"Gesehen, gesehen, nicht gesehen"

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Zurück von der Biennale in Venedig vergleicht man das geschaffte Pensum mit den Medienberichten. Die Biennale hat einen Umfang erreicht, der es niemandem mehr ermöglicht, sie ganz zu sehen. Der Anspruch, die ganze Biennale zu sehen, ist ebenso obsolet geworden wie die Diskussion um die Pavillons der Nationen. Alles ist möglich. Deutschland zeigt im Pavillon, der eigentlich Frankreich gehört, vier Künstler, von denen nur einer in Deutschland lebt, während Frankreich im deutschen Haus einen gebürtigen Albaner vorstellt. Österreich verhält sich mit einem ausgewanderten Künstler, den ein eingewanderter Kommissär auserkoren hat, nachgerade konformistisch. Erinnert sich noch jemand, dass es das brave Österreich war, das vor zwanzig Jahren rebellisch die Spielregeln gebrochen hat? Peter Weibel schickte neben Gerwald Rockenschaub einen Schweizer und eine Amerikanerin ins Rennen. Das war damals was.

Bei jedem Biennalebesuch erinnert man sich an die vielen Biennalen davor. War früher alles besser? Eh klar. Klinge ich wie eine ermüdete Veteranin? Ich fürchte es.

Vielleicht ist die schwammige Hauptausstellung schuld am Ennui. Ihr fehlt der intellektuelle Pfeffer, der lagunenmüde Geister auf Trab bringt. Eine schöne, kluge, präzis eingerichtete Hauptausstellung legt das Fundament für alle weiteren Eindrücke, die man je nach Kondition hinzufügen mag.

Biennale-Leiter Massimiliano Gioni lädt in einen "enzyklopädischen Palast": ein Sammelsurium neuester Kunstmarktkunst, historischer Fundstücke, Kunst von Weltverbesserern, Satanisten, Autisten und Individualisten. Das gemeinsame Fundament fehlt, und das Gehen auf schlecht stabilisiertem Grund macht bekanntlich schnell müde.

Die Autorin ist Direktorin des Lentos Kunstmuseums Linz

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