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„Verabschiedeter Lanzknecht

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„Niemand ... ist berufener, zusammenhängende Memoiren zu schreiben, wie Sie, und niemand hat das dazugehörige Talent der Selbstbeobachtung im dramatischen Detail des Lebens glänzender bewiesen!“ schrieb Friedrich Hebbel an Friedrich Schwarzenberg, der durch mehrere Bücher und Zeitschriftenbeiträge — so in Witthauers „Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode“ — bereits als Schriftsteller bekannt geworden war; als Schriftsteller, der sich meist hinter Pseudonyme wie „verabschiedeter Lanzknecht“, „letzter Ritter“, „letzter Mohican“, „alter Kapitän Wolf“ und „letzter Mönch von Marienthal“ zurückzog; Pseudonyme, in denen sich sein Konservatismus zeigt, der vom System Metternich als unrealistisch und auch überholt, vom bürgerlichen Liberalismus als anachronistisches Relikt der Feudalzeit abgelehnt wurde. Schon früh wurde dem 1800 in Worlik geborenen ältesten Sohn des späteren Siegers von Leipzig „noblesse oblige“ zum vertrauten Begriff. Und in der Erziehung durch seine Mutter und Offiziere wurde ihm das seiner Meinung nach grundlegende Element des Adels, das „Cavalierstum“, zum verpflichtenden Besitz: „den Schwachen zu schützen und schirmen im Bewußtsein innewohnender angeerbter Kraft!“

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„Niemand ... ist berufener, zusammenhängende Memoiren zu schreiben, wie Sie, und niemand hat das dazugehörige Talent der Selbstbeobachtung im dramatischen Detail des Lebens glänzender bewiesen!“ schrieb Friedrich Hebbel an Friedrich Schwarzenberg, der durch mehrere Bücher und Zeitschriftenbeiträge — so in Witthauers „Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode“ — bereits als Schriftsteller bekannt geworden war; als Schriftsteller, der sich meist hinter Pseudonyme wie „verabschiedeter Lanzknecht“, „letzter Ritter“, „letzter Mohican“, „alter Kapitän Wolf“ und „letzter Mönch von Marienthal“ zurückzog; Pseudonyme, in denen sich sein Konservatismus zeigt, der vom System Metternich als unrealistisch und auch überholt, vom bürgerlichen Liberalismus als anachronistisches Relikt der Feudalzeit abgelehnt wurde. Schon früh wurde dem 1800 in Worlik geborenen ältesten Sohn des späteren Siegers von Leipzig „noblesse oblige“ zum vertrauten Begriff. Und in der Erziehung durch seine Mutter und Offiziere wurde ihm das seiner Meinung nach grundlegende Element des Adels, das „Cavalierstum“, zum verpflichtenden Besitz: „den Schwachen zu schützen und schirmen im Bewußtsein innewohnender angeerbter Kraft!“

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Der Familientradition und seiner eigenen Intention entsprechend, trat der Fünfzehnjährige in die Armee ein und rückte schließlich bis zum Generalmajor vor. Aber Schwarzenberg blieb zeitlebens nun in eher lockerer Bindung zur Armee und zum damit verbundenen System. Im ruhigen Garnisonsdienst der zwanziger Jahre nach den italienischen Auseinandersetzungen fand Schwarzenberg keine Befriedigung; und so zeigt sich sein unstetes Wan-dertum bereits 1827, als er am russischen Feldzug gegen Persien teilnehmen wollte, dessen rasches Ende den Plan aber durchkreuzte. Schließlich zog er aber 1830 in der französischen Expedition nach Algier mit, wo er — inzwischen Malteserritter geworden — mit mohammedanischen Würdenträgern zusammentraf. Lebendig schildert Schwarzenberg in den „Rückblicken auf Algier...“ und den „Erinnerungen an Algier...“ seine Erlebnisse, in deren Verlauf er mit dem Kreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet worden war. Nach kurzem Aufenthalt in seiner Heimat und nach einer Reise in die Levante (1835), in der er auch Ablenkung von den Gedanken an Elisa Radziwü suchte, die bei einer Begegnung in Teplitz tiefen Eindruck auf den jungen, etwas sonderlichen Fürsten gemacht hatte, kämpfte er in Spanien auf seiten der Carlisten gegen liberale Bestrebungen. Mit Begeisterung war er auf Seite derer, die legitimes Recht für sich, die Entscheidung aber gegen sich hatten. Unter abenteuerlichen Umständen war es ihm gelungen, in Spanien einzureisen, und wahrscheinlich nur durch den Sturz seines Pferdes beim Queren eines Wildbaches, wobei der Reiter verletzt wurde, überlebte er diesen gnadenlosen Krieg, der schließlich durch Verrat entschieden wurde. Die „Tagebücher eines Facci-osos“ sind der literarische Niederschlag dieser Zeit.

*

IrTden folgenden Jahren besuchte er als bereits anerkannter Schriftsteller in der Begleitung Erzherzog Ferdinands das Lager in Liegnitz und 1846 das aufgewühlte Galizien. Im Sönderbundskrieg, an dem er im nächsten Jahr teilnahm, wurde ihm von den katholischen Kantonen der Oberbefehl angetragen, den er aber in Kenntnis der aussichtslosen Lage ablehnte. Sein Einsatz für alte Ordnung und legitimes Recht zeigt sich auch während des „Diluviums“, während der „Sündflut“ des Jahres 1848, als der Fürst als einfacher „Landesschütze“ mit einer Kompanie, der auch Adolf Pichler angehörte, in das Chiusatal zog. Schließlich aber, nachdem er an militärischen Aktionen in Italien und Ungarn teilgenommen hatte, zog sich Schwarzenberg immer mehr auf sein Landgut St. Marienthal bei Preßburg — ein aufgelassenes Paulanerkloster — zurück und trat gegen den Neoabsolutismus auf, der für ihn ebenso einen Bruch mit der Vergangenheit bedeutete, wie der Sieg der Revolution bedeutet hätte. Besonders die Betonung des deutschen Elements, da seiner Meinung nach der böhmische Grenadier und andere die Monarchie 1848 gerettet hätten, und die Umwandlung in Kronländer war ihm unverständlich.

Als der kränkliche Fürst keine Einladung zur Enthüllung des Denkmals seines Vaters erhielt, war dies eine schwere Kränkung: „ ... so vergessen zu werden, als wäre man der unwürdige Sohn eines gefeierten Vaters, das tut weh, unendlich weh...“ Wenige Jahre später, am 6. März 1870, verschied Fürst Schwarzenberg in Wien, wurde mit militärischen Ehren eingesegnet und in der Familiengruft zu Worlik beigesetzt. Da er nicht in der Zeit stand, wurde er nur in den wenigsten Fällen von der Zeit verstanden. In Österreich erschien kein würdiger Nachruf. Die „Neue Freie Presse“ sah in ihm nicht den „ .letzten Ritter', sondern das letzte Loch, auf dem das Ritterthum pfeift“; die Leipziger „Illustrierte Zeitung“ erblickte in Schwarzenberg aber den eigentlichen Repräsentanten des alten Österreich und der altösterreichischen Idee.

Die Aufzeichnungen Friedrichs von Schwarzenberg waren eigentlich nie zur Veröffentlichung bestimmt. Nur auf Drängen seiner Freunde faßte er einzelne Notizen zusammen; nur eine Reihe von novellenartigen Erzählungen waren für die Öffentlichkeit geschrieben, wie eine Reihe rein sachlicher Abhandlungen. So liegt der Wert der Schriften im ursprünglichen Ausdruck. Friedrich Hebbel umriß dies so, daß sich seine Persönlichkeit mit allem, was er ergreife, identifiziere. So ist sein Werk, in dem in bunter Folge tagebuchartige Eintragungen, kleinere, meist selbsterlebte Erzählungen, historische, militärische und allgemeine Notizen, Abhandlungen und Aphorismen nebeneinander stehen, immer Teil einer „großen Konfession“. Als Manuskript gedruckt und. geschmackvoll ausgestattet, überreichte er seine Bücher seinen Freunden.

Am wertvollsten sind wohl die sechs Teile „Aus dem Wanderbuche eines verabschiedeten Lanzknechtes“ (1925 von E. Castle in Auswahl neu ediert), in denen Schilderungen aus Spanien, Algier und Italien die wichtigsten Abschnitte bilden. Mit fast verwirrender Vielfalt gewähren die „Antediluvianischen Fidibusschnitzel 1842 bis 1847“ und die „Postdiluvianischen Fidibusschnitzel 1849 bis 1854“ Einblick in das soziale, kulturelle und politische Leben seiner Zeit.

Mit dem literarischen Leben war Schwarzenberg besonders durch die Gesellschaft seiner Mutter, Betty Paoli, durch seine Freunde Gustav

Kühne und Heinrich Laube, durch Friedrich Hebbel und Franz Grill-parzer und durch seinen ehemaligen Mathematiklehrer Adalbert Stifter verbunden. Gemeinsam mit Grill-parzer, Bauernfeld u. a. unterzeichnete er auch jene Petition vom 16. März 1845, in der um eine gerechte Handhabung der Zensur nach den Grundsätzen der Instruktion des Jahres 1810 gebeten wurde, öfters trat er gegen die Präventivzensur auf und schlug statt dessen in Unkenntnis der Zeit eine Aufhebung des Schulzwanges vor, um damit die Kunst des Lesens auf wenige Kreise einzuschränken (auch Franz I. war der Meinung, daß der Unterricht ..gemeiner Leute“ der Revolution Vorschub leiste), sowie weiter die Belohnung „schwarzgelber“ Schriftsteller. Sein Standesbewußtsein zeigt sich auch in der Ablehnung des Engagements der „schwarzbefrackten Professoren“, des Bürgertums in der Politik. Die Stellung des Adels sah er in erster Linie als intermediäre Gewalt, unabhängig von „oben und unten“, gleichzeitig als Resultat einer generationenlangen Anstrengung. Daher ist auch seine Abneigung gegen demokratisch-republikanische Bestrebungen, gegen die Diskussion erklärlich, die „die meisten Menschen in Derwische, welche heulend auf demselben Platz sich herumdrehen“, verwandelt. Dieser Einfluß „ursprünglich heidnischer Elemente“ zersetze unaufhörlich die Grundlage der europäischen Gesellschaftsordnung, das Christentum. Zentraler Begriff ist dabei immer die Kontinuität der Entwicklung. Aus dieser Sicht her sah Schwarzenberg in der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches, in der Schaffung der österreichischen Monarchie die Ursache aller

Auflösung; zugleich trat er entschieden für das österreichische Kaiserhaus, das Kontinuität wahrte, ein.

Schwarzenberg schrieb für eine ständische Ordnung, für ein gewisses Maß an persönlicher Freiheit, für eine eigenständige nationale Entwicklung der Völker ohne staatliche Beeinflussung und für die Unversehrtheit der kirchlichen Autorität, die den Staat ergänzen müsse. In seinem „liberalen Konservativismus“ lehnte er die alleinige Stagnation, die zur „Verwesung“ führen müsse, ebenso ab wie Mobilität ohne Perioden der Konsolidierung, da diese wieder nur zerstäube. Friedrich Fürst zu Schwarzenberg ist ein markanter Vertreter jener Epoche des Überganges, der im katholischen Glauben verwurzelt Ideen und Gewalten zu verteidigen suchte, die vor der Errichtung des zentralistischen, modernen Beamten- und Polizeistaates die Ordnung darstellten; ein Mensch, der den seiner Meinung nach ursprünglich ritterlichen Ideen verhaftet genau zwischen berechtigt-legitimer und unberechtigter Gewalt unterschied. Trotz allem aber fehlte ihm die Verbindung mit den Erfordernissen der Zeit, wenn sie nicht ursprünglich in seinem Wesen verankert waren. Fürst Schwarzenberg wollte dem Vergangenen ein ehrendes Angedenken bewahren, stellte sich aber nicht prinzipiell der Notwendigkeit mancher Änderung entgegen, ja forderte sie sogar; so schrieb er bereits 1839 in sein Tagebuch ein, daß ihm scheine „eine so schwüle, schlaffe Luft in der Zeit zu wehen, die, man mag sagen, was man will, auch von Zeit zu Zeit eines Gewittersturmes bedarf, um sich aufzufrischen!“

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