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Vor einem halben Jahrhundert

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Fast makellos, fast perfekt: ein wollüstiger Frühlingshimmel spannt sich über den Gebäuden, den Treppen, den Torbögen, über der steingewordenen Barockseligkeit. Satt tragen die Dächer die Türme, es blüht über den Parkplätzen und neben dem Wirtschaftstrakt, in die weißgelbe Pracht des ersten Innenhofes ergießt sich das Sonnenlicht, blaßgolden, ein Mückenschwarm probiert die ersten Tänze. Unweit rauscht die Donau, weit kann man ins Land schauen von den geschwungenen Treppen zum Stiftsgarten. Eine holländische Reisegruppe erholt sich bei Bier und Kaffee von der Führung durch Säle und Bibliothek, die Oleanderbäume stehen im Freien, erst um 18 Uhr wird das große Tor geschlossen - Stift Melk in Erwartung der Fremdenverkehrssaison.

Die Vertreter der Steyr-Daimler-Puch AG und der SS suchten im März 1944 nach einem geeigneten Standort für ein KZ. Die Birago-Kaserne in Melk vmrde dafür am 1. April 1944 von der Wehrmacht freigegeben, am 21. April trafen die ersten 500 Häftlinge aus Mauthausen in Melk ein. Bis zum Sommer arbeiteten sie am Ausbau ihres eigenen Lagers, im Herbst benötigte man zusätzlich ein eigenes Krematorium, wegen der hohen Zahl an Toten. Die Rüstungsproduktion der SDP-AG sollte bombensicher unter der Erde weiterlaufen können. Kein Vernichtungslager, ein Arbeitslager. .

Innerhalb eines Jahres starben über 5.000 Menschen an Unterernährung, brutaler Behandlung durch die Aufseher und an den mörderischen Arbeits- und Lebensbedingungen. Für Nachschub war ja gesorgt. Beschäftigungspolitik eben.

Das Krematorium existiert noch, eine winzige Gedenkstätte im Schatten des strahlenden Stifts. Stört kaum.

„Gegen Gewalt und Vergessen" traten zwei junge Leute aus dem Bezirk an. Veranstaltungsreihe. Erbettelten das Geld. „Merk-würdig" überschreiben sie ihre drei bunten Wochen. Der Abt war dafür.

Während der Saison kann das Stift sowohl mit als auch ohne Führung besichtigt werden.

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