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Tycho de Brahe und Johannes Kepler

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Der Kalender erinnerte kürzlich an zwei Männer, deren Geburtstage säkulare Zeitabschnitte von uns trennen und deren Forschertätigkeit gerade auf altösterreichischem Boden in bewegter Zeit zu jenen glanzvollen Ergebnissen führte, denen die moderne Astronomie ihre Grundlagen verdankt.

Tycho de Brahe, ein dänischer Edelmann, wurde am 14. Dezember 1546, also vor 400 Jahren, zu Knudstrup geboren und studierte in Kopenhagen und Leipzig Rechts- und Staatswissenschaft. Durch das Eintreffen der für den 21. August 1560 vorausgesagten Sonnenfinsternis veranlaßt, wandte er sich dem Studium der Sternkunde zu. Als Erbe eines bedeutenden Vermögens und gefördert durch die Gunst seines Königs, errichtete er auf der Insel Hven eine Sternwarte, die er Uranienburg nannte. Hier betrieb er mit seinen astronomischen Apparaten, die er ständig verbesserte, eine ausgedehnte Beobachtung und Messungen. 21 Jahre lebte er dort in ruhigen Verhältnissen. Als sein Gönner, Friedrich IL, starb, verleideten ihm Neider das Sein in seinem Vaterlande so sehr, daß er Dänemark verließ und, nach Reisen in der Schweiz und Italien, dem Rufe des Kaisers Rudolf II. folgte und sich in dessen Residenz in Prag niederließ. Nach nur zweijährigem Aufenthalt in Prag starb er am 24. Oktober 1601 und hinterließ seinem Mitarbeiter und Freunde Kepler seine kostbaren Instrumente. Zum größten Teile sind diese später in der Schlacht am Weißen Berge vernichtet worden. Nur ein großer Sextant wird noch in Prag gezeigt, der angeblich zu jener Erbschaft gehört habe, es ist aber sehr fraglich, ob nicht der eigentliche tychonische Sextant, wie P. Dr. Richard Rankl in dem jüngsten Kremsmünster Gymnasialprogramm (1946) dargetan, sich tatsächlich in Kremsmünster befindet.

Brahe war ein Meister der Beobachtungskunst. Die Genauigkeit seiner Messungen übertraf bei weitem die seiner Zeitgenossen und der Sternkatalog, den er anlegte, stellt den Hipparchschen völlig in den Schatten. 1572 entdeckt er eine Nova (neuen Stern) in der Kassiopeia. Seine Kometenbeobachtungen veranlaßten ihn, energisch dem Aberglauben über diese Gestirne entgegenzutreten. Ganz besonders bildeten seine Aufzeichnungen über die Planetenbahnen, vor allem über die Marsbahn, Veranlassung und Grundlage zur späteren Entdeckung der Planetengesetze durch Kepler. Auch die literarische Tätigkeit Brahes ist bedeutend. Er zeigte sich als Anwalt der Lehre des Koper-nikus, wiewohl ihm die Schwächen, die ihr noch anhafteten, nicht unbekannt waren. Zwar wird ihm eine eigene Planetentheorie zugeschrieben, nach der sämtliche Planeten mit Ausnahme der Erde um die Sonne kreisen, die Sonne aber mit ihnen um die Erde. Es liegen aber sehr wenig Anhaltspunkte dafür vtor, daß diese falsdie Theorie von ihm herrühre; dodi zwei seiner Schüler madien Anspruch auf die Urheberschaft.

Es gibt ganz eigenartige Parallelismen in der Kulturgeschichte des Abendlandes. Zu den Füßen des Albertus Magnus sitzt sein Schüler Thomas von Aquin, der große Theologe und Doctor ecclesiae. Als 16jäh-riger Jüngling kommt Regiomontanus an die Universität in Wien und findet in Georg von Peuerbach jenen Lehrer und späteren Freund, von dem er eine Fülle von Kenntnissen und Anregungen empfängt, die ihn zum Wegbereiter und Pfadfinder der Mathematik des Abenlandes machen.

In dem vor 375 Jahren am 27. Dezember 1571 in der Stadt Weil geborenen Württemberger Johannes Kepler ersteht Tycho de Brahe ein Gehilfe und Nachfolger, der in ernster Arbeit und mit genialischem Schwung aus seinen genauen Beobachtungen den Lichtgedanken zu seinen Planetengesetzen schöpfte.

Kepler, durch ein Stipendium zur Theologie verpflichtet, nahm nach Vollendung seiner Studien an der Universität Tübingen eine Lehrstelle an der steirischen Landschaftsschule in Graz an, da ihn seine Glaubensgenossen in der Heimat ob seiner versöhnlichen Haltung für den Kirchendienst nicht geeignet hielten. Als Lehrer der Mathematik hatte er auch den Kalender zu machen und in ihm außer Festfolge und Lauf der Gestirne auch Wettervorhersagen und nicht zuletzt astrologische Prädiktionen kommender Ereignisse einzufügen. Er war dabei so glücklich, daß die von ihm vorhergesagten Bauernkriege und Türken- , einfalle auch wirklich eintrafen, was ihm plötzlich große Popularität verschaffte.

In Graz ehelichte Kepler 1597 Barbara von Mühleck. Er vollendete auch dort sein erstes größeres astronomisdies Werk „Pro-dromus dissertationum cosmographicarum, continens mysticum cosmographicum“.

Als in Steiermark die Gegenreformation einsetzte und die Protestanten Graz verlassen mußten, setzten sich die Jesuitengelehrten der Universität zugunsten Keplers und seines Grazer Verbleibes ein. Doch Kepler fühlte sich auf die Dauer in dieser Ausnahmestellung nicht wohl und nahm einen Ruf Tycho de Brahes an, der ihn im Oktober 16Ö0 nach Prag führte. Hier ordnete er den Nachlaß seines frühverstorbenen Auftraggebers, sichtete dessen wissenschaftliche Aufzeichnungen und übernahm auch die Aufstellung eines Tabellenwerkes über die Planetenbeobachtungen, das Kaiser Rudolf II. Tycho übertragen hatte. Mit großer Geduld und unermüdlichem Fleiß arbeitete Kepler bis 1626 daran und gab seine Arbeit dann viele Jahre nach dem Tode seines enthronten und unglücklichen Herrn in pietätvoller Weise unter dem Namen „Rudolfinische Tafeln“ in Druck.

1609 erschien seine Astronomia Nova, die bereits die ersten zwei Gesetze über die Planetenbahnen enthielt; 1611 ein Werk Dioptrica über Fernrohre. Während der Erstürmung der Prager Kleinseite durch bayrisches Fußvolk erlebte Keplers Frau einen schweren Nervenanfall, dem sie erlag. Auch drei seiner Kinder verlor er durch die schwarzen Blattern.

1612 kam Kepler nach Linz, wo er eine Lehrstelle für Mathematik an der protestantischen Landschaftsschule angenommen hatte, da er durch das Ausbleiben seines Gehalts in Not geraten war. Durch den Hauptpastor wurde ihm hier ein unfreundlicher Empfang bereitet. Weil er einst in Tübingen die Konkordienformel nicht unterzeichnet hatte, wurde ihm das Abendmahl verweigert. 1613 schloß Kepler mit der Bürgerstochter Susanne Reutlinger aus Eferding seine zweite Ehe. Eine rege wissenschaftliche Tätigkeit ließ hier eine Reihe bedeutender Werke entstehen, von denen die Harmonices mundi und Nova stereometria doliorum vinariorum deshalb hervorgehoben werden, weil das erste das dritte Planetengesetz enthält und m dem zweiten sich bereits infinitesimale Untersuchungen vorfinden. Die Herstellung einer Landkarte Oberösterreichs führte ihn bei zahlreichen Vermessungsarbeiten in die verschiedenen Gegenden des Landes, am öftesten nach Kremsmünster und Steyr.

Schwere Sorge bereitete ihm seine Mutter, die in einen Hexenprozeß verwickelt war, aus dem er sie nur mit Mühe retten konnte.

Ein Licht auf seinen schönen und lauteren Charakter wirft der Umstand, daß er während der Belagerung von Linz durdi die Bauern unter Stephan Fadinger, dem Hauptpastor, der ihn bei seiner Niederlassung in Linz so hart angelassen hatte, Nahrung, Schutz und Unterkunft in seiner Wohnung gewährte.

1627 folgte Kepler einem Rufe Wallen-steins nach Sagan. 1630 begab er sich zum Reichstag nach Regensburg, um seine Forderungen an die kaiserliche Kasse, die bereits auf 12.000 Gulden angewachsen waren, geltend zu machen. Dort starb er an den Folgen einer Verkühlung, die er sich auf der Reise zugezogen hatte, am 15. November 1630.

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