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Vergessener Retter

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Die Aufhebung des Todesurteils für Franz Jägerstätter nach mehr als einem halben Jahrhundert nach der Hinrichtung durch die Nazis war ein reichlich verspätetes Zeichen, dem freilich manche bedeutende öffentliche Ehrungen vorausgegangen waren. Um einen anderen Österreicher, der durch eina wahre Heldentat zur Hinrichtung unter Hitler kam, kümmerte sich jedoch bisher in Österreich niemand. Der „Frankfurter Allgemeinen" konnte man kürzlich entnehmen, daß ein Offizier österreichischer Herkunft, Josef Ritter von Gadolla, in den ersten Apriltagen 1945 entgegen dem Befehl weiße Fahnen der Übergabe in der Stadt Gotha aufgezogen habe. Der Befehl hatte gelautet, die Stadt bis zum letzten Mann zu verteidigen. Die heranfliegende Staffel amerikanischer Kampfflugzeuge habe nach dieser Übergabe abgedreht. Die Zeit reichte aber noch, daß Gadolla von hitlertreuen Funktionären verhaftet und sofort erschossen wurde. Im Hof des Schlosses Gotha ist eine Tafel des Gedenkens angebracht, wobei die österreichische Herkunft Gadollas verzeichnet ist

Das österreichische Widerstandsarchiv besitze über diese Tat und diesen Mann keinerlei Akten, doch habe das Land Thüringen der kranken Tochter Gadollas,-die in Australien lebe, eine Gabe von 30.000 DM zugewendet. Der österreichische Generalkonsul sei'darauf aufmerksam gemacht worden. Gewiß, nicht alle tapferen und ehrenvollen Geschehnisse können aufgefunden, registriert und wenigstens mit nachträglichen Ehrungen hervorgehoben werden. Dennoch sollte allergrößtes Interesse daran bestehen.

Die schauerlichen Akte der Zerstörung und Unmenschlichkeit werden mit Recht immer wieder in Erinnerung gerufen. Daß es viele Rettungstaten und sehr oft in aller Stille gab, ist ebenfalls viel zu wenig bekannt. Kürzlich wurde der Retter der Stefanskirche nach Wien eingeladen, der auch entgegen dem Befehl die Kathedrale nicht zerstörte, sondern die weiße Fahne hissen ließ. Unter Lebensgefahr. Dieser Retter konnte im Chaos untertauchen. Gadolla, der Tausenden das Ijeben bewahrte, wurde gefaßt und hingerichtet. Auch um ihn, seine verspätete Ehrung und um seine Tochter sollten sich nicht nur deutsche, sondern auch österreichische Institutionen kümmern.

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