Geschichten vom Ankommen

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"Du hast keine Geschichte, weil du, auch wenn du auf der Straße gehst, niemanden siehst, der dich kennt", erinnert sich der Schriftsteller Dimitré Dinev an seine ersten Erfahrungen in der Fremde. Vom Ankommen in einem Territorium, in das man seinen Fuß setzt, bis zum Ankommen in einer Gesellschaft als "funktionierendes Rädchen"(Michael Stavaric), mit der Möglichkeit, nicht mehr auf der Schwelle zu stehen, sondern "einen solchen Platz einzunehmen, der einem sowohl das Beobachten als auch das Kommentieren ermöglicht" (Julya Rabinowich), ist es oft ein weiter Weg. Nicht selten endet dieser aber schon im Vorzimmer oder in der Abstellkammer. Auch davon erzählten mir Dimitré Dinev, Anna Kim, Radek Knapp, Julya Rabinowich und Michael Stavaric, als ich mit ihnen für das soeben erschienene Buch "Ankommen" über ihre Erfahrungen und ihr literarisches Werk sprach. Dabei wurde auch deutlich, wie fragwürdig manche Platzanweisungen sind. Gemeinsam ist diesen Autoren, dass sie die Literatur nicht in ihrer Muttersprache, sondern auf Deutsch verfassen. Sie mussten versuchen, in einer anderen Kultur als jener der Eltern anzukommen - in die sie freiwillig oder unfreiwillig, als Kind oder als Erwachsene gekommen waren. Die Sehnsucht nach dem großelterlichen Haus in Polen "war das bohrendste und intensivste Gefühl, das ich wohl überhaupt kennengelernt habe", erzählt Knapp. Kim wiederum erinnert den grausamen Ausschluss, den ein Kind erfährt, das anders aussieht. Rabinowich erzählt von einem enormen Anpassungsleistungsdruck. Und Dinevs Behauptung führt mitten in die Literatur, um die es in diesem Buch auch geht: "Jetzt erzähle auch ich, weil ich ein Mensch bin, und das darf ich und keiner kann mich daran hindern."

Ankommen

Gespräche mit Dimitré Dinev, Anna Kim, Radek Knapp, Julya Rabinowich, Michael Stavaric. Von Brigitte Schwens-Harrant.

styria premium 2014, S. 208, gebunden, € 19,99

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