier, „das da fürde aller guote — durch sine demute — zuo Jerusalem reit — do er die martir durch uns leit'“, blieb auch dann noch ein wichtiges Inventarstück bei der Feier des Festes der Palmen, als man theatralische Aufführungen, ihrer Ausartung wegen, lange schon aus den Kirchen verwiesen hatte. Zumeist fiel er in jenen Orten, welche sich der Reformation angeschlossen hatten, der Bilder stürmenden Neuerungssucht zum Opfer. Am Ende des 18. Jahrhunderts wiesen katholische Kirchenfürsten den Palmesel au der Kirche und er ist, mit seltsamen Ausnahmen, nicht mehr hineingekommen So kam es, daß auch die Kunde von ihm langsam verblaßte und daß man sogar in Orten, in welchen die Abschaffungsbefehle vor hundert Jahren heftigen Widerstand hervorriefen, heute nicht das geringste mehr von dem volkstümlichen Brauch weiß.

Wann die Sitte aufgekommen ist, Christus auf einem Esel reitend bei der Palmweiheprozession acht Tage vor Ostern mitherumzuführen, läßt sich wohl nicht genau nachweisen. Die Kirche hat schon in sehr früher Zeit den Anschauungsunterricht als wertvoll anerkannt und die eigentlichen kirchlichen Zeremonien durch eingeschobene Darstellungen aus dem Leben des Erlösers, der Apostel und der Heiligen vermehrt. — Viele wollten das Palmfesr als auf indischen Gebräuchen fußend erklären. So will Hammer an die Eselsprozession der Perser im März erinnern. Die älteste Nachricht über eine Prozession mit dem Palmesel bietet die „vita S. Udalrici“. Nach Bierlinger berichtet eine Münchner Handschrift folgendes: „Darnach segnet St. Ulrich die Palmen; darnach ward eine köstlich Prozession von Pfaffen und Laien gehept, mit creutzen und fanen und dem heiigen evan-gel voran bildnuß unseres Herrn auf einem Esel sitzend und jederman palm in henden tragend und ging die Prozession St. Afra bis auf den Perlach. Es khomen der Prozession entgegen die Chorherrn und Pfaffen von unsrer frawen und mir inen die burger von der statt belibend und nit bei St. Ulrich warend und bei in vil ander leut so von den dörfern und weilern zu dem fest khomen warn Daselbs war Lobsang volpracht, die palmen geworfen und die claider gesträt nach des fests Gewohnheit. Darnach tut St Ulrich ein predigt und verspracht St. Ulrich das amt der meß Darnach jederman heim.“ —

Das Narren- oder Eselsfest ist mit dem Palmfest in keinem Zusammenhang. Der hochverdiente Forscher Dr. Löffler will den Palmesel als den antizipierten Brauch des Pfingstesels erklären, welcher Meinung man sich aber wenig anschloß.

Die bekannten und noch vorhandenen Palmesel stammen teilweise aus dem 14, bis 16. Jahrhundert, die meisten aber zw noch späterer Zeit. Sie bilden wegen ihrer Seltenheit wichtige Objekte einzelner Museen, so zum Beispiel in Puch in Salzburg, in Nürnberg, in Ulm, in Basel usw. — Die meisten Palmesel aber wurden vernichtet oder verstümmelt, sowohl auf geistlichen wie auch auf weltlichen Befehl, zum Beispiel in Wien, Salzburg, Hallein, München. — Ein berühmter Palmesel befand sich auf dem Salzburger Nonnberg. („Die Geschichte oder Erzählung vom wundertätigen Palmesel“!)

In den verschiedenen Orten glichen sich aber diese Prozessionen so ziemlich mehr oder weniger. Nach der Palmweihe findet eine Prozession statt, bei welcher der Palmesel mitgeführt wird. Schlager erzählt in seinen „Wiener Skizzen“, daß in der Stephanskirche „von uralter Zeit her bis auf den heutigen Tag in der Karwoche gewisse Zeremonien observiert werden, und zwar an dem Palmtag die Prozession mit dem Palmesel, welcher das Jahr hindurch in einem Ge-völbe unter der „Kantorey“ aufbehalten wird, er ist mit beigesetzter Jahreszahl im Jahre 1435 verfertigt worden.“

Der Palmesel wurde gezogen, und zwar vot verschiedenen Leuten, wie es eben in den einzelnen Dörfern und Städten Sitte

war, zum Beispiel von Metzgern oder Bäckern; oder er wurde auf einem Wagen herumgefahren. Im großen und ganzen wurden aber derlei Aufzug- vom Volk, selbst von Andersgläubigen sehr gerne gesehen, sie wurden zum Volksfeste, zur Dult, wie zum Beispiel in Salzburg, wo der Esel große Massen anlockte. In Österreich hielten nach Denis die Mesner einen großen Esel fertig, um gegen eine Erkenntlichkeit die Kinder darauf herumzuziehen. Mesner und Ministranten zogen den Esel in verschiedenen Orten durch die Straßen, teils mit. teils ohne Gesang, und sammelten dabei Lebensmittel.

Hier sei ein Beispiel von einem (nicht kirchlichen) Umzug erzählt. Nach Beda Weber soll der Palmesel auch in der Kirche zu Lienz gewesen sein: „Nachmittag? zog er mit in die Stadt, von Haus zu Haus der Organist als Reigenführer an der Spitze, acht Knaben in Chorhemden neben ihm, zwei Männer den Wagen ziehend, einer schiebend und stützend hinterdrein, ringsum Wogen neugierigen Volks und den Mantel Christi küssend. In jedes Haus, dessen Tür nicht zu klein, wanderte er ein, Christus in der Mitte die Knaben ihn umringend, ein lateinisches Lied anstimmend. Ist der Sang vorüber, so erhielt der Organist vom Hauseigentümer Geschenke an Geld und Naturalien, Feldfrüchte, Flachs, Bretzen, während die Diensttuenden mit Wein und Branntwein erquickt wurden. Das Erträgnis war eine Zufallsgebühr des Organisten und Chorregenten, welcher Singknaben und Diener bezahlte.“ — Die neueste Zeit hat den ganzen Umzug abgestellt.

Auch das Bregenzer Museum besitzt einen Palmesel. Einer Mitteilung zufolge heißt es darüber folgend: „Der Palmesel, der unserem Museum einverleibt ist, stammt aus der alten Kirche in Egg, im Bregenzerwald; der Esel hat ohne Gestell eine Höhe von 85 Zentimeter und eine Länge von 1,50 Meter. Der Palmesel mit der daraufsitzenden Christusfigur hat eine Höhe von 1,50 Meter. Christus hat einen feierlichen Ge-sichtsausdruck; der Kopf ist lang und schmal, mit langem Bart und langen, schlichten, rückwärts über die Gewandung hervorstehenden Haaren. Der Kopf trägt eine Krone mit acht Zinken. Die Darstellung macht einen eigentümlichen Eindruck: Christus segnet mit der rechten

Hand und leitet den Esel mit der linken. Die technisdie Ausführung ist allerdings keine künstlerisdie, läßt aber doch erkennen, daß ein geschulter Bildhauer das Werk in Holz geschnitten. Nach dem Christuskopf und der Gewandung gehört die Darstellung dem gotischen Stil an und durfte die Gruppe bald nach der Erbauung der -ilten Kirdie in Egg gefertigt worden sein, das ist im 14. Jahrhundert. Sehr alte Leute erinnerten sich noch, daß der Palmesel am Palmsonntag nadi der Feier der Palmweihe um die Kirche in Prozession geführt wurde, während die Andächtigen mit ihren Palmen den Esel berührten.“ — Das Gnzer Museum besitzt einen Palmesel aus dem Bregenzerwald — In Lienz und Thauer, bei Innsbruck, fanden diese Prozessionen noch statt bis Ende des 19. Jahrhunderts Aufgefunden wurde ein Palmesel noch in Puch bei Hallein.

Der Palmesel taucht auch in mancherlei Redensarten und Sprichwörtern auf. In vielen Orten wird derjenige „Palmesel“ genannt oder gesdiolten, der zuletzt mit seiner Palmstange aus der Kirche, nach Hause oder zu einem bestimmten Ziel kommt. Im Unter-Innta1 der, welcher auf dem Heimwege seiner Palmlast erliegt. Jakobi erzählt, daß jener Palmeselbegleiter, der bei einer bestimmten Uederstrophe als letzter das Chorhemd über den Kopf streifte, füi ein Jahr der Palmesel war. — Auch wer am Palmsonntag am längsten im Bette bleibt, erhäl' diesen Beinamen, so in Tirol, Salzburg, Oberösterreich; und nach P. Thaß. Lehner's Mitteilung soll so ein Palmesel mittagi eine Extraspeise bekommen. Recht protzige, hochmütige Leute, namentlich abei übermäßig aufgeputzte bekommen auch diesen Namen Abraham a saneta Clara sagt. „Die Weibei wollen nicht allein sdiön sein, ja wenn es möglich wäre, noch schöner werden Darum zieren sie sidi wie der Palmesel am Palmtage “ In seinen vortrefflichen Bildern aus dem ober-österreichischen Volksleben sagt Dechant Purschka: „Was hast ins denn zuabracht? Dö paar Fetzen Gwand. dö's d' anghabt hast, aufputzt i dein'n Hohzattag as wiar a Palmösel!“ In Schwaben agt man' Machst a Gsiclu wie der Palmcel (— ein dumm hochmütiges Gesidit) Im 16. Jahrhundert war „Palmesel“ ein Schimpfwort oder Schimpfname, nämlich: „ein rechter Palmesel! = ein grober, ungeschickter Mensch. Im Elsaß nennt man einen lölpischen Menschen so. — Die Kontroversprdigten zu Augsburg nannte man „Palmeselpredigten!“ Im Schwäbischen wurde „Palmesel“ auch für Konkubine gebraudit. Da der Palmesel nur einmal im Jahr aufgeführt wird, bildete sich im Volksmund audi daraus eine feste Redensart. Abraham a saneta Clara meint: „Die Rechtlichkeit und der Palmesel kommen jährlidi nur einmal ans Licht.“

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