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Romantik

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Romantiker aller Schattierungen geraten in Entzücken, wenn sie das Wort „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“ gebrauchen. Es klingt so berauschend, dieses Wort. Gelegenheit, sich diesem süßen Rausch hinzugeben, gab es in letzter Zeit genug. Denn vor 600 Jahren, am 10. Jänner 1356 wurde die „Goldene Bulle“ durch Kaiser Karl IV., den Luxemburger, erlassen. Und die Gedenkartikel, die mit Recht diesem großen Ereignis gewidmet wurden, konnten es selten vermeiden, dieses schöne, sehnsuchtsvolle Wort zu gebrauchen „Heilig ... römisch ... deutsch.., Nation“. Wenige dieser Artikelverfasser können allerdings die „Goldene Bulle“ wirklich in der Hand gehabt haben, denn diese kennt nur ein „sacrum imperium Romanum“, ein „Heiliges Römisches Reich“. Der Titel „Heiliges Römisches Reich Deutseher Nation“ kam zum erstenmal im 15. Jahrhundert auf und war erst seit Anfang des 16, Jahrhunderts ständig in Gebrauch. Mit diesem Titel wurde aber nichts anderes bezeichnet, als jener Teil des Heiligen Römischen Reiches, der von Deutschen bewohnt war. Erst im 17. Jahrhundert verwendeten die Publizisten diesen Titel, um damit anzudeuten, daß das Römische Reich von Deutschen regiert werde. Amtlich aber gab es immer nur ein Heiliges Römisches Reich und einen imperator Romanus, einen römischen Kaiser. Die Krone, die in der Wiener Schatzkammer aufbewahrt wird, ist die römische Kaiserkrone und nicht die deutsche Kaiserkrone. Dieses Römische Reich wurde regiert vom römischen Kaiser. Kaiser war, wer vom Papst zum Kaiser gekrönt worden war, später, wer in Frankfurt am Main vom Kurfürsten von Mainz zum Kaiser gekrönt wurde. Gekrönt wurde, wen die deutschen Kurfürsten zum deutschen König wählten, der somit eine Art Anwartschaft auf den Kaisertitel hatte. Gewählt mußte nicht ein Deutscher werden, Richard von Cornwallis und Alfons von Kastilien sind ein Beweis dafür. Nach dem Tode Maximilians I. bewarben sich der englische König (Heinrich VIII.), der französische König (Franz I.) und der spanische König (Karl I.) um die Gunst der Kurfürsten. Das Rennen um die Wahl machte der spanische Karl, der als Karl V. zum Kaiser gekrönt wurde.

Im Kurfürstenkollegium waren gewiß nur Deutsche, wenn man von den Przemysliden absieht. Doch vertrat dieses Kollegium fast die ganze damalige Welt, denn der Kurfürst von Mainz war Kanzler von Deutichland, der Kurfürst von Köln war Kanzler von Italien, und der Kurfürst von Trier Kanzler von Frankreich und Burgund, während der böhmische König zumindest teilweise die slawische Welt vertrat. Auch im Kardinalskollegium saßen im Mittelalter fast nur Italiener und wählten sehr oft einen Italiener zum Papst, aber noch niemandem ist ei eingefallen, deswegen von einer „Heiligen römischen Kirche italienischer Nationalität“ zu sprechen.

Das sacrum Imperium Romanum war kein nationales Reich, sondern ein übernationales. Die Idee dieses Reiches war eine sehr große, die freilich nur zum Teil verwirklicht wurde. Der Titel Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation macht daraus eine nationale deutsche Angelegenheit und verwässert somit diese Idee. Aber die Romantiker werden dies alles nicht begreifen, denn sie wollen es nicht wahrhaben. Leider.

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