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VON NEUEN BÜCHERN

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„The Duke of MarJborough, his Life and Time". Von Winston Spencer Churchill. 4 Bände, George G. Harrap 4 Co. Ltd., London

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„The Duke of MarJborough, his Life and Time". Von Winston Spencer Churchill. 4 Bände, George G. Harrap 4 Co. Ltd., London

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Das prachtvoll ausgestattete Werk hat eigentümlicherweise am europäischen Kontinent wenig Beachtung gefunden. Vielleicht haben die europäischen „Fachhistoriker’ diese in hinreißender Sprache geschriebenen Bände eines nicht zur „Fachgruppe gehörenden „Dilettanten“ totschweigen wollen, denn in keinem der bedeutenden historischen Zeitschriften ist eine Besprechung zu finden. Hingegen wurde jeder Band bereits im Erscheinungsjahr in der „English Historical Review“ ausführlich besprochen, und es ist daher heute unnötig, die dort von fachkundiger Seite ausgesprochenen Hinweise und Korrekturen kleiner Einzelheiten zu wiederholen. Heutzutage muß man aber betonen, daß das Werk bei seinem Erscheinen besonders in Österreich größte Beachtung verdient hätte, obwohl der Autor damals nur ein prominentes Mitglied des Unterhauses gewesen ist und niemand seine Zukunft voraussah.

Die Biographien Marlboroughs sind zahlreich, die historischen Werke über sein Zeitalter, das von so vielen großen Persönlichkeiten geformt wurde, sind zahllos. Aber keinem der vielen Autoren gelang es, ein menschlich vollendeteres Bild des großenStaats- manns und Feldherrn zu zeichnen und gleichzeitig die ungemein komplizierten Vorgänge der englischen Innenpolitik darzustellen, die vielfältigen Beziehungen und Spannungen der europäischen Staatenwelt zu beschreiben und wiederum Marlboroughs persönliche

Stellung als Feldherr der großen Alliance des spanischen Erbfolgekriegs inmitten dieser glanzvollen großen Gesellschaft des ausgehenden XVII. und beginnenden XVIII. Jahrhunderts zu schildern. Um solch ein Werk zu beschreiben, brauchte es eine Persönlichkeit von gleichem Ausmaß, eben einen Churchill.

Für den Wert der Biographie eines ruhmreichen Heerführers ist es an sich belanglos, daß der Biograph kurze Zeit nach Vollendung des Werkes selbst an die Spitze der Regierung seines Landes berufen wurde und einen noch brutaleren Gegner bekriegen mußte; unabstreitbar wird aber das Interesse des Lesers durch diesen Umstand erhöht. Eine gleichzeitige Lektüre von Churchills Marl- borough und seiner Memoiren aus dem letztem Kriege ist ein besonderer Genuß. Man lernt daraus, daß sich die Geschichte nie wiederholt, wenngleich manche Situationen verblüffend ähnlich zu sein scheinen. Man vergleiche zum Beispiel das Kapitel „The Fatal Article (Marlb. IV, cap. 4) mit, dem Abschnitt „Unconditional Surrender“ (The Se- cond World War, IV, cap. 37).

Mit John Churchill, dem ersten Herzog von Marlborough, erlosch der Mannesstamm der Familie. Der Herzogstitel wurde von der ältesten Tochter, Lady Godolphin, und nach deren Tod von Charles Spencer, dem Sohn einer jüngeren Tochter des Feldherrn, geerbt. Seitdem verblieb der Titel in direkter männlicher Linie beim Hause Spencer, jedoch im Jahre 1817 wurde mit königlicher Erlaubnis der Name Churchill wieder angenommen. Der Großvater des jetzigen Premiers war John Winston Spencer Churchill, VII. Herzog von Marlborough; dessen jüngerem Sohn Randolph gebührte noch der Titel Lord, während der Enkel Winston Spencer bis auf den heutigen Tag nur „Mr. Churchill“ geblieben ist.

Der IX. Herzog von Marlborough stellte seinem Cousin Winston die Familienarchive des Blenheim-Palastes uneingeschränkt zur Verfügung; die vier Bände enthalten daher etliche Briefe Marlboroughs, die weder in der Biographie des Erzdiakons William Coxe (London 1818—19) noch in den von General Murray redigierten „Marlborough Dispatches“ enthalten sind. Abgesehen vom „Public Record Office“ und verschiedenen Aktensammlungen des Britischen Museums wurden auch einige private Archive, besonders das der Familie Spencer, durchforscht. -

Die Einleitung zum zweiten Band, in der außerenglische Quellen und Bibliographie ausführlich besprochen werden, ist für den österreichischen Leser besonders interessant. Das vom k. u. k. Kriegsarchiv herausgegebene Monumentalwerk, „Die Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen" (21 Bände, Wien 1876—1892), in dem fast die gesamte Korrespondenz des Prinzen Eugen abgedruckt ist, wird von Churchill als wertvollste Quelle gepriesen. Um so überraschender ist es daher, daß sich auf der vorhergehenden Seite der ganze Sarkasmus des großen Meisters der Parlamentsdebatte über den „österreichischen Historiker Onno Klopp ergießt. Klopp, ein

Hannoveraner, der in Österreich seine zweite Heimat fand, war ein erbitterter, publizistischer Gegner der Bismarckschen Politik und des preußischen Machtstrebens; daß daher gerade Churchill in den Reihen seiner Kritiker zu finden ist, quasi Arm in Arm mit Droysen, Sybel und Treitschke, scheint beim ersten Hinsehen ein grotesker Scherz der Geschichte zu sein, doch bei genauer Betrachtung findet man eine Erklärung. Klopp, wahrscheinlich durch Macaulay beeinflußt, war Marlborough gegenüber tatsächlich etwas voreingenommen; besonders tadelt Churchill, daß die kriegerischen Taten des Herzogs in Klopps Werk, „Der Fall des Hauses Stuart und die Sukzession des Hauses Hannover“, totgeschwiegen werden. Wahrscheinlich hat er übersehen, daß Klopp die Akten des Kriegsarchivs nicht heranziehen konnte, da diese erst nach der Veröffentlichung seines Werkes in den Jahren 1875—78 für die Forschung freigegeben beziehungsweise in den „Feldzügen“ veröffentlicht wurden. Die Verschiedenheit von Haus-, Hof- und Staatsarchiv einerseits und Kriegsarchiv andererseits hat Churchill anscheinend nicht erkannt, denn in einer Liste der durchforschten Archive wird bei Wien nur „Staatsarchiv" angegeben, obwohl sehr zahlreiche Akten des Kriegsarchivs aus den „Feldzügen" zitiert werden. Tatsächlich hat, wie einer seiner Mitarbeiter mitteilte, Churchill leider keine Forschungsreise nach Wien unternommen.

Marlborough hatte sich durch einen persönlichen Besuch in Wien über die Probleme der Erbländer informiert und war auch durch eine aufrichtige, ohne jede Rivalität getrübte Freundschaft mit dem Prinzen Eugen verbunden. Der Herzog selbst hat auch erkannt, daß die Forderungen der ungarischen Malkontenten, deren Befriedung den Regierungen in London und Den Haag so sehr am. Herzen lag, völlig unannehmbar waren. Bei der Schilderung dieser Verhandlungen wird Churchill von seinem Vorfahren geradezu gezwungen eine Objektivität zu bewahren, die anderen englischen Historikern abgeht. Diese neigen nämlich dazu, die Finanznot des Kaisers scharf zu kritisieren und die Lasten des kaum beendeten Türkenkrieges zu übersehen. Wie gesagt, Churchill wurde zur Objektivität „gezwungen", denn etlidre seiner Redewendungen bezeugen den Einfluß der brandenbur- gisch-preußischen Geschichtsschreibung. Im Hinblick auf die allgemeine Haltung der englischen Historiographie kann man ihm keinen großen Vorwurf machen, besonders da auch, außer Klopp und den „Feldzügen“, Carl von Noordens „Europäische Geschichte im XVIII. Jahrhundert" ein oft zitiertes Werk ist-.

Ein entschiedener Vorwurf trifft allerdings die österreichischen „Stellen", die in den dreißiger Jahren für kulturelle Beziehungen mit dem Ausland „zuständig waren“. Die ersten drei Bände des „Marlborough erschienen in den Jahren 1932—36, aber in Österreich wurden sie, wie das Institut für Geschichtsforschung mitteilt, in- keiner Zeitschrift besprochen, auch nicht in den „Mitteilungen“. Bereits aus dem zweiten Band geht doch hervor, daß der Autor durch einen persönlichen Kontakt mit Wien und Österreich sehr viel gewinnen hätte können. Wie sehr wäre doch eine Fühlungnahme, oder noch besser, eine Einladung von seiten österreichischer Historiker am Platze gewesen. Unabsehbar sind die Möglichkeiten für Österreich, die man in diesem Fall aus engstirniger Abgeschlossenheit vorübergehen ließ!

Dr. Wilhelm E. Mall mann

Eines Königs Geschichte. Die Memoiren des Herzogs von Windsor. Lothar-BIanvalet- Verlag, Berlin. 528 Seiten.

Die englische Geschichte ist reich an „Königskrisen". Die unvergleichliche Kunst Shakespeares beschäftigt eich zum Teil mit diesen Dramen. Kennern der Geschichte werden die Absetzungen Eduards II., Jakobs II., Karls I. ein selbstverständlicher Begriff sein. Auch unsere Tage erlebten eine englische „Königskrise": die Abdankung Eduards VIII., der wegen der geplanten Heirat mit einer geschiedenen Frau auf den Thron verzichten mußte. Fast die Hälfte des vorliegenden Memoirenwerkes des ehemaligen Königs beschäftigt sich mit dem Verlauf dieser Krise. Es hat deshalb in England weitgehend Kritik im ablehnenden Sinn erfahren. Ohne auf sie näher einzugehen, muß festgestellt werden, daß das Buch in einem sehr fairen, immer noblen Ton geschrieben . ist, der auch über Gegner kein scharfes Wort hervorbringt.

Aber nicht die Königskrise ist das eigentlich Interessante an diesem Buch: der Leser bekommt vor allem einen tiefen, Einblick in das Wesen der englischen Monarchie, ihre Funktion und ihr Funktionieren, ihre große Bedeutung für das gesamte Commonwealth und die immense Arbeit, die von dem Träger der Krone ‘verlangt wird und sein Dasein zu keinem beneidenswerten macht.

DDr. Willy Lorenz

Who is peaceful? By Wolfgang J. W e i l- g a r t. Exposition Press, New York. 71 Seiten.

Der Autor, ein gebürtiger Österreicher, der seit Jahren als akademischer Lehrer in den Vereinigten Staaten tätig ist, behandelt in diesem schmalen Bändchen die Frage des Friedens, oder, genauer gesagt, des Weges, den die Menschheit einschlagen muß, um endlich zu einem wahren und dauernd gesicherten Frieden zu, gelangen. Sein Reichtum an Gedanken zu diesem Thema ist bemerkenswert,

und wenn auch manche seiner Forderungen der gegenwärtigen Weltlage wohl kaum genügend Rechnung tragen, im Grundsätzlichen wird ihm jeder aufrichtige Freund des Friedens beipflichten müssen. Das Studium seines Büchleins ist insbesondere jenen zu empfehlen, die zu naiv oder zu verblendet sind, um zu erkennen, daß jede Idealisierung eines diesseitigen, ohne Bezug auf das göttliche Gebot gesetzten Zieles eine Kriegsgefahr in sich trägt, gleichgültig ob es ein einzelner Mensch ist, oder eine politische Partei, die für ein Ziel solcher Art den Wert des Absoluten beansprucht.

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