Gewinn durch Wind und Grips

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Kein Licht, kein Warmwasser, keine Heizung. Zehn Jahre ist es her, dass in Teilen Skandinaviens für einige Stunden gar nichts mehr ging. Ein Schaltfehler im schwedischen Atomkraftwerk Oskarshamn hatte am 23. September 2003 per Kettenreaktion die Stromversorgung von ganz Südschweden, der dänischen Insel Seeland inklusive der Hauptstadt Kopenhagen oder auch der Ferieninsel Bornholm lahmgelegt. Vier Millionen Menschen waren damals ohne Energie. Wenn in Dänemark Ende September der Strom ausfällt, werden aber nicht nur Endverbraucher nervös. Denn die Energieversorgung im Hoheitsgebiet von Königin Margrethe II. ist komplex: 1400 Inseln mit Energie zu bespielen - das hört sich nicht nur nach einer echten Herausforderung an.

Mit "Grid“ und Grips

In Dänemark, dem Land der höchsten Endverbraucher-Preise in Europa, spielt der Stromverbrauch eine ganz besondere Rolle. Auch für die Bewohner der 41.000-Einwohner-Insel Bornholm. Mit seinen weithin sichtbaren Photovoltaik-Anlagen und Windparks ist das Eiland bereits mehr als nur Musterschüler im Bereich der nachhaltigen Energie. Vor zwei Jahren setzte man den nächsten ökologischen Schritt. Dass Neuerungen auf dem Energiesektor nicht nur die Stromerzeugung, sondern auch den Endverbrauch betreffen mussten, war dabei klar. Angesichts der Tatsache, dass in Häufigkeit und Intensität von Windaufkommen und Sonnenschein nicht eingegriffen werden kann, war die Herausforderung vielmehr, den Verbrauch des Stromaufkommens intelligent zu regeln. Die Lösung brachte ein mit 23 Millionen Euro gefördertes EU-Projekt, das seit 2011 den Bornholmer helfen soll, im Land der höchsten Endverbraucher-Preise Europas Strom zu sparen.

Und weil den Bornholmern klar ist, dass Windmühlen und Sonnenkollektoren alleine noch keinen Strom garantieren, starteten sie vor zwei Jahren die Energiewende Nummer zwei. Mit Geldern der EU begann man 2011 auf Bornholm mit der Installation spezieller Stromzähler, die heute bereits in 2000 Haushalten dabei helfen, Strom zu sparen. Etwa dann, wenn abendlich befüllte Waschmaschinen erst mit der Arbeit beginnen, wenn es für den Bornholmer Endverbraucher billig ist. Was sich utopisch liest, bildet den Kern des Projektes "Eco-Grid EU“.

Anstatt die Erzeugung dem Verbrauch anzupassen, wird hier der Verbrauch selbst gesteuert, und das entsprechend dem aktuell verfügbaren Stromaufkommen, das auf Bornholm ohnehin schon zur Hälfte erneuerbare Energiequellen speisen.

Fernseher, Computer, Spülmaschinen, Herde - sie alle sind in Bornholm seit 2011 mittels angebrachter Stromzähler mit dem Energieversorger vernetzt. Erst, wenn das Windstrom-Netz wieder voll ist und der Preis am günstigsten, beginnen programmierte Maschinen mit der Arbeit. Das technische Konsortium von Eco-Grid besteht unter anderen aus dem Siemens Konzern, IBM und dem österreichiscen AIT (Austrian Institute of Technology).

Mit dieser Lastmanagement-Lösung will man den Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch schaffen und einen Strom-Marktplatz bilden, der deshalb nahezu in Echtzeit arbeitet, weil der Energieversorger ständig aktualisierte Preissignale empfängt.

EcoGrid-EU scheint alle daran Beteiligten als Gewinner aussteigen zu lassen. Denn "Smart Grids“, also energieeffiziente und umweltgerechte Lösungen zum Aufbau intelligenter Stromversorgungsnetze, nützen nicht nur dem Bornholmer Endverbraucher, der damit umgerechnet etwa hundert Euro an Energiekosten pro Jahr spart. Für Elektronik-Riesen wie Siemens sind sie mittlerweile ein wesentlicher Teil des Umweltportfolios, mit dem das Unternehmen im Geschäftsjahr 2010 einen Umsatz von rund 28 Milliarden Euro erzielte. Doch noch vor den monetären Vorteilen steht als Ziel der Nachweis, dass auch erneuerbare Energie geregelt werden kann. Auch, wenn Stromerzeugung aus Wind und Sonne weiterhin unstet sind, besteht die Steuerungs-Möglichkeit. Für eine zuverlässige und nachhaltige Energieversorgung bildet vor allem das eine zuverlässige Grundlage.

Niedrigere Stromkosten scheinen den Bornholmern damit auch in Zukunft garantiert. Sogar dann, wenn die Inselflagge, die passend zum Umweltgedanken ein grünes Kreuz statt dem dänisch-weißen ziert, aufgrund geringeren Wind-Aufkommens einmal weniger stark flattern sollte.

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