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Prügelknabe: Kurie

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Der Primas von Belgien, Erzbischof von. Mecheln, Kardinal Suenens, richtete vor kurzem einen vehementen Angriff gegen die römische Kurie des Papstes. Das Echo war gewaltig. Neben vielen zustimmenden Urteilen, die der Kardinal erhielt, meldeten sich auch so manche negative Kritiken, die das Vorgehen des Kardinals tadelten. Wenn der Kardinal schön Kritik an der Kurie übe, dann möge er es nicht in aller Öffentlichkeit tun. Aus den meisten Stimmen war aber zu erkennen, daß das Vorgehen des Kardinals mehr Zustimmung als Ablehnung fand. Eine Erscheinung, die sich in der Kirchengeschichte fast immer wiederholte: Wer gegen die Kurie loszog, konnte meistens sicher sein, ein positives Echo zu finden.

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Der Primas von Belgien, Erzbischof von. Mecheln, Kardinal Suenens, richtete vor kurzem einen vehementen Angriff gegen die römische Kurie des Papstes. Das Echo war gewaltig. Neben vielen zustimmenden Urteilen, die der Kardinal erhielt, meldeten sich auch so manche negative Kritiken, die das Vorgehen des Kardinals tadelten. Wenn der Kardinal schön Kritik an der Kurie übe, dann möge er es nicht in aller Öffentlichkeit tun. Aus den meisten Stimmen war aber zu erkennen, daß das Vorgehen des Kardinals mehr Zustimmung als Ablehnung fand. Eine Erscheinung, die sich in der Kirchengeschichte fast immer wiederholte: Wer gegen die Kurie loszog, konnte meistens sicher sein, ein positives Echo zu finden.

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Die Klagen gegen die Kurie sind uralt. Sie springen von Zeit zu Zeit immer wieder auf. Die Klagen gegen die Kurie sind fast so alt wie die Klagen der Diplomaten über ihre schlechte Bezahlung. Die Klagen gegen die Kurie reduzieren sich im allgemeinen auf folgende Punkte:

• die Kurie wird als Quelle allen Zentralismus innerhalb der Kirche angesehen;

• die Kurie, die zum größten Teil aus Italienern besteht, wird als eine rein welsche Institution innerhalb der internationalen Kirche bezeichnet;

• der Kurie wird vorgeworfen, daß sie durch einen ungeheuren Wust von Paragraphen und Formeln das lebendige Christentum so einzufan-gen suche, daß es zu ersticken drohe;

• der Apparat der Kurie sei so mächtig, daß viele Päpste ohnmächtig gegenüber dieser Kurie seien und alle ihre Reformversuche an der eisernen Disziplin dieses Corps zu-schanden würden;,

• durch die Kurie,,würden die Reformen der Kirche verzögert oder zunichte gemacht. ' ~

Es ist ein großer Lasterkatalog, der immer wieder gegen die Kurie geltend gemacht wurde. Die Vorwürfe kommen allerdings in erster Linie von Bischöfen und Priestern, selte-

ner von Laien. Dies ist auch begreiflich, denn die wenigsten Laien — Regierungen, Ordensjäger und Katholiken, die eine Ungültigkeitserklärung ihrer Ehe wünschen, vielleicht ausgenommen — kommen in direkten Kontakt mit der Kurie und haben somit einen Grund zu Beschwerden. Interessant ist auch die Tatsache, daß die großen Reformer innerhalb der Kirche, wie ein Franz von Assisi, ein Ignatius von Loyola, ein Franz von Sales, ein Pfarrer von Ars niemals einen Kreuzzug gegen die Kurie predigten. Denn diese Heiligen wußten nur zu gut um eine Tatsache: Eine Reform der Christenheit geht fast nie von der Kurie aus, dagegen wirkt sich eine Reform der Christenheit immer auch auf die Kurie aus. Denn diese scheinbar so absolute und in sich geschlossene Kurie ist doch sehr empfänglich für die Kundgebungen der öffentlichen Meinung und geht an diesen gar nicht so ohne weiteres vorbei wie es oft den Anschein hat. Wer die Geschichte der Kurie über-1 blickt, bemerkt- die Tatsache, daß doch fast jeder Papst Neuerungen bei der Kurie einführte. Diese Neuerungen haben sehr oft den Charakter einer Reform, oft sind sie auch nur zeitgemäße Ergänzungen, denn ein solches Instrument, wie es die Kurie

darstellt, kann nicht durch alle Jahrhunderte völlig gleich dahinleben, sondern muß sich auch den geänderten Verhältnissen der Welt anpassen.

Natürlich gibt es in einem solchen Apparat, wie ihn die römische Kurie mit ihren Kongregationen (Ministerien), Ämtern und Gerichtshöfen darstellt, auch Versager. Aber die gibt es in •allen Ministerien ebenfalls. Gewiß gab es im Lauf der Zeit auch an der Kurie sehr bedauerliche Erscheinungen, aber dies geschah fast immer in Zeiten, in denen die Kirche überhaupt im argen lag. Denn die Kurie — dies darf nicht vergessen werden — ist nur zu oft ein Ausdruck der Zeit, und jede Zeit hat die römische Kurie, die sie verdient. Die Wahrheit gebietet festzustellen, daß die römische Kurie in ihrer heutigen Verfassung sich in einem ungewöhnlich guten Zustand befindet. Während Italien vielfach von Korruption heimgesucht ist, wird durch sehr rigorose Bestimmungen die Korruption an der „Kurie fast völlig unterbunden. Im Gegenteil, es hat den Anschein, alsob die alten römischen Tugenden der großen Verwaltungskunst eine letzte Zuflucht innerhalb der römischen Kurie gefunden hätten.

Johannes XXIII. ließ die Gebarung der Kurie durch eine amerikanische Firma überprüfen. Das Urteil dieser Firma sagte, daß die Kurie sich in einem hervorragenden Zustand befinde und zu den bestfunktionierenden Apparaten der Welt gehöre.

Regierung einer Welt

Wer die Kurie beurteilt, darf vor allen Dingen folgende 'Gesichtspunkte nicht' außer acht lassen: Von Rom aus wird eine Kirche regiert, die ihre Arme um die ganze Welt streckt. Man denke an die riesigen Beamtenapparate, die selbst in kleinen Staaten.vorhanden sind, oder an die riesigen Beamtenapparate,

die internationale Organisationen sich geschaffen haben. Denen gegenüber ist der Apparat der Kurie sehr klein. Und gegenüber den internationalen Organisationen bezahlt die Kurie ihre Beamten mit wirklich niederen Gehältern. Der Vorwurf, daß die römische Kurie somit ein riesiger Apparat sei, der mehr hemme als fördere, fällt somit in sich zusammen. Ihre Kleinheit ist eher ein Hemmschuh, da nicht alle Akten genügend rasch erledigt werden können.

Und was den sogenannten Zentralis-

mus der Kurie betrifft, sei hier auf ein Wort eines Kardinals verwiesen, der als Teilnehmer am Zweiten Vatikanischen Konzil eher als ein Progressiver galt. Er sagte nämlich, als die Bischöfe das Recht erhielten, sehr viele Dinge direkt zu entscheiden, daß es von nun an statt eines römischen Zentralismus 25000 Zentralismen geben werde (und damit meinte er die Kurien der Bischöfe), und diese Zentralstellen würden wahrscheinlich viel weniger gut funktionieren als der bisher so angeprangerte römische Zentralismus.

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