Gothic-Girl mit dunklen Phantasien

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Richard Wagners "Fliegender Holländer" am Tiroler Landestheater.

Das Kapitänstöchterchen schwärmt fürs Übersinnliche. Von der Ballade über den Fliegenden Holländer in seinem Geschichtenbuch kann es nicht genug kriegen, denn die erzählt von der Erlösung des deprimierten Weltenwanderers durch die Treue einer Frau. Senta versteigt sich in ihrer Phantasie, isoliert sich. Als der biedere Vater einen unheimlichen Gast heimbringt, weiß das Mädchen, wer das ist: Auch einer, der anders ist. Sie - in Gestalt eines Gothic-Girls - liebt das Dunkle, er - auch einer in dark fashion - ersehnt Bürgerlichkeit, doch sie sind gleichgestimmt in Erlösungswahn, Liebesbedürftigkeit und Todessehnsucht und gehen gemeinsam unter.

Regisseur David Prins lässt in seiner Innsbrucker Inszenierung des Fliegenden Holländers den Figuren die großen Gefühle, nicht aber Richard dem Hehren, der mit den Emotionen, die er bereits als 28-Jähriger Senta und dem Meeresgeist unterschob, zeitlebens nicht fertig wurde. Prins holt die weiland spinnenden Maiden als graues Arbeiterinnenkollektiv auf Dalands Schiff (Bühne: Arnold Schalks), wo sie dann die Kittel abwerfen für eine Matrosenbrautidylle in wiesengrünen Filzröcken und roten Hütchen (Kostüme: Michael D. Zimmermann). Am Schiffsbug drängen sich die Mannen, umspült von wild wogenden Blechwellen. Aus deren Mitte hebt sich das Modell des Geisterschiffes. Durch die Verkleinerung verweigert Prins Wagner den dringlichen Idenfikationswunsch mit dem überirdischen Großgeist. Auch das Publikum kriegt seinen Teil ab, wenn die Matrosen die totenstillen Geister im Auditorium ansingen.

Der Oper gilt viel Ironie, Wagner selbst schon die Parodie. Auch Aleksandar Markovic am Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck, das seine Schleusen keineswegs unifferenziert öffnet, geht lebhaft modellierend seinen eigenen Weg. Jennifer Chamandy ist mit sicherem Tonumfang als Senta ein Mädchen aus dem goldenen Westen, Michael Dries' Daland bringt den Anteil an Lortzing mit ein, Christian Voigts Erik ist nicht nur mit der Situation überfordert und Mary eine brave Freundin. Am Platz der Chor, Peter Sonn als Steuermann eine Empfehlung. Joachim Seipp weiß, was sein Charakterbariton und seine verletzte Seele dem Holländer und Wagner schulden.

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