Globale Ikone des Reggae

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Mit nur 36 Jahren starb er. Doch immer noch ist Bob Marley präsent - in der Occupy-Bewegung wie im Arabischen Frühling. Ein Dokumentarfilm erinnert an den Erfinder des Reggae, dessen Verehrung im Westen auf einem Missverständnis beruht.

Seine Musik ist seit über 30 Jahren der weltweit gängige Soundtrack diverser Befreiungsbewegungen. Seine Stimme ertönte in den Zeltlagern der Occupy-Bewegung ebenso wie bei den Demonstrationen des Arabischen Frühlings. Bob Marley ist eine globale Ikone: ein brillanter Musiker und Songwriter, Miterfinder des Reggae, leuchtendes Vorbild für politische Aktivisten und unpolitische Kiffer, Nationalheld der kleinen Karibikinsel Jamaika, bekennender Rastafari. Seine Hits "Buffalo Soldier“, "No Woman, No Cry“ "I Shot the Sheriff“ sind Teil unseres kulturellen Gedächtnisses - nicht nur in Europa und den USA, auch in Afrika und Asien.

Nun kommt ein Dokumentarfilm in die Kinos, die den Mann mit den Dreadlocks in all seinen Facetten beleuchtet. Zahlreiche Interviews und viel Archivmaterial hat Regisseur Kevin McDonald für "Marley“ zusammengetragen, um in zweieinhalb Stunden den Mythos für das Kinopublikum greifbar zu machen. Dabei zeichnet er den Musiker nicht als strahlenden Helden, sondern durchaus als Mann mit Widersprüchen. Und wer genau hinsieht, wird auch so manche andere Ungereimtheit entdecken, die mit der Rezeption Marleys zusammenhängt.

Für den Sohn einer schwarzen Landarbeiterin und eines weißen Forstbeamten bedeute die Musik den Ausweg aus tiefster Armut. Als Teil der Gruppe The Wailers (zusammen mit Peter Tosh und Bunny Wailer) transformierte er den in Jamaika entwickelten Musikstil des Ska in den langsameren, hypnotischen Reggae. Marley konvertierte zum Rastafarismus und wurde zu dessen bekanntestem Vertreter. Es handelt sich dabei um eine dem aus dem Christentum entstandene Glaubensrichtung, die den äthiopischen Kaiser Haile Selassie als Messias verehrt, die Rückkehr aller Schwarzen nach Afrika ersehnt und rituellen Marihuanakonsum pflegt. Die Anhänger legen ein Gelübde ab, Haar und Bart nicht zu schneiden - daher auch Marleys markantes Aussehen. In der Mitte der 1970er Jahre wurde er als Solokünstler zum internationalen Star. Doch der Ruhm währte nicht lange: Mit nur 36 Jahren starb er 1981 an Krebs.

Musik für die weiße Mittelschicht

So nebenbei zeigt "Marley“, dass der kleine Inselstaat Jamaika eine ganz eigene, faszinierende Kultur hervorgebracht hat, zu deren Säulen Ska, Reggae und Rastafarismus gehören. Aber der Film verheimlicht nicht die Schattenseiten dieser Kultur. Ein europäischer Student, der sich zu "Catch A Fire“ - das Album, das 1973 Bob Marley und den Wailers den Durchbruch brachte - gemütlich einen Joint genehmigt und von einer besseren Welt träumt, würde in den Straßen der Armenviertel der Hauptstadt Kingston wahrscheinlich schnell Opfer von Gewalt werden.

Doch die Liebe zum Reggae und die Verehrung Bob Marleys in der westlichen Welt beruhen auf einem Missverständnis. Bunny Wailer meint in "Marley“ mehrmals verwundert, dass die jamaikanische Musik in Europa und den USA vor allem bei der weißen Mittelschicht ankommt. Die langen Haare, der Marihuanakonsum, die obrigkeitskritischen Texte machten die rebellische westliche Jugend glauben, Marley sei einer von ihnen und vertrete ihre Werte. Doch in Wahrheit war das Wertesystem des Musikers ziemlich konservativ. In seinem Haus waren Frauen, die Hosen trugen oder geschminkt waren, nicht erwünscht. Zwar predigte Marley Gewaltlosigkeit, doch er tolerierte Gangster und Schläger in seinem Umfeld und schreckte auch selbst vor Gewalt nicht zurück. Als die "Wailers“ eines Tages entdeckten, dass ihr Manager Geld in die eigene Tasche gesteckt hatte, wurde der Betrüger eine ganze Nacht lang von Marley und seinen Bandmitgliedern gefoltert, bis er seine Missetaten gestanden hatte. Die Episode wird im Film als launige Anekdote erzählt.

Bob Marley ist in Jamaika nach wie vor eine nationale Identifikationsfigur. Die Premiere von "Marley“ in Kingston war rauschendes Volksfest. Seine Musik freilich spielt in seiner Heimat keine Rolle mehr. Dort ist jetzt Dancehall angesagt, ein wesentlich rauerer, dem Hip-Hop verwandter Musikstil. Aber im Rest der Welt bleibt Marleys Musik trotz allem unsterblich.

Marley

USA 2012. Regie: Kevin McDonald.

Mit Bob Marley, Rita Marley, Bunny Wailer, Chris Blackwell. EMW. 144 Min.

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