Gott: Quelle auch des Bösen?

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Wollen wir mit unserem freien Willen immer das wählen, was gut ist? Darüber wenigstens war das Judentum durch alle Jahrhunderte hindurch klar und konsistent: Das Gute in uns ist die Folge davon, dass wir im Bilde Gottes geschaffen wurden. Gott, so sagt das erste Kapitel der Genesis, habe Adam geschaffen, im Bilde Gottes (1,27, vgl. 5,1). Und einer der größten Rabbinen, Rabbi Akiwa, merkt an: "Geliebt ist der Mensch, denn er wurde nach Gottes Bild erschaffen. Größere Liebe war es, dass ihm mitgeteilt wurde, dass er nach Gottes Bild erschaffen wurde.“ Diese Lehre ist für das jüdische Verständnis des menschlichen Wesens zentral. Sie wurde nie aufgegeben und galt als notwendige und ausreichende Erklärung des guten Triebes, der die Stimme in uns ist, die uns veranlasst, das zu wählen und zu tun, was richtig ist.

Die jüdische Interpretation der Geschichte von Adam und Eva im Garten Eden unterscheidet sich deshalb auch von der christlichen: Vor dem Sündenfall besaßen Adam und Eva die absolute Fähigkeit, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden. Nachdem sie vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten, sahen sie aber, dass sie nackt waren. Moses Maimonides, der große mittelalterliche Religionsphilosoph, meint dazu: schon vorher hatten sie gesehen, dass sie nackt waren, aber sie hatten keine Ahnung von der Bedeutung dessen. Das Naschen vom Baum der Erkenntnis führte dazu, dass von da an der Mensch in einem ständigen Widerstreit von Wahrheit und Lüge dem Guten immer wieder erneut zum Sieg verhelfen muss. Der Mensch kann nur dann ein sittlich verantwortliches Wesen sein, wenn die Verantwortungsfähigkeit zu seinem Wesen gehört. Das schließt nicht aus, dass Gott auch die Quelle des Bösen ist. Denn das Böse erst schafft die Möglichkeit zum Guten und die Wahlfreiheit als notwendige Folge der Gottesebenbildlichkeit des Menschen.

Der Autor ist Rabbiner und leitet das Abraham-Geiger-Kolleg an der Universität Potsdam

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