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Steiermarks Gottessaat

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Gerade gegenüber der vor 500 Jahren von Kaiser Friedrich III. erbauten Hof- und Domkirche in Graz erhebt sich ein altes, mächtiges Gebäude, das den größeren Teil der Hofgasse und einen großen Teil der Bürgergasse flankiert. Aus den Inschriften über den beiden Portalen: „Universitas Mariana“ und „Colendis juvenum ingeniis moribus“, ist die Bestimmung dieses Hauses leicht zu erraten. Erzherzog Karl II. hat hier im Jahre 1573 zur katholischen Restauration Innerösterreichs ein Jesuitenkollegium mit einem Studium generale gegründet, das Akademie, Gymnasium und Hochschule umfaßte. Die Hochschule wurde von Papst Sixtus V. und Kaiser Rudolf II. bestätigt und mit allen Rechten einer Universität ausgestattet. Bei der Eröffnung im Jahre 15 86 zählte sie 363 Hörer, steigerte aber die Zahl bis zum Jahre 1749 auf 1400. Auch der spätere Kaiser Ferdinand II. war als Prinz immatrikulierter Hörer. Bis zur Aufhebung der Gesellschaft Jesu im Jahre 1773 bildete diese Hochschule insgesamt 32.489 Kleriker und Laien aus. Sie kamen nicht nur aus Innerösterreich, sondern auch aus Deutschland, Ungarn, Polen, Kroatien, sogar aus Skandinavien. Eine große Zahl bedeutender Männer des Welt- und Ordensklerus, der Wissenschaft, des Heeres und der Staatsführung verdankte dieser Schule ihre Ausbildung. Viele ehemalige Schüler gingen in überseeische Missionen. Der größte Stolz des Hauses waren die Blutzeugen, die einst in dieser Anstalt lebten und studierten: der Schotte Johannes Ogilvie (f 1615), der Märtyrer des Beichtgeheimnisses, Johannes Sarkander (f 1620), der in Kaschau ermordete Graner Domherr, Markus Crisinus (f 1619), der Ungar Stephanus Pongracz und der Bürgermeister von Upsala, Zacharias Anthel.

Berühmte Rektoren und Lehrer wirkten an dieser Hochschule. Einer der bekanntesten ist P. Peter Päzmäny, Professor für Philosophie und Theologie, später Primas von Ungarn und Führer des ungarischen Katholizismus im Anfang des 17. Jahrhunderts. Von einer weiteren Berühmtheit kündet eine Gedenktafel am Eingang der alten Universität: Josef von Liesganig, der große Mathematiker und bahnbrechende Forscher auf dem Gebiete der Meridiangradmessung. Er ist-in Graz geboren am 12. Februar 1719 und starb in Lemberg am 4. März 1799. Auf der hohen, einstigen Sternwarte an der Westfront des Kollegiums oblag-er seinen Forschungen. In diesem Hause lehrten der Humanist Avancini und der Kanonist und spätere Kardinal Nidthard. *

Nach der Aufhebung der Gesellschaft Jesu wurde die Universität mit meist neuen Professoren weitergeführt und durch die Errichtung einer juridischen und medizinischen Fakultät erweitert. Sie verblieb in diesem Hause bis zur Vollendung der neuen Universität im Jahre 1895.

Das Jesuitenkolleg aber blieb einige Zeit unbesetzt, beherbergte von 1783 bis 1790 das Generalseminar und nach seinem unrühmlichen Ende ein Konvikt und Lyzeum.

Neue Bedeutung erhielt das Gebäude, als Kaiser Franz I. am 2. Juni 1808 bewilligte, daß das bischöfliche Seminarium, das seit der Aufhebung des Generalseminars in einem ungenügenden Orte beim Stadtpfarrhof untergebracht war, in das ehemalige Jesuitenkollegium übersetzt und daß ihm genügend Raum nach dem systemisierten Bedarf des geistlichen Nachwuchses für die neuregulierte Seckauer Diözese zugewiesen werde.

Heuer sind es 150 Jahre, daß das bischöfliche Priesterseminar in diesem altehrwürdigen Hause Unterkunft - bekommen-hat. Es waren im allgemeinen Jahre friedlicher Arbeit und ernsten Aufwäftsstrebens. Schwere Schläge erhielt das Seminar durch das nationalsozialistische Regime, als ihm der größte Teil seines Raumes genommen und zwanzig, Parteien einquartiert wurden. Küche und Refektorium dienten fremden Zwecken. Die theologische Fakultät an der Grazer Universität war geschlossen, die meisten Theologen standen im Kriegsdienst. 21 sind gefallen. Bei einem Fliegergroßangriff am Allerheiligentag schlug eine Sprengbombe in den Westtrakt ein und machte bis in den zweiten Keller großen Schaden. Das Mauerwerk war in einer Höhe von zwölf Metern und in der Breite von acht Metern aufgerissen, und bald stürzten auch die überhängenden und benachbarten Partien in die Tiefe. Mit vielen Kosten sind nun die Schäden behoben, das Innere des Hauses ist renoviert und vielfach modernisiert, nur das Aeußere wartet noch auf eine dringend notwendige Erneuerung.

Von den Direktoren ist der berühmteste, Dr. Josef Büchinger, der vom Jahre 1843 bis 1886, also durch 52 Jahre, die Anstalt mit fester Hand leitete. Nicht minder bedeutend waren seine Spirituale: Dr. Alois Schlör und Adalbert Schmid. Auf dem Grabstein des ersteren stehen die Worte: „Ein erleuchteter Geistesmann, sich selbst und der Welt abgestorben, durch Wort, Schrift und Wandel allen ein treuer Führer auf der Bahn des Heiles.“ Diese drei Männer haben wesentlich das Antlitz der Diözese Seckau geformt.

Der eigentliche Reformator des Grazer Priesterseminars war aber der frühere Wiener Dogmatikprofessor, Fürstbischof Roman Sebastian Zähgerle (1824 bis 1848), der seine wichtigste Aufgabe in der Erziehung eines vorbildlichen Klerus sah. Er war. ein Schüler des heiligen Klemens Maria Hofbauer. Im Gegensatz zur Zeit der Aufklärung, die sich auch bei den Alumnen bemerkbar machte, war seine Devise: pietas, scientia, eloquentia (Frömmigkeit, Wissen, Beredsamkeit). Darauf baute er auch die Statuten auf, die er am 3. Oktober 1839 der Anstalt gab. Jede Woche war der Fürstbischof wenigstens einmal bei seinen Theologen und hielt ihnen Vorträge. Mit allen Anliegen kamen sie zu ihm. Zängerle ist auch der Begründer der Seminarbibliothek, die jetzt mehr als 15.000 Bände zählt.

In den 150 Jahren sind gegen 2500 Priester für die Diözese herangebildet worden. Viele klingende Namen sind unter diesen. Es seien nur einige genannt, die weit über die Grenzen der Diözese hinaus Berühmtheit erlangt haben: Dr. Anton Faist mit seinen bekannten Lieder-und Meßkompositionen; der Kunsthistoriker Dr. Johann Graus; die Bibelwissenschaftler Doktor Franz Pölzl und Dr. Franz Gutjahr; die Rechtswissenschaftler' Dr. Rudolf Ritter von Scher er und Dr. Franz Haring; der Erfinder der Zeitlupe des Kinos, Professor August Musger; der große heiligmäßige Missionär und Marienprediger P. Hyazinth Schönberger OP.; bahnbrechend auf sozialem Gebiete waren Franz Legwarth und Johann Wöhr. Von letzterem wurde der erste Arbeiterverein Oesterreichs 1866 in Aussee gegründet. Genannt seien noch die großen Kämpfer gegen Liberalismus und Marxismus: Alois Karion und Karl Seh :hler. Unter dem Namen Fridolin von Freithal wurde der Dechant von Schröder als bedeutender Volksschriftsteller bekannt.

Die bischöfliche Würde erlangten von den einstigen Alumnen: Dr. Ottokar Maria Graf Schuster, Fürstbischof von Seckau 1893 bis 1867; Dr. Jakob Missia, Fürterzbischof von Görz und Kardinal 1899; Dr. Josef Kahn, Fürstbischof von Gurk 1887; Dr. Leopold Schuster, Fürstbischof von Seckau 1893 bis 1927; DDr. Alois Hudal, Thronassistent Seiner Heiligkeit, TJtularbischofc vomAela..' rws mo

sÄüs der Jesuitenzeit sind manche Kostbarkeiten in unsere Zeit herübergerettet worden. Vor allem ist es das prächtige Refektorium mit seinen alten Stukkos. Es stammt aus dem Jahre 1606. Wegen Einbruchgefahr mußte die Decke vor 60 Jahren erneuert werden. Zwei Prunkstiegen, die aber nach einer Renovierung rufen, zeigen von alter Pracht. Schöne Stukkaturarbeiten finden sich auch in der Seminarkapelle, und zwei Bilder vom Jesuitenlaienbruder Franz Stecher: Immakulata und Sankt Aloisius.

Bis jetzt ist das alte Jesuitenkollegium Eigentum des Staates. Die Verhandlungen Seiner Exzellenz des hochwürdigsten Herrn Diözesan-bischofs Dr. Josef Schoiswohl mit den zuständigen Ministerien, das Gebäude käuflich für die Diözese zu erwerben, verlaufen so günstig, daß wir hoffen können, bis zum Jubiläum am 1. Mai bereits im eigenen Hause wohnen zu können.

Reich erfüllen aber möge sich vor allem der Wunsch auf der Stirnseite der Festschrift: Heimstatt von Wissen und Tugend zum Heiligtum wallender Jugend:

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