Glühende Geisterwesen und fliegende Fahrräder

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Woody Allens "Eine Mittsommernachts-Sex-Komödie“ zum Jahreswechsel am Burgtheater: Eine verpasste Gelegenheit - eher eine lauwarme Belanglosigkeit denn ein Feuerwerk.

Seit seiner Direktionszeit in Bochum ist es Tradition, dass Matthias Hartmann am Silvesterabend auf die Bühne tritt und einen Witz erzählt. Heuer passt dieser zur unmittelbar anschließenden Premiere von Woody Allens "Eine Mittsommernachts-Sex-Komödie“, in der es um die Irrungen und Wirrungen von Liebe und Leidenschaft geht. Als besonders originell lässt sich Hartmanns Witz allerdings nicht verbuchen, geht er doch auf Kosten der Frauen. Man lächelt freundlich, wer möchte schon zu Silvester ein Spielverderber sein, wo sich noch dazu der Hausherr persönlich bemüht, für gute Stimmung zu sorgen?

Streng an der Filmvorlage orientiert

Bilanziert man die Saison geschlechtsspezifisch, so bleibt einem das Lachen allerdings im Hals stecken: Im Haupthaus findet sich in der gesamten Spielzeit kein einziges Stück einer Autorin und auch keine Regisseurin, im Akademietheater inszeniert (einmal!) Barbara Frey, und als Dramatikerin ist Elfriede Jelinek mit "Winterreise“ am Plan. Im Kasino darf immerhin die 33-jährige Anna Bergmann Regie führen, die "Junge Burg“ leitet Hartmanns Schwester Annette Raffalt gemeinsam mit ihrem Mann Peter. Ansonsten sind die Frauen in diesem repräsentativen Haus deutschsprachiger Schauspiel- und Regiekunst sträflich unterbesetzt, wobei mangelnde Qualität als Argument nicht gilt - im Gegenteil, mangelt es vielmehr der heurigen Silvesterproduktion, für die der Hausherr selbst verantwortlich zeichnet, an Spritzigkeit und Fantasie.

Wer die filmische Vorlage, Woody Allens "Midsummer-Night-Sex-Comedy“ (1982) kennt (welche sich wiederum auf Ingmar Bergmans Film "Smiles of a Summer Night“ bezieht), wird (leider) keine Überraschungen erleben. Bis hin zu den Kostümen (Tina Kloempken) hält sich Hartmann streng an den Film. Dabei gäbe es so viele Situationen, die nur darauf warteten, szenisch verdichtet zu werden, so viele Pointen, deren Zündung verpasst wurde. Und das zu Silvester. Textliche Unsicherheiten und andere Schlampigkeiten lassen ahnen, dass die Produktion nicht ganz fertig wurde. Insbesondere aber mangelt es an den wesentlichen Ingredienzen einer gelungenen Komödie - Tempo, hochgezogener Witz und Fantasie -, sodass sich die Inszenierung eher als lauwarme Belanglosigkeit denn als Feuerwerk präsentiert.

Bäumchen-wechsel-dich-Spiel

Dabei hat Hartmann mit dem sechsköpfigen Starensemble auf eine sichere Bank gesetzt: Michael Maertens gibt mit seiner Grundkomik den patscherten Banker Andrew, an dem ein Erfinder verloren gegangen ist. Kaum verlässt er die Wall Street - um mit seiner Frau Adrian und zwei weiteren Paaren das Wochenende im idyllischen Long Island zu verbringen - baut er schon eine aus dem Boden ausfahrbare, sich selbst ausklappende Hängematte, ein mittels Propellerbetrieb zum Fluggerät umfunktioniertes Fahrrad sowie eine Art Laterna Magica, von der er selbst nicht weiß, was sie ist, die aber Bilder aus der Vergangenheit hervorzaubert. Roland Koch ist sein Pendant - der gewiefte, mit allen Wassern gewaschene "medizinische Casanova“ Maxwell. Als Internist ist er stets von attraktiven Krankenschwestern umgeben, begehrte Opfer seines Testosteron-Überschusses. Martin Schwab gibt den betagten Cousin Leopold, hier mehr Pseudo-Intellektueller als Universalwissenschaftler, der unvermutet leidenschaftliche Gefühle an sich entdeckt. Seine Braut spielt Sunnyi Melles, das erotisch betörende Zauberwesen mit dem sprechenden Namen Ariel. Ihre sexuelle Energie toppt besondere Anmut, Melles’ abgehobener Spielstil verleiht dieser Mischung zusätzlich eine komisch-schräge Note. Die Schweizerin Liliana Amuat überzeugt als sexuell aufgeschlossene Krankenschwester Dulcy, die von allen nur so hin- und hergereicht wird und dazu gute Miene macht. Dass man über sie lacht, die am Ende barbusig über die Bühne hüpft, ist eigentlich eine traurige Sache. Fest zugeschnürt im Gewand der Jahrhundertwende ist hingegen Dorothee Hartinger als übersäuerte Adrian. Die Ehefrau Andrews hat mit einem inneren Konflikt zu kämpfen, der ihre Sexualität blockiert. Doch bis dieses Problem am Ende gelöst wird, spielt man ein buntes Bäumchen-wechsel-Dich im Dschungel der Begierden und Gefühle.

Stéphane Laimé hat eine pflanzliche Blätter-Orgie gestaltet, so viel Grün hat die Burgtheaterbühne schon lange nicht mehr gesehen. Dass der wuchernde Garten in der Vollmondnacht sein Eigenleben entwickelt, haben Woody Allen als auch wir Shakespeares Vorlage "A Midsummer Night’s Dream“ zu verdanken: drei Paare, Cupidos Pfeile und jede Menge Geister.

Also: ein Stoff, aus dem die Träume sind! Vor allem jene einfallsreicher Theaterleute, die hier erfolgreich vom Leder ziehen könnten. Zum Jahreswechsel beklatschte das freundlich gestimmte Publikum eine Produktion, bei der zumindest das Kalkül des Nichts-falsch-machen-Wollens aufgeht.

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