Gewalt gegen Schwächere

Werbung
Werbung
Werbung

Sie trampeln durch den Bus, von der Einstiegstür vorne bis zu ihren Sitzplätzen, die sie ganz hinten einnehmen, zwei etwa Vierzehnjährige, erst halbwegs groß gewordene Buben mit viel Gel im Haar. Mit ihrem rüden Ton sichern sie sich die Aufmerksamkeit der Mitreisenden. Bestimmt überlege nicht nur ich, jetzt, sofort und gleich nach hinten zu gehen, um ihrer Provokation ein Ende zu machen, etwa in dem Sinne: "Es ist für alle Leute im Bus superinteressant, was ihr erlebt habt, aber bitte: ab sofort ein wengerl leiser!" Wieso fällt mir für meine geplante Aktion das altmodische Wort "anherrschen" ein? Dann bleibe ich, wie die anderen auch, doch auf meinem Platz.

Die beiden sind Brüder. Fluchen nur so vor sich hin. Jetzt erst verstehe ich überhaupt, worum es geht: Sie empören sich darüber, dass der Vater ihre Mutter brutal geschlagen hat. Und weil einer der beiden den Vater unterbrechen wollte, ihn angeschrieen hat, er möge aufhören, wurde auch er geohrfeigt. Er stellt die Szene noch einmal nach, die der andere ohnehin gesehen hat: Der Vater hat ihn gewarnt, dass er sich nicht einmischen soll, und dann wiederholt "Hände runter!" geschrien und ihm zwei Schläge ins Gesicht geknallt. So war das. Gleich fällt ihnen noch ein Freund ein, dessen Vater ebenfalls seine Frau schlägt, und darauf folgen weitere Geschichten familiärer Gewaltanwendung.

Als sie aussteigen, finde ich ihren Zorn allzu begreiflich. Aber ich kann nichts tun. Das macht mich unzufrieden. Sie tun mir irgendwie Leid, natürlich. Aber ich weiß, dass das eine ziemlich unnütze Haltung zu dem Thema ist, zur Gewalt gegenüber Schwächeren und zur weit verbreiteten Unfähigkeit, Konflikte ohne Schlägerei zu lösen.

Der Autor arbeitet am Kulturforum der Österreichischen Botschaft in Berlin.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung