Gesichter des Judentums Titel

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Zwei Bücher aus dem Verlag Knesebeck sind Wegweiser zu de Strömungen des Judentums.

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Zwei Bücher aus dem Verlag Knesebeck sind Wegweiser zu de Strömungen des Judentums.

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Als Wilhelm Busch seine antisemitischen Karikaturen zeichnete, jawohl, das tat er, lag Lessings historische Begegnung mit Moses Mendelssohn, die dazu beitrug, einigen echten oder vermeintlichen deutschen Aufklärern die Augen für das Judentum zu öffnen, schon weit zurück. Busch wußte wohl vom Judentum sehr wenig - zu den auffallendsten Konstanten in der Geschichte der Beziehungen zwischen Christen- und Judentum zählt wohl christliches Nichtwissen über das Judentum. Solches Nichtwissen gehörte aber stets zum Nährboden des Antisemitismus. Was freilich nicht heißen soll, daß Kenntnis des Judentums in allen Fällen vor Antisemitismus schützt.

Aber auch Nichtjuden, die dem Judentum grundsätzlich positiv gegenüberstehen, bis hin zu überzeugten, gefestigten Gegnern des Antisemitismus, leben oft genug in einer mehr oder weniger ausgeprägten Unwissenheit über das Judentum, verfügen allenfalls über einige Basiskenntnisse - wobei zu sagen ist, daß auch viele Juden ihr zu geringes Wissen über das Judentum beklagen. Zwei Neuerscheinungen sind bestens geeignet, dem effizient abzuhelfen. Beide Bücher sind im Verlag Knesebeck erschienen und ergänzen einander sehr gut.

"Das Judentum hat viele Gesichter - Die religiösen Strömungen der Gegenwart" heißt das eine, "Progressives Judentum - Leben und Lehre" das zweite, mit dem man tiefer in eine wichtige dieser Strömungen, die Welt des Reformjudentums, eintaucht. Alle drei Autoren sind Rabbiner; einer von ihnen, Walter Homolka, hat an beiden mitgearbeitet.

Was bedeutet eigentlich der Begriff "Liberales Judentum"? Ist es dasselbe wie "Reformjudentum"? Und wodurch unterscheidet es sich vom rekonstruktivistischen Judentum? Und kann man auf der anderen Seite des Spektrums einen chassidischen Juden mit einem orthodoxen Juden gleichsetzen? Hand aufs Herz, da kommen viele von uns ins Schwimmen, und Fragen nach der Neo-Orthodoxie, nach Mizrachi, oder wie Agudat Jisrael oder Gusch Emunim einzuordnen seien, macht die Verwirrung vollständig. Dabei begegnen uns Begriffe wie diese immer wieder - ob in einem Bericht über Koalitionsstreitigkeiten in der Knesseth, Israels Parlament, oder einer Reportage über die Juden New Yorks.

Das erstgenannte Buch schrieben zwei Antipoden gemeinsam: Der orthodoxe Rabbiner Gilbert S. Rosenthal, ein konservativer Jude, der aber als Generalsekretär des New Yorker "Board of Rabbis" alle Richtungen vertritt - und Niedersachsens Landesrabbiner Walter Homolka, der auch als Richter am Europäischen Rabbinatsgerichtshof amtiert. Dabei ist etwas Wunderbares herausgekommen: Eine knappe, sachliche, doch engagierte Darstellung, die verhindert, daß sich der Leser künftig irgendwo zwischen den Verzweigungen der jüdischen Hauptströmungen in Israel, Europa oder - wo einem das besonders leicht passiert - in Amerika verirrt. Dem dient auch ein übersichtliches Diagramm.

Das zweite Buch, "Progressives Judentum", bietet mehr, als der Titel verspricht, nämlich eine fundierte Einführung in die Welt des Judentums, seine Vorstellungen ebenso wie seine Traditionen und Bräuche, wobei wir gerade durch die Abgrenzung - vor allem von der Orthodoxie - auch über die feinen Unterschiede der Auslegung manch Interessantes erfahren. Wir lernen hier das progressive Judentum als eine Bewegung kennen, die durch vorsichtige Modernisierungen das Überleben des Judentums in einer sich verändernden Welt sicherzustellen sucht: Juden die Möglichkeit haben, in der modernen Gesellschaft zu leben, sich in sie zu integrieren, nicht zu Fremdkörpern zu werden, ohne daß dabei Essentielles preisgegeben wird: Ein Nichtjude würde feststellen, daß im orthodoxen wie im progressiven Gottesdienst Hebräisch gesprochen wird, die Stammgebete dieselben sind, die Betenden Kopfbedeckung und Gebetsschal tragen, daß sie ihre männlichen Säuglinge beschneiden und für die Toten Kaddisch beten, dieselben Nahrungsmittel essen oder meiden, sich für Israel einsetzen und an den unkörperlichen, aber sich offenbarenden Gott glauben.

DAS JUDENTUM HAT VIELE GESICHTER Von Gilbert S. Rosenthal und Walter Homolka öS 200 Seiten, geb., öS 291,-/e 21,14 PROGRESSIVES JUDENTUM Von Jonathan Romain und Walter Homolka 384 Seiten, geb., öS 437,-/e 31,75 Beide Verlag Knesebeck, München 1999

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