Werbung
Werbung
Werbung

Über die Mahlzeit in der Welt der Religion.

Er nahm weder Brot noch Gekochtes zu sich. Seine einzige Nahrung war Mehl mit Wasser angefeuchtet. Dabei pflegte er dieses Gericht gleich für einen ganzen Monat zu mischen, so dass es schimmlig wurde und einen sehr üblen Geruch von sich gab." Die Rede ist von Sabinus, einem Schüler des Mönchsvaters Markianus. Die christlichen Mönche der frühen Jahrhunderte übertrafen mit ihrer Radikalität alle vergleichbaren Bemühungen, sich vom Vorgang der Nahrungsaufnahme durch eine möglichst extreme Reduzierung der elementaren Notwendigkeit, dem Körper Nahrung zuzuführen, zu distanzieren. Als Motivation für diese Versuche führt der Theologe Gottfried Bachl in einem Vortrag über "Die Mahlzeit in der Welt der Religionen" den Wunsch an, für den "appetitgebundenen Menschen einen überlegenen, jenseitigen Status zu gewinnen".

Ambrosia und Nektar

Dieser "reduktiven Bedeutung" der Mahlzeit in der Religion stellt Bachl die "superlative Bedeutung" gegenüber, der man in zahlreichen Mythen begegnet, die vom Essen und Trinken der Götter erzählen, die sich gegenseitig einladen, gelegentlich auch bei den Menschen speisen und vor allem immer herzhaft zugreifen: "Nichts steht der Gottheit so gut an, wie die Üppigkeit, das maßlose Quantum, die über den Tellerrand hängende Portion".

Götter verfügen zumeist über ihre eigene Nahrung, die sich durch ihre überirdische Qualität auszeichnet: "Ambrosia und Nektar" heißt zum Beispiel die Speise der Götter in der alten griechischen Religion. Diese Speise bringt vor allem unsterbliches Leben und wurde auch den Götterlieblingen unter den Menschen gereicht.

Auch in den germanischen Sagen wird reichlich gegessen und getrunken. Der Gewittergott Thor trinkt zum Beispiel bei einer Asen-Party drei Tonnen Met, isst dazu einen Ochsen, acht Lachse und alles Backwerk, das für die Frauen bestimmt war. Göttlich sind diese Gestalten durch leibliche Vitalität, unwiderstehliche Körperkraft und Genussfähigkeit.

In ihrer superlativen Bedeutung bezeichnet Bachl die Mahlzeit vor allem als eine innergöttliche Kommunikation, "die den irdischen Menschen vertraut anmutet und ihnen zugleich auch die Andersheit der göttlichen Lebensform zeigt".

In den monotheistischen Gottesbildern ist die soziale Ordnung der Mahlzeit in dieser Form nicht mehr zu finden, zum einen aus Gründen der Vergeistigung, aber auch deshalb, weil die notwendige Mehrzahl der Personen, die zum Gastmahl gehört, nicht mehr vorhanden ist. Ein einsam seine Mahlzeit verzehrender Gott rege die Phantasie offensichtlich nicht an, meint Bachl: "Auch in der christlichen Lehre von der Trinität findet sich kein Gleichnis vom gemeinsamen Essen, in dem sich die drei Personen gegenseitig nähren würden."

Wenn die Mahlzeit in der Bibel allerdings thematisiert wird, was nicht allzu häufig der Fall ist, dann sind es besondere Momente, in denen sich die nährende Überfülle Gottes zeigt: Die Speisung des Volkes in der Wüste, Jesu Brotvermehrung, die Hochzeit zu Kana und, fügt Bachl hinzu, "Jesus lässt sich gern einladen und wird Fresser und Säufer genannt".

Eine besonders markante Gestalt der Symbolik religiöser Kommunikation mit Gott stellt ohne Zweifel das christliche Sakrament der Eucharistie dar, die sich durch einige unverwechselbare Züge auszeichnet.

Nicht nur wird der elementare Vorgang der Nahrungsaufnahme ins Zentrum gerückt, es wird vor allem auch die Person des Messias in der heiligen Mahlzeit zeichenhaft gegessen und getrunken. Die Eucharistie, verdeutlicht Bachl, "wird verstanden als das intensivste Zeichen des Ineinanderseins: So wie die Nahrung einverleibt wird und vollständig im Essenden aufgenommen wird, so innig und nahe geschieht die Verbindung mit Christus." Dadurch, dass die Wirklichkeit des Heiligen sich in der Form einer verdaubaren Speise gibt, entsteht eine unüberbietbare Figur der Kommunikation. Die logische Struktur der biologischen Nahrungsaufnahme und -verarbeitung wird allerdings, auch aus ästhetisch motivierter Scham, nur selektiv in den Vollzug des Sakramentes umgesetzt.

Unteilbarer Christus

Auch überwindet die Eucharistie die Aporie, dass das gemeinschaftliche Erlebnis des Essens zugleich von einer strikten Ausschließlichkeit begleitet wird, wie sie der Soziologe Georg Schimmel beschrieb: "Von allem nun, was den Menschen gemeinsam ist, ist das Gemeinsamste, daß sie essen und trinken müssen. Und gerade dieses ist eigentümlicher Weise das Egoistischste, am unbedingtesten und unmittelbarsten auf das Individuum beschränkte ... - was der einzelne ißt, kann unter keinen Umständen ein anderer essen." Die Eucharistie verbindet die Gemeinschaft durch die unteilbare Qualität der Nahrung, denn Jesus kann nicht portioniert werden, es ist stets "der eine ganze Christus". Und so - "in der einen Speise, die allen ungeteilt gegeben wird," fügt Bachl hinzu, "sind alle frei geworden von der Sorge um ihren Teil ...: Mundraub ist unnötig und unmöglich geworden."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung