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Vom Einzelstück zum täglichen Gebrauchsgegenstand

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Die Geschichte der Schreibmaschine kennt eine große Zahl von Erfindern, die schon im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Problem der mechanischen Schriftherstellung zu lösen versuchten. 7 Die ersten Erfinder, die Schreibmaschinen in modernem Sinne mit Typenhebelkorb und mehrzeiligen Tastaturen bauten, waren der italienische Advokat Giuseppe R a v i z z a (1811 bis 1885) aus Novara und der Tiroler

Tischler und Zimmermann Peter Mittet h o f e r.

Ravizza baute zwischen 1855 und 1882 rund 20 Maschinen, die er „Cembalo scri- vano“ nannte. Bei seiner Konstruktion war das Geschriebene verdeckt und erst nach dem Herausnehmen des Blattes sichtbar. Erst in den achtziger Jahren gelang ihm der Bau einer Maschine mit sofort sichtbarer Schrift. Für die Einfärbung der Typen verwendete er als erster einen über zwei Rollen laufenden farbgetränkten Papier- oder Seidenstreifen und gilt daher wohl mit Recht als der Erfinder des Farbbandes. Sein eigenbrötlerisches Wesen und die ungünstigen Zeitverhältnisse in Italien verhinderten eine industrielle Verwertung seiner Erfindung, so daß seine Maschinen trotz ihrer relativ großen Vollkommenheit nur Einzelstücke blieben.

Mitterhofer wurde 1822 zu Töll in der Gemeinde Partschins im Vintschgau als Sohn eines Tischlers und Sägewerkpächters geboren. Er erlernte das Tischler- und Zimmermeisterhandwerk. Er war so geschickt, daß er sich seine Musikinstrumente, wie Zither und Gitarre, selbst anfertigte. Mit 17 Jahren ging er als Tischlergeselle auf die Wanderschaft und durchstreifte Oesterreich, Deutschland, Frankreich, die Schweiz und den Balkan. Nach mehreren Jahren kehrte er wieder in die Heimat zurück.

Bald nach seiner Rückkehr begann er, angeeifert "nd unterstützt von dem Meraner Dekan Monsignore Sautner, sich mit dem Bau einer Schreibmaschine zu beschäftigen. 1864 wurde das erste Modell fertig.

Dieses Modell war größtenteils aus Holz an gefertigt, Lederflecke dienten als Scharniere; die hölzernen Tasten waren in drei Reihen schräg übereinander angeordnet. Das Schreibpapier wurde auf eine ebene Tafel gespannt und von den in einem Typenhebelkorb angeordneten Typen von unten beschrieben. Diese Maschine war nur für die Schreibung von Großbuchstaben eingerichtet und die Typen bestanden aus Nadelgruppen, die die Formen der Buchstaben beim Anschlag in das Papier einstaehen, ähnlich der heutigen Blindenschrift.

Das zweite, 1866 fertiggestellte Modell war dagegen bereits mit normalen Typen ausgestattet und besaß als wichtigste konstruktive Verbesserung eine Schreibwalze. Mit dieser Maschine wanderte Mitterhofer zu Fuß von Tirol nach Wien und rcihtete an Kaiser Franz Joseph ein Gesuch mit der Bitte um finanzielle Unterstützung. Diesem Schreiben fügte er seinen „Schreibapparat“ sowie eine ausführliche Beschreibung der Maschine bei.

Ueber Antrag des Handelsministeriums wurden Mitterhofer daraufhin 200 fl. Subvention ausbezahlt. Interessant ist, daß die begutachtenden Professoren der Technischen Hochschule, Johann Hönig und Ignaz Heger, sich als weniger vorausschauend erwiesen als der einfache Erfinder, als sie schrieben:

„Zur Beurteilung des Wertes und der praktischen Verwendbarkeit dieser Erfindung müssen die Unterzeichneten bemerken, daß eine eigentliche Anwendung dieses Apparates nicht wohl zu erwarten stehe, indem zur Behandlung desselben, selbst wenn mit sehr mäßiger Geschwindigkeit gearbeitet werden soll, eine nicht geringe und fortgesetzte iJebung erforderlich ist und selbst bei ausgebildeter Fertigkeit niemals dieselbe Geschwindigkeit und Sicherheit wie beim gewöhnlichen Schreiben erreicht werden dürfte.“

Vollste Anerkennung zollten sie jedoch der technischen Ausführung:

„Bezüglich der Einrichtung des Apparates sehen sich die Gefertigten zu der Erklärung veranlaßt, daß ein tadelloses Funktionieren desselben bei einer entsprechenden und präzisen Ausführung der einzelnen Bestandteile und Anbringung einiger vom Erfinder angegebenen, die leichtere Handhabung bezweckenden Aenderungen außer Zweifel stehe, sowie daß die Ueberwindung der eigentlichen Schwierigkeiten dem Erfinder auf eine sehr vollkommene Weise gelungen sei."

Angespornt durch die kaiserliche Anerkennung, baute Mitterhofer nun ein drittes Modell, das bereits neben Großbuchstaben auch Kleinbuchstaben, Ziffern und Zeichen aufwies. Mit diesem begab er sich 1870 neuerlich nach Wien und bot es dem Kaiser zum Kauf an. In dem beigefügten Gesuch führte er an, daß er außer der gewährten Subvention auch einen Großteil seines Vermögens für die Herstellung habe verwenden müssen. Kaiser Franz Joseph kaufte dieses Modell um 150 fl. für das Polytechnische Institut in Wien an.

Konstruktion wurde 1 8 74 die fabrikmäßige Herstellung der ersten Schreibmaschine von der Firma Remington & Sons aufgenommen. Die Erzeugung von Schreibmaschinen nahm in der Folge einen großen Aufschwung und in wenigen Jahren wurden weite Teile der Welt mit Remington-Ma- schinen beliefert.

Die Konstruktion Mitterhofers und der amerikanischen Maschine von Sholes und Glidden weisen große Aehnlichkeit auf. So sind bei der amerikanischen Konstruktion die Typenstangen ebenso im Kreise angeordnet wie bei der Mitterhoferschen Maschine. Es muß aber festgehalten werden, daß die österreichische Erfindung gegenüber der amerikanischen Bauart sogar einige Vorteile aufwies, wie die sofort sichtbare Schrift, die Verwendung von Groß- und Kleinbuchstaben, ferner Geräuschlosigkeit, Rücktaste und T astenverriegelung.

Es dürfte ziemlich wahrscheinlich sein, daß die österreichische und die amerikanische Erfindung völlig unabhängig voneinander entstände n s i n d und die Aehnlichkeit in einzelnen Teilen der Konstruktion nur eine zufällige ist. Zwei Tatsachen stehen jedoch fest: D i e Konstruktion Mitterhofers war zwar durchaus fabrikationsreif und weitaus vollkommener als die Maschinen Ra- vizzas und das amerikanische Modell. Aber seine Erfindung blieb bei der Herstellung weniger Einzelstücke stecken. Die Mechanisierung der Schreibarbeit und damit eine Umwälzung des gesamten Bürobetriebes in allen Kulturstaaten wurde erstdurch dicScrienfabrikation von Schreibmaschinen ausgelöst, die von den amerikanischen Erfindern zustande gebracht wurde. Demnach darf das Mitterhofersche Modell zwar die Priorität, die amerikanische Maschine aber die erstmalige industrielle Auswertung und damit den Erfolg für sich buchen.

Seither hat die Schreibmaschine von Amerika aus ihren Siegeszug über die ganze Welt angetreten. Von Jahr zu Jahr wurde die Bauart der Maschinen verbessert und die Anzahl der produzierten Exemplare gesteigert. Selbst die beiden Weltkriege konnten den Aufstieg der Schreibmaschine nicht behindern. Zu der ersten Erzeugerfirma sind hunderte Fabriken in aller Welt getreten, die durch die Markennamen und die Qualität ihrer Erzeugnisse allbekannt sind.

Heute ist die Schreibmaschine aus unserem Kultur- und Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Welche Umwälzung ihre Einführung im Bereich der staatlichen Verwaltung und im gesamten Wirtschaftsleben hervorrief, kann man dann ermessen, wenn man bedenkt, daß noch in den letzten Dezennien des vorigen Jahrhunderts der gesamte Geschäftsbetrieb der Behörden, der Schriftverkehr der Wirtschaft, die schriftliche Tätigkeit der Rechtsanwälte, Aerzte, Schriftsteller, Dichter und Wissenschaftler mit der zeitraubenden Handschrift durchgeführt werden mußte.

Bedenkt man ferner, daß — wie Hermann Böhrs vor kurzem feststellte — in Deutschland im Jahre 1882 auf 100 Arbeiter 14 Angestellte und Beamte kamen, 1907 aber bereits 28 und 1939 gar 38, so kann man den in den letzten 70 Jahren nahezu verdreifachten Anteil der Büroarbeit an der gesamten menschlichen Arbeitsleistung in seiner ganzen Bedeutung erkennen.

Die im Zuge der Ausweitung der Büroarbeit aufgetretene große soziale Umschichtung wurde durch das Aufkommen der Schreibmaschine bedeutend gefördert. Hunderttausende von Menschen werden heute von den großen Schreibmaschinenfabriken beschäftigt, weitere zahllose Menschen finden ihr Brot durch den Handel und die Reparatur von Schreibmaschinen. Zahlreiche Industrien versorgen die Herstellerfirmen mit den notwendigen Materialien und die -in Betrieb

Menschen, in ihre Studier- und Arbeitszimmer vorgedrungen. Noch vor 20 Jahren waren maschinegeschriebene Manuskripte im Zeitungs- und Verlagswesen keineswegs die Regel, heute ist ein handgeschriebenes Elaborat, das gedruckt werden soll, eine Seltenheit. Ja, viele große Zeitungen und Zeitschriften nehmen überhaupt nur maschinegeschriebene Manuskripte zur Veröffentlichung an. Die geistig Arbeitenden aller Berufe sind heute fast ausnahmslos zur Maschinschrift übergegangen. Selbst der Privatbrief, der noch vor wenigen Jahren in Maschinschrift undenkbar gewesen wäre, wird heute auch von der älteren Generation ohne Zögern mit der Maschine geschrieben.

Die wachsende Verbreitung der Schreibmaschine ist damit jedoch keineswegs abgeschlossen. Ständig werden von der Industrie neue, verbesserte Typen auf den Markt gebracht. Die Maschinen werden leichter an Gewicht, geräuschloser, formschöner, leichter zu handhaben, mit schöneren Typen ausgestattet usw. Die Rationalisierungsbestrebungen zwingen Wirtschaft und Verwaltung, die veralteten Maschinen ständig durch neue, moderne Modelle zu ersetzen. Durch den noch anhaltenden Prozeß des. Eindringens der Maschinschrift in die private Sphäre des Men-

erkannten und auch die Unterweisung bzw. der Unterricht noch recht ungeregelt war, nahm sich der Heranbildung von geeigneten Lehrern auch die Unterrichtsbehörde an und lenkte diesen neuen Unterrichtszweig ebenso wie die anderen Unterrichtsfächer in geregelte Bahnen, indem sie auch für Maschineschreiben eine Lehrbefähigungsprüfung schuf.

Diese damals begonnene Entwicklung nahm dann, durch den ersten Weltkrieg kaum wesentlich gehemmt, einen raschen Lauf, in welchem der Maschineschreibunterricht immer weiter und weiter verbreitet wurde und heute praktisch an keiner zum kaufmännischen Beruf vorbereitenden Schule fehlen darf. Er rangiert als Pflichtgegenstand heute gleichwertig neben allen anderen Hauptgegenständen der Handelsschule und Handelsakademie. So wie die Kurzschrift immer tiefer in das allgemeine Volksbildungsgut eindrang, steht auch das Maschineschreiben heute praktisch in einer Entwicklungsphase, die immer breitere Volksschichten erfaßt.

Selbstverständlich blieb diese Entwicklung auch von dem gigantischen technischen Aufstieg der letzten 50 Jahre nicht unberührt. So hat die Radiotechnik auch viel mitgeholfen, den Maschineschreibunterricht wesentlich zu vertiefen und rationell zu gestalten.

Technische Einrichtungen, die die Augen der Schreibenden von der Maschine abziehen, wie zum Beispiel das Abschreiben von vorbeiziehenden Laufschriften, deren Laufgeschwindigkeiten variiert werden können, für mehr oder weniger weit Vorgeschrittene, die Blinktafel, die nur bestimmte Buchstaben einer Schreibmaschinen-Tastaturabbil- dung aufleuchten läßt, für den Anfänger und ähnliche, sind Geräte, die optisch den Lernenden so binden, daß er einfach zum Blindschreiben gezwungen wird. Wenn nun gar beide Hilfsmittel (akustisches Diktat, Blinktafel oder Laufschrift) und dazu noch musikalische Untermalung, die das rhythmische Taktschreiben und dadurch einwandfreien Anschlag erzielen lehrt, untereinander kombiniert werden, ist dank den heute möglichen technischen Einrichtungen ein Optimum an System und Methode möglich. O.D.

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