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"Die Besten aus dem Osten" - das Volkstheater zeigt: Da ist noch viel zu entdecken.

Die Besten aus dem Osten!" - sie und ihre Produktionen lädt das Volkstheater in der gleichnamigen Reihe seit 2007 nach Wien ein. Das Festival organisiert gewissermaßen literarische und theatrale Erkundigungstouren und greift kulturelle Strömungen zwischen Ost und West auf. Damit werden im Rahmen des Festivals Schnittstellen und Berührungspunkte deutlich sowie herausragende Theaterarbeiten zugänglich. Gestartet wurde die Reihe mit Rumänien, Folge zwei war nun Polen gewidmet.

Exzellentes Festival

Im Zentrum des zweitägigen Festivals standen das Szaniawski-Theater aus der Bergbaustadt Waldenburg/Walbrzych und eine Werkschau des Dramatikers Michal Walczak, der in Österreich noch kaum bekannt ist. Die Veranstaltung, die im Hundsturm (Nebenspielort des Volkstheaters) stattfand, war beide Tage hindurch exzellent besucht, neben einem interessierten heimischen Publikum waren auch viele "Exilpolen" zu Gast.

Das Programm erwies sich als konsequent und ausgewogen, zwischen den kurz dauernden (durchschnittlich 60 Minuten) und gleichermaßen kurzweiligen polnischen Inszenierungen mit deutschsprachigen Untertiteln gab es spannende Diskussionen über Trends im polnischen Theater, Aufführungen in deutscher Sprache und eine außerordentliche musikalische Begleitung, für die der junge polnische Pianist Mateusz Kolakowski sorgte.

Der erst 20-jährige, bereits international bekannte Jazz-Virtuose wird mittlerweile mit Keith Jarrett verglichen. Sein "KlavierRecitat" begeisterte das Publikum, und da sich in Wien gelungene Veranstaltungen schnell herumsprechen, war am zweiten Festival-Tag sein Konzert mehr als ausgelastet.

Aber auch Walczaks Stücke, sämtliche vom künstlerischen Leiter des Szaniawski-Theater Piotr Kruszczy´nski inszeniert, trafen auf großes Interesse, vor allem sein Drama "Sandkasten", das einigen Theaterbesuchern über das Gastspiel am Schauspielhaus vertraut ist. So wie alle Dramen Walczaks ist "Sandkasten" eine feine Mischung aus traurigen, komischen und skurrilen Momenten. Walczak hat hier den Kampf der Geschlechter in den Sandkasten verlegt, wo ER mit Autos und Batman spielt, während SIE mit ihrer Puppe mitmachen möchte. ER bestimmt die Regeln, zieht eine Grenze und muss erst lernen, was miteinander spielen bedeuten kann. Waczaks Beziehungsparabel ist auch ohne Sprachkenntnisse leicht verständlich und eine subtile, teilweise absurde Metapher auf die Frage, wie wir miteinander leben können.

Ebenso präsentierte sich die Groteske "Der Mann, der Gott im Schrank hatte" durch Kruszczy´nskis gelungene Übertragung ins Szenische als gut fassbare und komisch-skurrile Kritik an der polnischen Kirche. Adams Eltern pilgern zum Papst, währenddessen nutzt Adam die Gunst der Stunde, um mit seiner Freundin Kama die ersten intimen Erfahrungen zu machen. Ein Schrank - multifunktional als Bett, Sarg, Tisch usw. eingesetzt - wird zum Element der Komik: Ein alter Mann glaubt, Gott darin zu beherbergen. Während des Papstbesuchs besorgt er für sich und Gott Pizza und verbringt einen vergnüglichen Abend im Dialog mit ihm.

Von der Uraufführung von Walczaks Stück "Das Bergwerk" wurden Videoausschnitte gezeigt, die die Geschichte des Niedergangs der Stadt Waldenburg zeigen. Das Bergwerk galt als wesentlicher Arbeitgeber für die dortigen Bewohner, dessen Schließung bewirkte eine Welle an Arbeitslosigkeit. Die ehemals glanzvolle Stadt ist heute im Stillstand.

Polens lebendiges Theater

Auch "Die Reise ins Innere des Zimmers" thematisiert das Thema der Arbeitslosigkeit sowie des Erwachsenwerdens in einer Umgebung, die kaum Perspektiven anbietet. Esther Muschol hat mit Schauspielern des Volkstheaters eine dynamische szenische Lesung eingerichtet, die besonders Walczaks starkes dramatisches Talent aufzeigt. Vor allem Andy Hallwaxx gelang eine traurig-komische Hauptfigur auf der Suche nach ihrer Identität.

Wie stark die nationalen Identitäten miteinander verwoben sind, zeigte die Diskussion "Schlesien - fernes Land?" Auch ist nach diesem Wochenende klar: osteuropäisches Theater muss nicht zwangsläufig schwierig oder triste sein. Für die österreichischen Bühnen gibt es da noch viel zu entdecken.

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