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Zwischen Nietzsche und Kafka
Man wird sich zuerst ungern und hart an ihn gewöhnen, seine unerhörte monströse Art stößt zunächst nicht ab. Wir fühlen uns kalt nur umfangen. Doch er wird sie unerschütterlich beugen alle, die Gebildeten, zuvorderst. Sein stählernes Joch ist schwer und zwingt zum Gehorchen. Hat man ihn aber erkannt, so schenkt uns dieser Menschenteufel seine geheimnisvollen Schätze in großmütiger Weise. - Da muß ich lachen wenn ich höre wie Kritiker und ähnliche Geistchen über ihn, dieses geradezu einzige Phänomen sprechen ...”
So schrieb einst, in sehr jungen Jahren, Alfred Kubin über Alfred Kubin. Die Schrift „Einige Worte über das Schaffen und den Menschen Alfred Kubin” erlebte dieser Tage ihre erste öffentliche Lesung bei der Tagung „Magische Nachtgeschichte - Alfred Kubin und die phantastische Literatur seiner Zeit” im Linzer Adalbert-Stifter-Institut.
Der junge Münchner Germanist Andreas Geyer hat sich die Mühe gemacht, die literarischen Versuche des Zeichners vor seinem Boman „Die andere Seite” zu entdecken. Das war schwierig, weil Kubin eine schwer lesbare Handschrift hatte und in der Selbst-Stilisierung zur Kunstfigur sehr weit ging. In seiner Münchner Studienzeit gab er sich als Dichter-Philosoph. Seine Freunde waren überzeugt, daß er an wesentlichen philosophischen Werken arbeitete, und die Schrift „Der Sohn als Weltenwanderer” wurde bis heute von der Sekundärliteratur als vorhanden (wenn auch von niemandem gelesen) überliefert, obwohl sie nie existierte.
Wohl aber konnte Geyer die eingangs zitierte Schrift entziffern und für den Druck vorbereiten. Eine größere Arbeit über das literarische Schaffen Kubins wird im Böhlau-Verlag erscheinen. Zeigt er sich hier unter dem Einfluß des Nietz-sche'schen Ubermenschen”, wenn er Unsicherheiten und Verletzungen überkompensiert, so dürfte die kurze Schrift über das Weib (ebenfalls vermutlich 1902 entstanden) auf die Lektüre Weiningers deuten.
Andreas Geyer weist in diesen frühen Schriften Motive nach, die später in der „Anderen Seite” wiederkehren. Er wendet sich „gegen die von Kubin so gern verbreitete Version, ,Die andere Seite' sei sozusagen rein intuitiv und ohne Vorausplanung entstanden”.
Größte Aufmerksamkeit verdiente auch der Symposions-Beitrag der tschechischen Germanistin Eva Ko-lafova über Kubins Beziehungen zu Böhmen. Das war nicht nur die Heimatstadt Litomefice (Leitmeritz), die erst 1927, zu seinem 50. Geburtstag wiedersah. Es waren auch nicht allein die Sommer-Aufenthalte im geliebten Böhmerwald. Auf Beisen nach Prag fand er 1911 Kontakte zur deutschsprachigen Literatur, zu Oskar Baum, Otto Pick, Franz Wer-fel, Willy Haas, Max Brod und Franz Kafka. Brod und Franz Blei forderten den persönlichen Kontakt zu Kafka. Die Wertschätzung Kafkas für Kubins „Andere Seite” ging der persönlichen Begegnung voraus, die dann allerdings weniger ergiebig war.
Die Referentin erinnerte sich an zwei tschechische Briefpartner Kubins zwischen 1942 (also noch zu Protektorats-Zeit) und 1951. Von Frantisek Holesovsky erhielt er Zeitschriften, Bücher und Kataloge, die ihn mit tschechischen Künstlern bekannt machten, deren Schaffen er mit Interesse kommentierte.
Auch mit dem Germanisten Ludvik Kundera (dem Vetter von Milan Kundera) gab es zwischen 1944 und 1951 einen Briefwechsel, als der Tscheche den Roman „Die andere Seite” übersetzen wollte. Tatsächlich erschien diese Übersetzung 1947 in Kladno, wurde aber nach Machtergreifung der Kommunisten 1948 beschlagnahmt und eingestampft. Erst 1981 erschien die Übersetzung in Zürich und wurde einzeln ins Land geschmuggelt: „Kubins schreckliche Vision war in dem Land, das er so sehr liebte, wieder einmal zur Wirklichkeit geworden.” (Kolafova)
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