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Wie es wirklich war

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Man schrieb Pfingstsonntag, den 19. Mai 1959. In der Frühe rief mich Frl. Hella Lainer, die langjährige treue Sekretärin von Dr. Friedrich Funder, an, und teilte mir bewegt mit, daß ihrer Meinung nach der letzte Tag Dr. Funders gekommen sei. Seit Monaten wußten wir, die um Dr. Funder lebten, daß diese Stunde kommen werde, und jetzt, da sie endgültig kam, traf sie uns hart und unerbittlich. Es war schmerzlich gewesen, das langsame Abschiednehmen Dr. Funders von dieser Welt miterleben zu müssen, und, es war noch schmerzlicher, von diesem großen Geist jetzt für immer Abschied zu nehmen. Ich ging in die Strozzi- gasse in die Wohnung Dr. Funders. Sein Zimmer war verdunkelt, und am Kopfende des Bettes betete eine Krankenschwester still den Rosenkranz. Dr. Funder lag schon in Agonie. Sein Atem ging kurz und stoßartig. Sein imponierender Kopf war noch imponierender geworden. Doktor Fritz Heer, der ebenfalls an das Sterbelager geeilt war, flüsterte: „Dr. Funder sieht aus wie der Löwe von Aspern." Kurz nahm ich Abschied und ging nach Hause, bedrückt von vielen Gedanken. Wer würde das Werk von Dr. Funder fortführen können, in seinem Geist und in seiner Art? Die „Furche“ war so sehr sein Werk gewesen und so sehr auf seine Persönlichkeit zugeschnitten, daß diese Frage wohl kaum endgültig beantwortet werden konnte.

Daneben bedrückten mich andere Gedanken. Ich war überzeugt, daß wir auf dem Gebiete des Schrifttums am Vorabend einer Revolution stünden. Im Sommer 1957 hatte ich bei der Dreiländertagung des katholischen Buchhandels in Wien einen Vortrag mit dem Thema „Das Ende des Lesezeitalters“ gehalten. Das Fernsehen, so war meine Überzeugung, werde in vielen Belangen das Schrifttum ablösen, ja es werde auf diesem Gebiet ein Umschwung stattfinden, ähnlich, wie ihn die Verdrängung der Postkutsche durch die Eisenbahn dargestellt hatte. Auch war ich überzeugt, daß wieder einmal eine Wirtschaftskrise kommen werde. Würde sie eine Hausse-Krise sein, wie die Krise von 1929, würde sie eine Baisse-Krise sein, würde sie eine ganz neuartige Krise sein, aui die man sich gar nicht vorbereiten konnte? Dazu kam eine weitere Sorge um die „Furche“ selbst. In den letzten Lebensjahren Funders begann ihr Bezieherstand bereits langsam, aber konstant abzubröckeln. In ihrer besten Zeit hatte sie eine Auflage (allerdings nur eine einzig Nummer) von 50.000 Exemplaren erlebt und war dann auf 20.000 her- untergesuniken. Viele bezogen di „Furche“ aus Treue zu Dr. Funder würden jetzt diese zum größten Teil nicht alle abfallen? Die Generalversammlung des katholischen Pressvereins Herold, die sich mit der Nachfolge Dr. Funders als Her ausgeber und Chefredakteur der „Furche“ zu beschäftigen hatte, stand vor einer schweren Aufgabe.

Als Geschäftsführer eines Unternehmens hat man die Pflicht, dem Aufsichtsrat oder der Generalversammlung seines Unternehmens schon jeweils die Skizze eines Planes vorzulegen, mit der eine Situation gemeistert werden sollte. Und so kam ich denn als Geschäftsführer der Herold-Gesellschaft m. b. H., der die „Furche" gehörte, zur Generalversammlung des Vereines Herold, die nach dem Tode Dr. Funders abgehalten wurde, bereits mit einem Plan, wie der „Furche“ zu helfen wäre, ja wie eventuell kommenden Krisen gleich ein starker Riegel vorgeschoben werden könnte. Bevor ich mit diesem Plan in die Generalversammlung ging, hatte ich ihn mit einigen Mitgliedern des Vereines Herold besprochen, um deren Meinung zu sondieren. Der Plan fand keine Ablehnung, und so brachte ich ihn denn dem Plenum vor.

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