Gespür für Bernhards Dramenwelt

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Das Wiener Theatermuseum widmet dem 1989 verstorbenen Thomas Bernhard eine Ausstellung. Anhand von bislang unbekannten Nachlassmaterialien wird die Entstehungsgeschichte seiner Dramen veranschaulicht. Das Museum wird zur Bühne Bernhards.

Thomas Bernhard – Der Untertreiber, müsste es heißen, wenn es nach der mittlerweile verstorbenen Schriftstellerin Marianne Fritz ginge. Anlässlich des 20. Todestages ist Bernhard nun eine Ausstellung im Österreichischen Theatermuseum gewidmet. In den zwei Räumen, die unter dem Motto „einerseits“ und „andererseits“ gestaltet sind, werden die wesentlichen Theaterstücke Bernhards und ihre Aufführungsgeschichte vorgestellt.

So trägt der linke Raum, das Rondeau, den Titel „einerseits“: Er ist thematisch nach den Wiener Uraufführungen – der „Jagdgesellschaft“, „Ritter, Dene, Voss“ und „Heldenplatz“ – sortiert. Der rechte Raum, das Kabinett, ist mit „anderseits“ überschrieben und widmet sich den „Salzburger“ Stücken: „Der Ignorant und der Wahnsinnige“, „Der Theatermacher“ und „Macht der Gewohnheit“.

Einerseits – andererseits

Dieses „einerseits, andererseits“ fasst auf sprachlicher Ebene die Gleichzeitigkeit des Unter- und des Übertreibens, des Wiener und des Salzburger Lebens sowie die privaten Lebensmenschen Hedwig Stavianicek und Johannes Freumbichler, Bernhards schreibenden Großvater, zusammen. Es steht aber auch verdichtet für Bernhards Sprache, seine verschachtelten Satzreihen sowie die schier endlosen Wiederholungsspiralen.

Die Ausstellung, die von den beiden Germanisten Martin Huber und Manfred Mittermayer kuratiert wurde, ist insofern neu- und einzigartig, da sie anhand von bislang unbekannten Nachlassmaterialien die Entstehungsgeschichte der Dramen veranschaulicht. Handschriftliche Skizzen, Typoskripte, die Bernhard umarbeitete, persönliche Aufzeichnungen und vor allem Briefe verleihen den Exponaten Authentizität oder besser: machen die Aura des Originals deutlich.

Da ist etwa ein Schreiben, in dem Bernhard Claus Peymann aus politischen Gründen untersagt, die Inszenierung des „Theatermachers“ in Brüssel gastieren zu lassen, oder ein Telegramm (in der Musterschüler-Handschrift des Ohlsdorfer Postbeamten notiert) vom damaligen Unterrichtsminister Fred Sinowatz, der Bernhard darin mitteilt, dass man sich nicht für ihn als Burgtheaterdirektor, sondern für „eine schauspielerloesung“ – also Achim Benning – entschieden habe. Bernhard verarbeitete die Beinahe-Burgtheaterdirektion in einem bislang unveröffentlichten Typoskript mit dem Titel „Wie ich Burgtheaterdirektor werden sollte“: „in Deutschland ist schon alles ziemlich scheusslich, was mit Kultur zu tun hat und es ist das meiste inkompetent, vorgeheuchelt und verlogen. Aber die Meister der Heuchelei, Verlogenheit und der Inkompetenz und die Grossmeister der Intrige sitzen immer in Wien!“

Kreativ inszenierte Stimmungsbilder

Peter Karlhubers besondere gestalterische Handschrift wurde schon mehrfach in der FURCHE besprochen, und auch diesmal zeigt sich, wie ungewöhnlich kreativ er Räume und Stimmungsbilder inszeniert, die direkt in Bernhards Dramenwelt hineinführen.

Der begleitende Band intensiviert die Frage nach der Beziehung Bernhards zur damaligen Kulturpolitik und zum Theaterbetrieb bzw. beleuchtet die Rezeption seiner Stücke. Bernhards Theater(-Verständnis) bleibt in den ausschließlich von Germanisten verfassten wissenschaftlichen Essays jedoch ein Desideratum. Allein Stefan Krammers Beitrag zur Dramaturgie des Schweigens bzw. den Figurenbeziehungen zeigt, dass „das Theater“ kein ferner Untersuchungsgegenstand der Germanistik ist, sondern längst eine eigene Fachdisziplin zu seiner Erforschung kennt. So enttäuscht zwar der Begleitband, doch macht dies die Ausstellung wett, die das Theatermuseum zur Bühne Bernhards erklärt.

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