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Unser Leben - für den Frieden

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Kostbar sind die letzten Worte eine Steuermannes am Schiffe der Kirche ehe er im Tode die Leitung einem anderen überläßt. — Die Kirchengeschichte weiß nur selten von solcher Worten zu berichten, die, in der größten Stunde eines jeden Pontifex ma-ximus gesprochen, nicht nur letzte Mahnung sind an die Herde Christi, sondern eindringlich und für viele unvergeßlich Zeugnis ablegen von dem, was Tun und Lassen eines solchen großen Vaters die langen Jahre seiner Regierung hindurch bestimmte.

Vor vierzig Jahren wurden wiederum im Sterben von einem Stellvertreter des Herrn Worte gesprochen, die uns überliefert sind und die gerade in diesen Wochen die Erinnerung an den fünfzehnten Benedikt, den vielfach vergessenen Papst der neuesten Zeit, wachrufen sollen: „Gerne opfern Wir unser Leben für den Frieden der Welt!“

Der Mann, der diese Worte am späten Nachmittag des 21. Jänner 1922 auf die Bitten seines Arztes Battistini, sich auf den Tod vorzubereiten und für den Weltfrieden zu beten, klar und deutlich gesprochen hatte, konnte auf ein Leben im Dienste der Liebe und des Friedens, besonders während seines kurzen Pontifikats, zurückschauen.

Als Sprößling eines im 13. Jahrhundert aus Savona eingewanderten und in Pegli bei Genua ansässigen markgräflichen Geschlechts studierte der junge Giacomo della Chiesa an der Universität von Genua zunächst Rechtswissenschaft, dann in Rom Theologie, wo er am 21. Dezember 1878 zum Priester geweiht wurde. — Auf Empfehlung des Kurialsekretärs Rampolla in die Kongregation für außerordentliche kirchliche Angelegenheiten berufen, wurde er 1882 Nuntius Rampolla in Madrid als Privatsekretär zugeteilt, Im edlen Lande des Cid war er nicht nur in hohen Kreisen wegen seiner umfassenden Bildung und seiner vornehmen Gesinnung sehr geschätzt, er konnte sich auch die Zuneigung der Armen erobern, was ihm bald wegen seiner Freigebigkeit den Namen eines „Kuraten der zwei Peseten“ eintrug. Besonders das Jahr 1885, in dem eine große Choleraepidemie wütete, sah ihn in aufopfernder Hilfsbereitschaft an der Seite Rampollas. — Nach der Ernennung Rampollas zum Kardinal und seiner Berufung zum Staatssekretär Ieos XIII. war der „Piccoletto“, wie Journalisten della Chiesa wegen seiner kleinen, schmächtigen Gestalt nannten, als Minutant und dann als Unterstaatssekretär im Vatikan tätig, als Priester und Diplomat, als der er sich auch auf zwei Missionen in Wien auszeichnete, sehr geachtet. — Pius X. bestätigte zwar zunächst della Chiesa auch unter dem neuen Staatssekretär Merry del Val, aber die Schule Rampollas, aus der er hervorgegangen war, wie üble Quertreibereien der integra-listischen Richtung bewirkten, daß man in ihm einen gewichtigen Vertreter der unter Merry del Val abgelehnten leonischen Politik sah und ihn am 16. Dezember 1907 zum Erzbischof von Bologna ernannte, was von ihm und vielen anderen als Kaltstellung angesehen wurde. — In Bologna blieb Erzbischof della Chiesa bis zum Jahre 1914; im letzten Konsistorium, das Pius X. am 25. Mai 1914 abhielt, erhielt er den Kardinalspurpur mit der Titelkirche Quattro Coronati. Aus dem Konklave der ersten Septembertage des Jahres 1914 ging er am 4. September — einer der „rampolli di Rampolla“ (Erben Rampollas) — als Pontifex maximus hervor.

Bereits zwei Tage nach seiner Krönung, am 8. September, legte er in seinem ersten Aufruf an die Gläubigen der ganzen Welt die Grundlinien seiner Hirtentätdgkeit, verbunden mit der Bereitschaft zur völligen Selbsthin-gabe, dar: '„ ... Jesus Christus, der Gute Hirte, an dessen Statt Wir die Kirche leiten, heißt Uns, alle, Lämmer und Schafe, mit derselben Vaterliebe zu umfangen. Da Wir also nach Seinem Beispiel bereit sein müssen, für ihr Heil Unser Leben hinzugeben, so sind Wir fest entschlossen, nichts zu verabsäumen, was zur schleunigsten Beseitigung der schrecklichen Kriegsgreuel beitragen kann ... Die Lenker der Völker aber bitten und beschwören Wir inständig, sie mögen ihre Streitsachen dem Wohle der Menschheit zum Opfer bringen, sie mögen bedenken, daß das Menschenlos schon Pein und Leid genug in sich schließt, als daß es noch elender und trauriger gestaltet werden sollte. Mögen sie es bei den schon angehäuften Trümmern, bei dem bereits vergossenen Blut bewenden lassen, mögen sie baldigst die Hand zum Frieden reichen!“ — Immer wieder rief Benedikt in den folgenden Kundgebungen, Rundschreiben, Allo-kutionen und Mahnungen zum Frieden und segnete den, der „zuerst den Ölzweig emporhebt und dem Feind die Hand entgegenstreckt mit dem Angebot verständiger Friedensbedingun-gen“ (28. Juli 19lV). “

Tür alle Zeiten' gesprochen sind die Worte, mit denen er im Geheimen Konsistorium vom 6. Dezember 1915 die Grundlagen eines gerechten und dauerhaften Friedens gezeichnet hat: „Zur Anbahnung eines Friedens, wie ihn die gesamte Welt so heiß ersehnt — das heißt, eines gerechten und dauerhaften Friedens, nicht eines Friedens, der nur einer Partei Vorteile brächte—, kann wahrhaft der Weg zu einem glücklichen Ende führen... In einem unmittelbaren oder mittelbaren Meinungsaustausch sollten endlich einmal mit ernstem Willen und reinem Pflichtbewußtsein offen und klar eines jeden Ansprüche und Begründung dargelegt und übertriebene Forderungen aufgegeben, die anderen aber, wenn nötig, auch unter Schaffung eines billigen Ausgleichs zugestanden werden. Es ist natürlich unbedingt notwendig — hier wie bei jedem Streit unter den Menschen, der durch die Streitenden selbst geschlichtet werden soll —, daß seitens der einen wie der anderen Partei von den vorgesteckten Zielen oder den vorher erhofften Vorteilen etwas abgestrichen oder preisgegeben werde. Solche Zugeständnisse müssen aber, auch wenn sie ein Opfer in sich schließen, von beiden Seiten gern gemacht, werden, wenn man nicht vor Gott und den Menschen die Schuld an der Fortdauer dieses entsetzlichen Blutbades, ohne Beispiel in der Weltgeschichte, tragen will, eines Blutbades, das bei weiterer Fortdauer für Europa gar wohl Ursache und Beginn des Herabsinkens von jener stolzen Höhe der Kultur bedeuten kann, zu der es an der Hand der christlichen Religion emporgestiegen ist.“

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