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Unsere Münzen

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In den ältesten Zeiten bediente man sich des Viehs als Tauschobjekt. Später wog man sich Stücke des kostbaren Metalls gegenseitig zu. In manchen noch heute gebräuchlichen Währungsbezeichnungen sind die alten Wägeeinheiten zu erkennen: die Griechen wogen in Drachmen, die Römer in Libra, die Franken in Pfunden Marken. Um sich den zeitraubenden Vorgang des Zuwägens zu ersparen, versah man noch später Teilstücke des Metalls mit Zeichen, die die Schwere und den Kurswert sowie das Land bezeichneten, von dem sie ausgingen. Diese Metallstücke, ob rund oder eckig, sind bereits als Münzen anzusprechen. Das erste geprägte Geld, Gold- und Silbermünzen, kennen wit aus Kleinasien und Griechenland. Als Hauptmünzen des Welthandeis lösten einander der Dareikus der Perser, der Aureus der Römer und der Solidus des byzantinischen Reiches ab. Der goldene Solidus gab unserem Schilling den Namen, der allerdings in Deutschland langei e Zeit und in Österreich bis zur Einführung der Schillingwährung (1924) nur als Rechnungseinheit verwendet wurde.

Zunächst prägte man nur Münzen aus Edelmetall, also Währungs- oder Kurantmünzen, deren Nennwert dem Feingehalt entsprach; aus Gründen der Haltbaikeit legierte man sie mit einer geringen Menge härteren Metalls. Bald aber stellte man auch aus unedlen Metallen sogenannte Kreditoder Scheidemünzen her, deren Eigenwert weit unter dem Nennwert stand. Die schüsselförmigen oder viereckigen und meist nur einseitig geprägten Brakteaten, dünne Blechmünzen, waren besonders während der Zeit der Kreuzzüge stark im Umlauf. Gegenüber diesen verschlechterten Münzen gab man dicke Münzen heraus (numi grossi), seit 1300 auch in Meißen und Böhmen. Nach der tschechischen Aussprache Groschen genannt, verdrängten diese Dickmünzen im 15. Jahrhundert die Brakteaten endgültig. Gegenüber dem Schilling wurden österreichische Grosdien bereits seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts geprägt.

Das Recht zur Prägung von Münzen befand sich seit jeher in der Hand der Staatsgewalt, nur daß man es in früheren Zeiten meist zugleidi mit dem Markt-, Maut- und Zollrecht auf geistliche oder weltliche Persönlichkeiten oder Städte übertrug, die sich ihrerseits zur Münzprägung eigener Gesellschaften, der Hausgenossenschaften, bedienten. Die zahlreichen finanziellen Vorteile brachten es mit sich, daß in allen Ländern die Zahl der Münzberechtigten bald ins Uferlose anschwoll. Noch im Jahre 1866 gab es in D itschland dreiunddreißig Münzberechtigte.

Die Münzprägestätten breiteten sich naturgemäß zunächst in der Nähe von Bergwerken avis. Urkundlich nachgewiesen ist, daß Leopold V. am Ende des 12. Jahrhunderts einigen in Wien ansässigen flandrischen Kauileuten das Ausmiinzen überließ, Erst Ferdinand I., dessen Reform des Geld- und Münzwesens für Österreich mehr als zwei Jahrhunderte Geltung behielt, entzog wegen Prägung von Notmünzen den Wiener Hausgenossen für immer das Münzrccht (1522) und errichtete eine eigene Münzstätte, aus der das heutige Hauptmünzamt hervorging. Zur Zeit Maria Theresias befanden sich die Werkstätten und Manipulationsbetriebe des Wiener Münzamtes noch in der ganzen Stadt verstreut. Sie ließ den größten Teil des Münzamtes und des damit verbundenen Bergamtes im Palais des Prinzen Eugen in der Himmelpfortgasse unterbringen (1753). Wie die Hammerwerke als Vorgänger unserer Eisenwalzwerke, so befanden sich auch die Prägewerke der Münzämter an Flüssen, weil sie durch Wasserkraft betrieben wurden. Städtebauliche Gründe und die verstärkten Arbeitsanforderungen ließen Franz I. den Auftrag zur Errichtung eines neuen Münzamtsgebäudes erteilen, das im Jahre 1835 fertiggestellt wurde. 1838 waren alle Betriebe des Wiener Hauptmünzamtes in dem neuen Gebäude untergebracht.

In stiller Verkehrslage, Am Heumarkt 1, gelegen, dürfte das Gebäude unseres Hauptmünzamtes infolge der strengen „Klausur” wenigen Wienern vertraut und vielen unbekannt sein. Von der Herstellung der Legierung bis zur Ablieferung an die Banken werden alle Arbeitsgänge der Ausmün- zung vom Hauptmiinzamt selbst geleistet. Vor dem Kriege lieferte Berndorf bereits die fertigen Münzplättchen. Heute müssen diese Vorarbeiten aus kriegsbedingten Gründen im Hause vor sich gehen, was zwar zeitraubend, aber dank der umfangreichen Einrichtungen ohne weiteres selbständig bewältigt werden kann. Nach der Einschmelzung der Legierung von vörge- schriebenem Gehalt — bei unseren neuen Münzen, die aus Leichtmetall bestehen, ein verhältnismäßig einfacher Vorgang — wird das Metall in „Zaine”, das sind schmale Platten von etwa 40 bis 45 Zentimeter Länge, sechs bis zehn Millimeter Dicke und der Breite des mehrfachen Durchmessers de v ju. .pfigenden ‘ .Münee, ausgegossen. In mehreren kalten Walzvorgängen von steigernder Genauigkeit werden diese Zaine zur vorgeschriebenen Dicke der Münze ausgewalzt, wobei die durch die Walzung entstehende Härte des Metalls durch wiederholtes Glühen beseitigt wird. Aus den so entstandenen Platten stanzen Exzenterpressen die Münzplättchen von vor- geschricbenem Durchmesser. Der Metallabfall wird zur neuerlichen Bearbeitung eingeschmolzen, die Münzplättchen werden, falls es sich um wertvolles Metall handelt, nicht aber bei Leichtmetall, durch Handjustierung oder Sortiermaschinen auf ihr vorgeschriebenes Gewicht geprüft. Je kostbarer das Metall der Münze ist, in um so engeren Grenzen bewegt sich das „Passiergewicht”. Die zu leicht befundenen Plättchen werden ebenfalls der Einschmelzung zugeführt, die zu schweren durch Schabmaschinen auf das richtige Gewicht ab- gehobclt. Nun werden die brauchbaren Plättchen durch Ausglühen und durch ein Sudbad von allen Unreinigkeiten der Oberfläche befreit. Dann kommen sie in die Rändelmaschine, die den Rand der Plättchen zum Schutz vor Abnützung der späteren Münze hochpreßt. Bevor aber an die Prägung selbst geschritten werden kann, bedarf es noch der Herstellung der Prägestempel.

Der Künstler, der die Münze entworfen, hatte von der Avers- und von der Reversseite vergrößerte Gipsmodelle zu liefern, von denen Abgüsse aus Gußeisen hergestellt wurden. Früher durch Handarbeit direkt aus dem Stahl geschnitten, stellen heute die beiden Reduziermaschinen französischer Herkunft aus dem Gußmodell den Urstempel der Münze her. Diese beiden Maschinen gehören zum kostbarsten Schatz unseres Münzamtes, überhaupt heute, da sich wohl rur mehr sehr wenige solcher Maschinen in den Händen der Privatindustrie befinden dürften. Betritt man den Raum, worin sich die Reduziermaschinen befinden, so staunt man zunächst über die fast völlige Lautlosigkeit des Arbeitsvorganges. Ein Führungsstift setzt genau im Zenrum des Gußmodells an und tastet in sehr engen Spiralen alle Vertiefungen und Erhöhungen des Reliefs ab. Durch eine Übertragung folgt diesem Vorgang eine Vorrichtung, die aus Stahl den Urstempel in Originalgröße fräst. Wie präzis diese Maschine arbeitet, erhellt die Tatsache, daß diese Reduktion einen Zeitraum von etwa vierundzwanzig Stunden, ja oft sogar von mehreren Tagen erfordert. Besonders starke Prägewerke, die Frktionspresscn, stellen durch Absenken aus diesem Urstempel eine Anzahl weiterer Prägestempel her, denn es sollen zur Prägung einer Münze ja mehrere der insgesamt 28 Prägemaschinen des Miinz- amtes laufen, auch fallen manchmal Stemplei durch Abnützung und Zerreißung aus, Selbstverständlich müssen die stählernen Stempel vor Gebrauch noch gehärtet werden.

Früher bediente man sich zur Prägung der Fallhämmer, später der Spindelpressen, seit mehr als hundert Jahren automatischer Kniehebelpressen. Dem Wasserantrieb des Wiener Münzamtes am Münzgraben folgte im neuen Gebäude von 1838 Dampfantrieb durch zwei Dampfmaschinen zu je vierzehn Pferdekräften. Heute wird die Transmission durch einige Elektromotore betrieben. Der Park der Prägemaschinen des Hauptmünzamtes stammt aus den verschiedensten Zeiten und mehreren Herstellungsländern. Auch Maschinen aus dem Jahre 1 8 4 8 versehen immer noch getreulich ihren Dienst, denn in der technischen Konstruktion der Kniehebelpressen hat sich im Laufe eines Jahrhunderts- nichts Wesentliches geändert. Die neuen Maschinen zeichnen sich höchstens durch größere Stundenleistungen aus. Wenn man bedenkt, daß eine Maschine stündlich nur einige tausend Münzen prägt, zur Prägung der Millionenzahl erforderlicher neuer Münzen nur etwa ein Viertel des Maschinenparkes lief, weil man den in Arbeit und menschlicher Verläßlichkeit bewährten Arbeiterstab erhalten und nicht zu viel Saisonarbeiter beschäftigen will, wird es verständlich, daß die Ausmünzung unserer neuen Münzen ein volles Jahr beanspruchte. ‘

An den Prägemaschinen sind Frauen als angelernte Hilfskräfte beschäftigt, denen Facharbeiter als Maschineneinrichter und zur Behebung von Maschinenschäden zur Seite stehen. Die Vollzähligkeit der vor der Prägung erhaltenen Plättchen sowie der abgelieferten Münzen wird- selbstverständlich genau überprüft. Auch müssen sich -einzelne Arbeiter -und Arbeiterinnen, die das Los bestimmt, beim Verlassen der Arbeitsstätte einer strengeren Kontrolle unterwerfen.

Was endlich die rein künstlerische Seite der Münzprägung betrifft, so pflegt das Finanzministerium bekannte österreichische Künstler mit Entwürfen zu betrauen. Der Künstler entwirft seine Modelle in Ton oder Plastelin oder schneidet ihr negatives Bild direkt in Gips; und zwar in Vergrößerung und in Originalgröße. Die neuen Münzen für die Werte 50 Groschen, ein und zwei Schilling stammen im Entwurf von dem besonders als Keramiker bekannten Professor Michael Powolny. Die vollste Anerkennung der Bevölkerung dürfte die Zwei-Schilling-Münze erfahren. Das Fünfziggroschenstück erscheint in seinem ornamentalem Schmuck etwas zu geometrisiert. Auf die fatale Ähnlichkeit des Sämanns der Münze für einen Schilling mit dem unkrautsäenden Satan von Albin Egger-Lienz wurde bereits hingewiesen.

Jedenfalls ließ die unvollkommene Anbringung der Wertbezeichnung den Künstler zu keiner Ausgestaltung einer schwungvollen Säergebärde gelangen.

Die Prägung dieser Münzen ist seitens des Münzamtes abgeschlossen. Vor einigen Wochen beauftragte das Finanzministerium die Künstler Karl Perl, Heinrich Zita, Edwin Grienauer und Josef Kölblinger mit Entwürfen zu neuen Kleingeldmünzen für die Werte ein, zwei, fünf und zehn Groschen. Die Entscheidung über die bereits vorgelegten Entwürfe ist noch nicht gefallen. Bedauerlicherweise werden Beamte des Finanzministeriums alleine und nicht auch bildende Künstler und Fachleute des Hauptmünzamtes über die künstlerische Qualität und die technische Brauchbarkeit der Entwürfe entscheiden.

Die augenblickliche Kleingeldnot jedoch ist zu brennend, als daß auf die Fertigstellung der aus dem Konkurrenzaussdirei- des Finanzministeriums hervorgehenden Münzen gewartet werden könnte. Das Münzamt hat daher als Zwischenlösung bereits die Prägung von Kleingeldmünzen in Angriff genommen, deren Entwürfe von dem derzeitigen Chefgraveur des Hauptmünzamtes Adolf Hofmann stammen. Auch alle diese Münzen für kleine Werte werden aus Leichtmetall bestehen.

Dem kleinen Österreich mangelt es jedenfalls nicht an vielen begabten Künstlern für seine öffentlichen Aufträge auch auf dem Gebiet des Münzwesens. Die Wiener Münzschule wie das Hauptmünzamt haben einen guten Klang im In- und Ausland. Leider ist es um den Nachwuchs ausgezeichneter Facharbeiter weniger gut bestellt. Bis vor dem letzten Krieg waren zahlreiche Auslandsaufträge, besonders der Balkanstaaten, eingelaufen. Den größten Stolz des Münzamtes aber darf doch wohl der Mariatheresienthaler bilden, der seit zwei Jahrhunderten als ein Zeugnis österreichischer Kunstsinnigkeit und präziser Facharbeit seinen Weg in die weite Welt antrat.

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