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Vor 150 Jahren

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„1809.“ Von Jean de Bourgoing. Band 73/75 der Oesterreich-Reihe im Bergland-Verlag, Wien. 85 Seiten. 32 Abbildungen auf Kunstdrucktafeln.

Die 150-Jahr-Feier der Ereignisse von 1809, die Oesterreich heuer beging, gab dem berühmten Napoleonforscher Jean de Bourgoing Gelegenheit, erneut ein bedeutendes Kapitel der napoleonischen Geschichte mit Hilfe seines großen Wissens und seiner brillanten Feder darzustellen. Es ist tatsächlich eine erstaunliche Leistung, auf derart kleinstem Raum, wie sie der Umfang der Bände der verdienten Oesterreich- Reihe vom Verfasser verlangt, eine solch präzise und plastische Darstellung der Ereignisse dieses Jahres zu geben, was eben nur bei einer souveränen Beherrschung des Stoffes möglich ist. Jean de Bourgoing versäumt es auch nicht, über die Ereignisse von 1809 noch hinausgreifend, die Legendenbildung über den , Herzog von Reichstadt und die Kaiserin Maria- Louise zu zerstören. Legenden, die vom Verfasser längst in seinen großen wissenschaftlichen Werken entlarvt .wurden,-; aber dennoch eine unverminderte Lebenskraft bewahren.

Das kleine Werk ist mit einer Reihe gut ausgewählter Bilder versehen, die teils als Kunstdrucktafeln dem Werk beigegeben, teils als Federzeichnungen in den Text eingestreut sind und die Darstellung des Verfassers bestens unterstützen.

VORARLBERG 1809. Ein Kampf um Freiheit und Selbständigkeit. Herausgegeben und verlegt vom Land Vorarlberg. 95 Seiten. 15 Abbildungen.

Jeder Oesterreicher, der die Jahreszahl 1809 hört, denkt sofort an die Schlachten von Aspern, Wagram und am Berg Isel, er denkt noch an Erzherzog Karl und Andreas Hofer und dann ist meist für ihn der Begriff „1809“ erschöpft. Mit Recht schlägt eine kleine, aber ausgezeichnet redigierte Schrift der Vorarlberger Landesregierung hier eine Bresche in diese landläufige Auffassung, indem sie auf die großen Heldentaten des kleinen Landes Vorarlberg in diesem denkwürdigen Jahre 1809 hinweist. Schon 1799 hatte sich das „Ländle“ erhoben und mit seinen Schützenkompanien den Franzosen eine vernichtende Niederlage in der Schlacht bei Feldkirch beigebracht. 1806 kam das Land als eines der Opfer des verlorenen Krieges von 1805 an Bayern. Obwohl sich die neue Verwaltung bemühte, für das Land einiges Gute zu tun, war Bayern nie beliebt. Hauptsächlich wohl, weil die bayrische Verwaltung streng zentralistisch ausgerichtet war und keine Rücksichten auf die alten Freiheiten des Landes und seine ständischen Privilegien nahm. Als daher 1809 der Sturm in Tirol losbrach, erhob sich auch alsbald Vorarlberg, und an dem gleichen Tag, da Andreas Hofer zum erstenmal am Berg Isel siegte, hatte auch Vorarlberg seinen „Berg Isel“: in der Schlacht bei Hohenems gelang es den Vorarlbergern, den Feind völlig aufzureiben und das Land vom Feind zu befreien. Aber Wagram besiegelte auch das Schicksal dieses Landes, und der todesmutige Versuch einiger Schützenkompanien, in einem nochmaligen Aufstand das kommende harte Los vom Lande abzuwenden, war umsonst. Wieder kam Vorarlberg zu Bayern, das dieses Land allerdings glimpflicher behandelte als Tirol. Erschießungen fanden zum Beispiel keine statt, nur hohe Kontributionen, an denen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gezahlt werden mußte, wurden gefordert, ebenso wie die Stellung von Geiseln, die aber auch schon nach einem halben Jahr freigelassen1 wurden. Die alte ständische Verfassung, die während der siegreichen Tage von 1809 wiederaufgelebt war, wurde von den Bayern neuerlich unterdrückt. Sie blieb auch ausgelöscht, als das Land 1814 wieder zu Oesterreich kam. Als nach 1848 überall in Oesterreich Landtage ins Leben traten, wurde ein solcher aber für Vorarlberg nicht geschaffen. Das Land wurde vielmehr an Tirol „angeschlossen“ und der Innsbrucker Statthalterei „unterworfen“. Diesen großen Fehler hat erst wieder die junge Republik Oesterreich gutgemacht oder vielmehr gutmachen müssen, da sich der Freiheitsdrang der Vorarlberger länger einen — wenn auch innerösterreichischen — „Anschluß“ nicht gefallen ließ.

So gedenkt denn Vorarlberg des Jahres 1809 nicht nur um der großen Siege willen, die dieses kleine Land über die ruhmvolle Armee des Korsen erringen konnte, sondern vor allem des Kampfes, den es um seine politische Freiheit, um sein eigenständisches politisches Leben führte. Und die es erst viele Jahrzehnte nach diesen Ereignissen von 1809 wiedergewinnen konnte. Die kleine Schrift aber, die von der Vorarlberger Landesregierung herausgegeben wurde, möge nicht nur in den Schulen des „Ländle" zu finden sein, sondern möge an alle Schulen Oesterreichs verteilt werden. Denn jeder Oesterreicher sollte Gelegenheit haben, die großen Taten seiner Söhne kennenzulernen. DDr. Willy Lorenz

USA - MOTIVE UND STRUKTUREN. Von Helmut Schöck. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart. 426 Seiten.

Von New York nach San Franzisko ist es in der Luftlinie so weit wie vom nordirischen Belfast nach Astrachan. Um die Hälfte größer als Europa, ohne Rußland, ist die Landfläche, die von den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Alaska nicht mitgerechnet, bedeckt wird. Und auf diesem gewaltig ausgedehnten Gebiet leben 170 Millionen Menschen, zu gut einem Drittel neu eingewanderte oder erst in der zweiten oder dritten Generation im Besitz des amerikanischen Bürgerrechtes; ein Volk, auf dessen Ahnentafel nicht eine der vielen und so verschieden gearteten europäischen Nationen fehlt. Trotzdem wird man auf die Frage: Wie sind die Amerikaner? fast immer Antworten bekommen, ąls handle es sich hier lediglich um die Einwohner einer kleinen, weltabgeschiedenen Ortschaft, die alle nahe miteinander verwandt sind und sich in Lebensauffassung, Gewohnheiten, charakterlichen Eigenschaften kaum unterscheiden. Die Amerikaner, so hört man, sind krasse Materialisten; sie sind großzügig und gebe-' freudig; sie sind kindlich-naiv; sie denken nur an Geld und Geschäft; sie haben ein hohes Maß von Idealismus; sie sind traditions- und kulturlos — und dergleichen bündige Pauschalurteile mehr. Aber wie sind die Amerikaner nun wirklich? Mit diesem sehr komplexen Problem hat sich Helmut Schöck, ein junger Soziologe, der seit; 1950 ständig in den USA lebt und dort an einer Universität doziert, durch sieben Jahre eingehend beschäftigt. Es war ihm nicht um eine Gesamtdarstellung zu tun, sondern um die Untersuchung vor allem jener Aspekte des amerikanischen privaten und öffentlichen Lebens, die vom Nichtamerikaner, auch wenn er glaubt, das amerikanische Wesen auf einem kurzen Besuch des Landes erforscht zu haben, am häufigsten mißverstanden werden und ihn zu Fehlschlüssen verleiten. Schöck beherrscht seine Materia gründlich, und deshalb ist er vorsichtig mit der Aufzählung dessen, was als „typisch amerikanisch“ gelten mag, dabei aber vielleicht doch nur für eine bestimmte Klasse der amerikanischen Gesellschaft oder eine bestimmte Region charakteristisch ist oder eher als etwas „typisch Europäisches“, das in den USA Eingang gefunden hat, zu bezeichnen wäre. Hierher gehört u. a. auch die Verstaatüchungsmanie europäisch-sozialistischer Provenienz, gegen die ein Volk, welches seinen beispiellosen wirtschaftlichen Aufstieg ausschließlich dem persönlichen Unternehmungsgeist und dem Wagemut seiner Bürger verdankt, vernünftigerweise immun sein sollte; oder, ungeachtet des warnenden Beisnjels Großbritanniens, das um sich greifende Verlangen nach dem totalen Wohlfahrsstäat, dessen Kosten die wirtschaftlichen Kräfte selbst der Vereinigten Staaten übersteigen würden. „USA — Motive und Strukturen“ ist ein gescheites und sehr anregendes Buch und mit viel Humor geschrieben. Es sollte weite Verbreitung finden.

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