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Sainf-Exupery, wie ich ihn kannte
Didier Daurat, dem Saint-Exupėry sein berühmtes Buch „Vol de nuit" widmete und den er sich bei der Figur des Chefs Riviėre zum Vorbild nahm, ist heute Leiter des Flugplatzes Von Orly. Bei ihm hat Saint-Exupery seine Laufbahn als Flieger begonnen.
Ich begegnete Saint-Exupėry im Jahre 1926 in Toulouse zum ersten Mal. Vor mir stand ein junger Mann mit eckigem Gesicht, kräftigem Körper und sanften Augen. Sein Benehmen war vornehm und zugleich bescheiden.
Zuerst wußte ich nicht, was ich von ihm als Pilot halten sollte, denn sein Flugbuch war schmal, und wenn auch seiner Person ein unbestreitbarer intellektueller und moralischer Adel anhaftete, so schien er eher ein Träumer als ein Tatenmensch zu sein. Aber die Prüfungen, denen er unterzogen wurde, erbrachten den Beweis, daß er ein ausgezeichneter Flieger war, daß er Anlagen besaß, die wert waren, daß man sie entwickelt. Bei seiner ersten engeren Bekanntschaft mit seinen Kameraden, unseren Mechanikern vom Außendienst und von der Werkstatt, die eine schwere Arbeit zu verrichten hatten, zeigte er eine Unmittelbarkeit der Gefühle, die den Männern, die im harten täglichen Dienst standen, als eine naive Arglosigkeit erscheinen mochte.
Die jungen, bereits geübten Piloten empfingen ihn herzlich wie jeden Neuen, der zu unserer Mannschaft kam, doch im allgemeinen nahmen sie diesen sympathischen Kameraden wegen seiner Ausgelassenheit, seinen Bohemienallüren, seiner Originalität und seines manchmal kapriziösen Charakters nicht ganz ernst.
Gewiß hat Saint-Exupery damals eine schwere Bewährungsprobe durchgemacht, die seine ausgeprägte Vorliebe für die Fliegerei in eine Leidenschaft verwandelte. Mit Eifer suchte er an Wissen zu erwerben, was ihm noch fehlte: jenen Orientierungssinn in der Luft, den ihm die anderen. Flieger nicht zugestanden, Maschinenbau, Ärodynamik, exaktere Kenntnisse der Luftschiffahrt und auch die Geographie der Flüsse und der Küsten, die unsere Mannschaften bereits so gut kennengelernt hatten. Mit großer Begeisterung und ebenso großer Ungeschicklichkeit ging er trotz seiner gepflegten Hände an die Demontage der öligen Motoren, eine Arbeit, die zu der Zeit alle unsere Piloten erlernen mußten. Sie wurden so auf eine harte, aber wirksame Art mit einem Mechanismus vertraut, den sie sehr gut kennen mußten, um die damals allzu häufigen Pannen nicht ziu fürchten. Bald verwandelten sich seine Hände in die eines Technikers und Schwerarbeiters, und ich nahm es als Beweis, daß Saint-Exupery sich Hals über Kopf in diie Arbeit gestürzt hatte. Da erkannte ich auch, daß er jeder
Schwierigkeit und jeder Prüfung dank seiner unerschöpflichen Willenskraft gewachsen sein würde.
Seit der Eröffnung unserer Verbindungsstrecke Casablanca — Dakar mußten wir außerordentliche Schwierigkeiten überwinden: sie lagen an den Menschen, am Material und an den schwachen Mitteln, über die das Flugwesen damals verfügte.
Wir machten dramatische Tage durch, verloren eine unserer besten Mannschaften, gerade als wir vermeinten, die Sicherheit der Piloten verstärkt zu haben, indem wir jede unserer Maschinen durch einen Araber als Dolmetscher begleiten ließen. Aber das Weiterbestehen der Linie selbst, die Sicherheit unserer Kuriere, unserer Flieger und unserer Funker hing von dem der Zwischenlandung in Fort Juby ab. Cap Juby ist ein wüster, einsamer Ort am Rande der Wüste, ein Wachposten der Spanier, den sie zu einem Fort ausgebaut haben. Unsere Situation war dort sehr heikel, denn die Benützung des Landungsplatzes war voll und ganz von den spanischen Behörden abhängig, und unsere Mannschaft riskierte ihr Leben, wenn sie sich einige Meter Weit vom Fort entfernte.
Dort, bei dem als unbezwingbar geltenden Fort, wohnte oder vielmehr kampierte Saint-Exupery in einer notdürftigen Baracke, die wir von Toulouse aus hingebracht und so gut wie möglich aus- gebaut hatten. Ihre Türe ging direkt in die Wüste hinaus, in der es bei Tag nichts als Sand und Sonne und bei Nacht nichts als die Sterne gab ...
Von der Welt abgeschnitten, mit einem alten Pyjama bekleidet, mit ein paar Kisten als Mobiliar, auf jede Bequemlichkeit verzichtend, an die er doch von Jugend an gewöhnt war, lebte Saint- Exupery achtzehn Monate lang in der Einsamkeit. Nach einigen Monaten seines Aufenthaltes ließen die Spanier als eine Art Ehrenbezeigung ihre und unsere Flagge hissen, wenn ein französisches Flugzeug landete, und die Häuptlinge der unbezwungenen Stämme kamen herbei, um ihren Freund, den großen weißen Marabu, willkommen zu heißen.
Saint-Exupėry verstand es, die besten Gefühle in allen Menschen zu wecken, mit denen er zu tun hatte, und trotz der scheinbaren Widersprüche zwischen ihren Interessen und den unseren, gelang es ihm stets, die Kluft zu überbrücken.
Was hat er in deT Einsamkeit der Wüste gelernt?
Er lebte hier getrennt von seinen Lieben, weit vom kleinen und großen Vaterland. Das Exil bringt es am deutlichsten zutage, wie stark man mit dem H&imat- boden verbunden ist. Er hatte freiwillig auf all das verzichtet, was das Leben schön und angenehm macht, auf alle materiellen Güter, die für viele Menschen das Leben bedeuten. Hier in der Wüste blieb ihm nichts anderes als einsame Träumerei und die Betrachtung der Sterne, die innere Musik, die manche Stunde ganz von selbst
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