Gespieltes und dokumentiertes Jahrhundertleben

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Am Fronleichnamstag steht im ORF 2-Hauptabend der Film "Der Kardinal“ auf dem Programm. Die Spieldokumentation von Andreas Gruber will Kardinal König (1905-2004) heutig machen.

Schließlich war er das personifizierte Gewissen des Landes geworden: Als Kardinal König im März 2004 starb, ging für Österreich und seine katholische Kirche ein Jahrhundert zu Ende. Das galt nicht nur fürs Lebensalter dieses Kirchenmannes, das eben ein solches umspannt hatte: Von der Monarchie über die leidvolle Zwischenkriegszeit, den Abgrund des NS-Regimes, die Besatzungszeit und den Wiederaufbau, die neue Wohlstandgesellschaft, aber auch den Aufbruch des II. Vatikanums und den späteren Niedergang seiner Kirche in Österreich. Solch ein Leben birgt Stoff für Dramen, die einen Filmemacher und eine Fernsehanstalt reizen, sodass über den Jahrhundertkardinal am 23. Juni auf ORF 2 der Film "Der Kardinal“ on air geht.

Aufbrüche und Dramen in Spielfilmlänge

Natürlich reicht eine Spielfilmlänge nicht aus, um die vielen Aufbrüche und Dramen im Leben des Franz König darzustellen. Dem Team rund um Regisseur Andreas Gruber ist es aber darum zu tun, exemplarisch ein Leben in Spiel und Dokumentation auszubreiten. So etwa den Unfall auf der Fahrt zum Begräbnis von Studienkollegen Kardinal Alojzije Stepinac nach Zagreb 1960: der Fahrer tot, König lebensgefährlich verletzt, Zeremoniär Helmut Krätzl schwer. Ob vom Unfall beeinflusst oder nicht: König knüpft danach - auch im Auftrag Johannes XXIII. - Kontakte in den Osten. Er besucht den in der US-Botschaft in Budapest exilierten Kardi-nal József Mindszenty und baut zu ihm ein durchaus friktives Verhältnis auf. Er sucht als einer der ersten Erzbischof Karol Wojtyla in Krakau auf. König soll 1978 einer der Papstmacher Johannes Pauls II. gewesen sein - und wird von diesem "links“ liegen gelassen, als er 1986 den marienfrommen und später als Missbrauchstäter abgetretenen Hans Hermann Groër zum Nachfolger macht: An dieser Weichenstellung trägt König schwer. Der Zeithistoriker Gerhard Jagschitz merkt im Film an, dass König auch in diesen für ihn schwierigen Zeiten nicht einen Funken Illoyalität erkennen lässt.

Davor findet das II. Vatikanische Konzil (1962-65) statt, das König etwa in der Formulierung der Erklärung "Nostra Aetate“ über die nichtchristlichen Religionen mitprägt, er wird das Konzil einmal als "wichtigstes Ereignis meines Lebens“ bezeichnen. In Österreich wird an ihm und Bruno Kreisky die Aussöhnung zwischen katholischer Kirche und SPÖ personifiziert, die 1974 mit der Fristenlösung eine neue, harte Probe erlebt.

All dies und noch viel mehr will der Film einfangen. Er tut dies im Genre Spieldoku, jener Mischform von Spielfilm und Dokumentation, die etwa der deutsche Filmer Heinrich Breloer zur Meisterschaft gebracht hat (z.B. "Die Manns“, 2001).

Ob "Der Kardinal“ ähnlich reüssieren kann? Eines ist dem Filmteam zu konzedieren: Die Verpflichtung August Zirners als Kardinal König bürgt für die exzeptionell eindrückliche Darstellung des Protagonisten. Auch die Riege der gespielten Zeitgenossen ist erstklassig besetzt: Peter Fitz als Kardinal Mindszenty, Wolfgang Hübsch als Warschauer Kardinal Wyszynski, Volkmar Kleinert als Karol Wojtyla/Johannes Paul II., Peter Lerchbauer als Bruno Kreisky.

Manche in den Spiefilmszenen Dargestellten (der Zeremoniär und spätere Weihbischof Helmut Krätzl oder Königs Büroleiterin Annemarie Fenzl) äußern sich auch im Dokumentarteil. Königs letzter Zeremoniär Wolfgang Moser spielt sich sogar selber. Andere Figuren sind "zusammengefasste“ Fiktionen wie der "Herr im Lodenmantel“, der den Denunzianten und Vernaderer Königs in Rom gibt und interessanterweise von Michael Schönborn, dem Bruder des Nachnachfolgers von König, dargestellt wird. Eine Kompilation von Charakteren stellt auch die Figur von Pfarrer Karl (Rainer Egger) dar, in die der legendäre Pfarrer Franz Jantsch (Südstadt, Hinterbrühl; 1909-2006) eingearbeitet ist: Dessen "Gardinenpredigt“ auf Königs 90. Geburtstag findet gleichfalls Eingang in den Film - Regisseur Andreas Gruber bezeichnet diese als Schlüsselszene seiner filmischen Annäherung.

Das Spiel vom Sterben des Kirchenmannes

Sieben Jahre nach Kardinal Königs Tod steht es wohl an, "sein“ Jahrhundert mit den unglaublichen Facetten seines Wirkens auch filmisch darzustellen. Regisseur Gruber greift - etwa bei der Inszenierung von Königs Eucharistiefeier im Sterbebett - auch tief in den Gefühlstopf; ein kleiner Antagonismus, wo er doch im FURCHE-Gespräch (siehe unten) Kardinal König als besonders "unprätentiösen Menschen“ charakterisiert. Ins Spiel vom Sterben des großen Kirchenmannes ist aber auch das Statement des kühlen Hanseaten Helmut Schmidt montiert, in dem der deutsche Altkanzler seine Begegnung mit der Spiritualität des Kardinals ergreifend schildert.

Ob das Mittel der Wahl, König heutig zu machen, das gefilmte Spiel oder doch eher der klassische Dokumentarfilm ist? "Der Kardinal“ bietet abseits solcher Fragestellung genug Berührung sowie Stoff zur Auseinandersetzung mit einer prägenden Gestalt des österreichischen 20. Jahrhunderts.

Der Kardinal

A 2011. Regie: Andreas Gruber.Mit August Zirner, Peter Lerchbaumer, Katharina Lorenz, Reinhard Egger, Michael Schönborn.

Do, 23. Juni,

21.20, ORF 2

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