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Paul von Hindenburg

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Dieses Gedenkblatt soll keineswegs eine Epopöe auf den „Sieger von Tannenberg“ oder den „Marschall Vorwärts“ des 1. Weltkrieges sein, es soll vielmehr in schlichtem Ernst nadizuweisen versuchen, daß das Leben und Wirken Paul von Hindenburgs einen letztlich tragischen Übergang darstellt vom Zweiten zum Dritten Reich. Tragisch deshalb, weil Hindenburg nicht zu den eigentlichen Trägern der bismarckschen und der wilhelminischen Ära gehört und weil er auch — was noch zu zeigen sein wird — im tiefsten Herzen kein Freund jener Bewegung war, die über ihn hinweg, aber mit dem ganzen Kredit seines Namens die Macht in Deutschland zu gewinnen wußte. Hindenburgs Jugend hegt — historisch gesehen — zwischen Oimütz und Königgrätz, also zwischen den zwei Dezennien des immer klareren Kampfes zwischen Österreich und Preußen um die Vorherrschaft im Reich. Er erhält bei Sadowa seine Feuertaufe und nimmt als junger Adjutant an der Kaiserproklamation in Versailles teil. Dann geht er den nicht außergewöhnlichen Weg des tüchtigen Generalstäblers und Truppenführers bis Zum Korpskommandanten. Als 1906 der geniale Erbe Moltkes, Alfred Graf Schlieffen, von der Leitung des Großen Generalstabs scheidet, wird unter seinen eventuellen Nachfolgern auch der General von Hindenburg genannt, von Wilhelm II. aber mit der bezeichnenden Bemerkung abgelehnt, daß er zu wenig aus sich zu machen verstehe. 1911 tritt Hindenburg (ähnlich wie früher der um vieles glänzendere Waldersee) nach einer ebenso sachlichen wie eben übel vermerkten Manöverkritik in den Ruhestand.

Seine Rückberufung im Augenblick höchster Gefahr, als Mitte August 1914 die langgestreckte Ostgrenze des Reiches vom Baltikum bis zum Riesengebirge dem russischen Angriff freilag, ist bekannt. Der siegreiche Feldherr gewinnt innerhalb eines Vierteljahres den Marschallstab und dazu eine Popularität, die der schweigsame Arbeiter in keiner Weise gesucht oder erwartet hat. Wilhelm IL, der im Laufe des Weltkrieges schnell altert und dabei viel von seinem früheren, aillzu forschen Elan verloren hat, läßt dem Retter seiner Ostprovinzen alle Ehre zuteil werden, tritt aber nur ungern hinter der massigen, kantigen Figur dieses so gar nicht biegsamen Ostpreußen zurück. Das fehlende innere Übereinstimmen zwischen dem Kaiser und dem Feldmarschall hat ein Kriegsberichterstatter einmal nicht unzutreffend gekennzeichnet:

„Einmal sah ich Hindenburg längere Zeit mit dem Kaiser zusammen; es war in Wilna.

Der Kaiser sprach 'lebhaft mit dem Bischof bei Besichtigung der Kathedrale. Er sprach über den Stil der Leuchter, die man ihm zeigte, und wußte viel über den dunklen Ton eines Bildes des hl. Sebastian zu sagen. Hindenburg sprach kein Wort. Als die beiden später zusammen im Auto saßen, ging aus irgendeinem Grund der Motor nicht gleich an. Der Kaiser sah nach der einen Seite aus dem Auto, Hindenburg nach der anderen. Stumm, als ob • sie verschiedene Sprachen gesprochen hätten und wußten, daß einer den anderen nicht verstand, gar nicht verstehen konnte. Allerdings, auf dem großen Durchbruchsplan, den die Lieblinge des Kaisers, Falkenhayn und Mackensen, entworfen hatten und der den scheinbaren Erfolg, in Wirklichkeit den endgültigen Mißerfolg im Osten besiegelte, stand am Rande von Hindenburgs Hand ein ablehnendes Wort geschrieben.“

Dabei besaß Hindenburg trotz seiner Schwerblütigkeit besonders unter Kameraden und Untergebenen viel von der seltenen Kunst der Menschenbehandlung. Im Juni 1916 fand in seinem Hauptquartier eine schlichte * Feier anläßlich des 50. Jahrestages seiner Königgrätzer Feuertaufe statt. Man fand es anfänglich etwas peinlich, daß auch der österreichische Verbindungsoffizier an dieser Feier teilnehmen sollte. Doch trank ihm der Feldmarschall mit den Worten zu: „Der Krieg von 1866 war Ün Duell zwischen zwei einander gleichwertigen Gegnern, die nach diesem Kampfe als Freunde auseinander gegangen sind.“ (Wie sehr Hindenburg damit recht hatte, beweist die Geschichte, man denke nur an die edle Haltung Kaiser Franz Josephs schon während des deutsch-franzö- . sischen Krieges 1870/71.) Hindenburg bewahrte sich immer für das Erreichbare, das politisch Mögliche den Blick, um so mehr litt er unter der wachsenden Unfähigkeit in der inneren Führung des Reiches, dessen Zusammenbruch im Jahre 1918 er nicht verhindern konnte. Gerade in seiner nüchternen Haltung mußte er sich an jenem dunklen 9. November 1918 seinem kaiserlichen Herrn versagen; erst als er, der Feldmarschall, Wilhelm II. nicht mehr die unbedingte Gefolgstreue der Armee verbürgen konnte, entschloß sich der Kaiser zu seiner „Flucht“ nach Holland.

In eherner Ruhe leitete Hindenburg die Rückzugsbewegungen des deutschen Heeres in die Heimat, schwieg zunächst zu allen Stürmen diesseits und jenseits der blutenden deutschen Grenzen und zog sich in sein stilles Heim in Hannover zurück. Er lehnte den

Putschversuch Kapps ebenso ab wie die politischen Verstiegenheiten seines ehemaligen Generalquartiermeisters Ludendorff, den er einfach nicht mehr verstand. Erst nach dem Tode des 'ersten Präsidenten der Weimarer Republik leistete der 78jährige Feldmarschall dem Rufe der Mehrheit des deutschen Volkes Folge und trat an seine Spitze, daS Opfer eines aufrechten Greises, der seine letzten Lebensjahre in der Stille der Hauptstadt Niedersachsens weit ruhiger hätte verbringen können als in der Berliner Wilhelmsstraße. „Für das Vaterland beide Hände, für eine Partei werde ich alter Mann nichts mehr tun, ich kann nur nodi für das Ganze da sein“, erklärte er unmittelbar nach der Annahme seiner Wahl verschiedenen Politikern. Und doch beginnt mit der Übernahme der Reidis-präsidentenschaft Hindenburgs die tragisdie Peripetie dieses Lebens, die am 5. Marz 1933 ihren Höhepunkt erreicht. Gar baldFmpfan-den die Vertreter, der Rechten, Stahlhelm, Großagrarier und Schwerindustrie, den alten Herrn als „zu verfassungsgebunden“. Man konnte es nicht begreifen, daß der „Sieger von Tannenberg“ der „rosaroten Verfassung vom 11. August 1919“ in vorbildlicherweise die Treue hielt, bis man diesem getreuen Ekkehart des politisch und wirtschaftlich zermürbten deutschen Volkes den Oberst Düsterberg entgegenstellte, diesem homo ignotus, der ja nur als Platzhalter für den kommenden Radikalismus galt. 'Denn aus dem Gezänk zwischen Rechts und Links, vor allem aber aus der geradezu beschämenden Uneinigkeit und Unfähigkeit der konservativen Kreise, erwuchs das Übergewicht der Nationalsozialisten, wurde Hindenburg zu dem folgenschweren Entschluß veranlaßt, Hitler mit der Regierungsbildung zu betrauen.

Nodi um die düstere Jahreswende von 1932 auf 1933 glaubte die engste Umgebung Hindenburgs, dem deutschen Volke diesen Weg ersparen zu können, so allen Ernstes der damalige Reichskanzler General Schleicher, so vielleicht auch noch der Vizekanzler Franz von Papen. Vor allen Dingen ahnte man keinesfalls die Gründlichkeit, mit der sich der Nationalsozialismus die'Macht sichern sollte. Man ging ja anfangs auch mit einiger Behutsamkeit vor, betonte vor allem dem nunmehr bereits 86jährigen Reichspräsidenten gegenüber die Pflege altpreußischer Traditionen, fing mit dieser Haltung die konservativen Kreise ein, um sie dann so bald als möglich gleich, oder abzuschalten. Dazu konnten die neuen Machthaber damit rechnen, daß die Tage Hindenburgs doch gezählt waren, er starb ihnen ja auch sehr gelegen bereits am 2. August 1934. Heute wissen wir, daß die nationalsozialistische Propaganda nicht einmal vor dem großen stillen Toten der Nation haltmachte, indem sie sein Testament zu ihren Gunsten und für ihre Zwecke änderten. Hiedurch erfuhr die anfangs angedeutete Tragik dieses Lebens ihren letzten düsteren Abschluß, den auch das großartige Staatsbegräbnis in Tannenberg nicht zu ändern vermochte.

Der Nimbus von Tannenberg ist verweht, seit ungefähr einem Jahr ruht das Sterbliche Hindenburgs neben den Särgen Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs II. von Preußen im Nordwestchor der Elisabethkirche zu Marburg an der Lahn, nachdem amerikanische Besatzungstruppen diese Särge in einem Salzbergwerk in Thüringen aufgefunden hatten. Die Geschichte wird den Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg niemals von dem historischen Fehler freisprechen können, daß er doch Adolf Hitler in den Sattel geholfen. Bismarck selbst hat einmal das harte Wort von den „politisierenden Generalen“ gesprochen, die „neben dem deutschen Kreisrichter und dem deutsdien Professor“ am ungeeignetsten seien für das „politische Gewerbe“. Leider hat der ehrwürdige Reichspräsident von Hindenburg dieses Wort in verhängnisvoller Weise bestätigt, mag ihm auch das volle Maß der Verantwortung nicht mehr zuzumessen sein. Sein politischer Blick hatte mit zunehmendem Alter jene Trübung erfahren, die notwendig war, um dem übersteigerten System, das sich aus dem Zweiten Reich entwickeln mußt*., den Weg zu ebnen. Dieser getrübte Blick wurde noch einmal • in der glanzvollen Inauguration der neuen Macht über dem Grabe des „großen Königs“ (5. März 1933) vorsätzlich geblendet, um dann langsam zu verdämmern. Gerade darin liegt die tiefste Tragik im Leben und Schaffen Paul von Hindenburgs, das seine großen Augenblicke hatte, das aber ob dieses Ausklanges im Zwielidit bleibt. Dies auszusprechen ist Pflicht einer objektiven Rückschau, die vom Gedenken zu Hindenburgs 100. Geburtstag ihren Anlaß genommen.

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