Gott segnet Frauenleben

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Frauen haben eigene Formen der Liturgie entwickelt: Kraft- und Hoffnungsorte, gerade in den patriarchalen Verhältnissen der (katholischen) Kirche.

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Frauen haben eigene Formen der Liturgie entwickelt: Kraft- und Hoffnungsorte, gerade in den patriarchalen Verhältnissen der (katholischen) Kirche.

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Die wachsende Zahl von Frauengruppen, die im eigenen Kreis liturgische Feiern gestalten, ist im Zusammenhang zu sehen mit der Vielfalt liturgischer Aufbrüche in der Kirche insgesamt - Jugendliturgie, Gebetsrunden, Meßfeiern im kleinen Kreis ... Diese Aufbrüche versuchen unter anderem, verschiedene liturgische Formen wieder zu beleben. Genau hier sind im katholischen Bereich auch die Frauenliturgien anzusiedeln. Eine andere Herkunft der Bemühungen von Frauen um die Liturgie sind Mangelerfahrungen. Der traditionelle Gottesdienst wird von vielen als zu starr und unpersönlich erfahren.

Viele Frauen erleben sich ausgeschlossen durch eine Sprache, in der noch allzu oft die "Brüder" und "Herren" vorherrschen. So entsteht die Sehnsucht, sich selber mehr einbringen zu können, mehr ganzheitliche Formen des Ausdrucks für den Glauben und das Gebet zu finden. Auch in diese Richtung sind Frauen nicht allein unterwegs. Viele liturgische Aufbrüche gehen diesen Sehnsüchten nach, etwa die wachsende Zahl von Angeboten zu sakralem Tanz. Nicht zuletzt stehen Frauenliturgien in Zusammenhang mit dem nun schon gut 25 Jahre alten Aufbruch von feministischem Denken und Suchen innerhalb der christlichen Kirchen.

Frauenerfahrungen Raum geben Zentrales Anliegen der Frauenliturgien ist das Bemühen um eine bewußte Integration von Glauben und Leben. Es ist wichtig, in der Liturgie den konkreten Lebenserfahrungen von Frauen Raum zu geben. So wird zum Verweilen eingeladen, um sich der eigenen Situation bewußt zu werden. Zumeist gibt es Gelegenheit, einander mitzuteilen, was im eigenen Leben gerade wichtig ist. Mitten in diesem Leben wird dann der Gegenwart Gottes gedacht, die Verbindung des konkreten Lebens mit Gott kommt zu Bewußtsein.

Zugleich wird jede einzelne Frau als wichtige Beteiligte an der Feier angesprochen. Im Austausch haben die speziellen Erfahrungen von Frauen Platz. Zu Leben und Erfahrung, die hier Raum finden, gehört auch der Leib. In körperlichen Ausdrucksformen wie Tanz und Berührung wird auch der eigene Körper als Ort der Gottesbegegnung und Werkzeug des Gotteslobes in Erinnerung gebracht.

Glaube und Leben - verbunden Weiteres wichtiges Merkmal feministischer Liturgien ist, die Verbindung von Leben und Glauben auch in bezug auf den gesellschaftlichen Kontext ernstzunehmen. Daß herkömmliche Gottesdienste "abgehoben" sind, wird ja bei weitem nicht nur von Feministinnen kritisiert: Eine Verwandte erzählte mir, daß sie in den Tagen des Falls der Berliner Mauer in Berlin war. Die ganze Stadt brodelte. Die katholische Sonntagsmesse, die sie dort besuchte, war dagegen von all dem unberührt. Kein Wort hat erkennen lassen, daß sie in diesen Tagen im Jahr 1989 in Berlin stattfand.

Was hier extrem auffällig wird, ist leider ein Grundzug vieler Gottesdienste. Auch in vielen Frauenliturgien fällt es den Frauen nicht immer leicht, sich aus der Individualitätsnorm der Gesellschaft zu lösen. Dadurch aber, daß das eigene konkrete Leben Platz haben darf, kommen oft organisch auch die kollektiven Erfahrungen von Frauen in der Gesellschaft zum Vorschein. Die Feier ist also nicht zeitlos, sondern steht bewußt im Kontext des gesellschaftlichen Ringens von Frauen um Gerechtigkeit. Feministische Liturgien verstehen sich daher auch als Innehalten und Teilen von Kraft und Hoffnung auf dem Weg der Veränderung patriarchaler Verhältnisse.

Gott schaut auf die Frauen Daß das eigene Frauenleben von Gott gesegnet ist, daß Gott selbst die Mitte und das tiefste Geheimnis des Lebens als Frau ist, ist für viele Frauen immer noch eine erstaunliche Entdeckung. Eine Entdeckung, die ihnen die in Erziehung, Kirche und Gesellschaft immer noch vielfach enthaltene Frauenfeindlichkeit oft nicht leicht macht. Wenn aber nicht nur Gott auf die Frauen schaut, sondern auch die GestalterInnen von Liturgie hier aufmerksam sind, bedeutet das konkret: * eine inklusive, das heißt Frauen als Frauen benennende Sprache, die zugleich möglichst konkret und lebensnah ist, zu verwenden; * biblische Texte mit den Werkzeugen feministischer Auslegung wahrzunehmen, also die Ambivalenz biblischer Texte, die in patriarchalen Zusammenhängen entstanden sind, bewußt wahrzunehmen und gemeinsam eine befreiende Lektüre der Bi bel zu versuchen; * sensibel zu sein für die unzähligen Arten und Weisen, als Frau zu leben. Das heißt Abschied nehmen von starren Rollenbildern und verbietet Verallgemeinerungen "der Frau", sowie Vor- und Zuschreibungen, wie Frauen zu sein haben, was dem Frausein entspräche; * in einer neuen Weise von Gott zu sprechen. Nicht nur um der Frauen, sondern ebenso um der Fülle und der Ehre Gottes willen, ist auf die vielfältigen Versuche zu achten, Gott neu zu benennen.

Klage In vielen Frauenliturgien hat die Klage einen festen Platz. Diese alte Form des Gebetes eröffnet eine Möglichkeit, mit allen Enttäuschungen und Verzweiflungen sich bei Gott einzufinden und mit Gott zu klagen. Oft eröffnet gerade die Klage den Raum, die eigene Lebenssituation einzubringen, sodaß Diskriminierungs- oder auch Gewalterfahrungen von Frauen in der Liturgie ihren Platz erhalten. Klage meint nicht lamentieren, sondern sie benennt Unrecht als Unrecht, ist klar, oft vielleicht hart, sie kann weh tun, aber sie setzt auch Kraft und Leben frei. Die Klage bewahrt davor, Liturgie als harmlosen Schonraum zu mißbrauchen.

Segen Zentrales Element in feministischen Liturgien ist der Segen. Einander segnen, gemeinsam um Segen bitten, Hände auflegen: das sind Riten, die Kraft geben, die das Gute und Heile stärken sollen. Im Segen liegt der Zuspruch, daß das Leben Sinn hat, daß es gut ist, auf dem Weg zu bleiben, daß Gott in unserer Mitte ist. So wird ein ruhiger, gelassener Boden gelegt, inmitten der Verstrickungen und Aufgaben. Die Betonung des Segens bringt die Überzeugung zum Ausdruck, daß Frauen zum Heil berufen sind, und daß Gott das Frauenleben segnet.

Frauenliturgien - Feiern der Kirche Was ich mir verstärkt wünsche, ist ein Mehr an Zueinander von Gesamtkirche und Frauenliturgiegruppen. Dabei geht es einerseits um die Frage, wie das, was in den kleinen Kreisen entwickelt wird, auch für die Liturgie von ganzen Gemeinden fruchtbar werden kann. Welche Elemente können, sollen aufgenommen werden? Wie kann in Gemeinden für die Anliegen der kritischen Frauen mehr Raum und Verständnis geschaffen werden?

Mir scheint aber auch noch eine andere Ebene wichtig: Eher selten wird in Frauenliturgien der Bezug zur ganzen Kirche symbolisch aufgegriffen, obwohl die Feiernden sich - zumeist sehr bewußt - als Kirche verstehen. Umgekehrt sollte aber auch von den Amtsträgern der Gesamtkirche ausdrücklicher anerkannt werden, daß Frauenliturgien ein Ort sind, an dem sich aktuell Kirche ereignet. Praktisches Zeichen einer solchen Anerkennung wäre es, wenn Frauenliturgien einen festen Ort im "Programm" einer Gemeinde, einer Diözese hätten, und wenn Anregungen aus den Frauengottesdiensten in die regelmäßige Gemeindefeier aufgenommen würden.

Frauen und ihre Erwartungen an eine christliche Gemeinde artikulieren sich eben in besonderer Weise in liturgischen Feiern von und mit Frauen. Eine Erwartung, die in diesen Feiern uneingelöst bleibt, ist die nach gemeinsamen liturgischen Feiern der ganzen Gemeinde, die der Vielfalt des Gottesvolkes wirklich gerecht werden. Die Einlösung dieser Erwartung liegt gewiß nicht in den Händen der Frauen allein.

Die Autorin ist Laientheologin und Chefredakteurin der praktisch-theologischen Zeitschrift "Diakonia".

BUCHTIP Im Begleitbuch zum "Frauen-Herdenbrief" setzt sich Veronika Prüller-Jagenteufel ausführlicher mit dem Thema "Frauenliturgie" auseinander. Im gleichen Buch sind auch einige praktische Erfahrungen von Frauenliturgiegruppen dokumentiert.

Frauen schenken der Kirche Leben. "Frauen-Herdenbrief" und Begleittexte. Hg. Plattform "Wir sind Kirche". Druck- u. Verlagshaus Thaur 1999, 384 Seiten, kt., öS 248,-/e 18,02 In Furche 1/2000 lesen Sie im Dossier: Gefangen in Österreich * Millennium hinter Gittern * Seelsorge in der Schubhaft * Häftlingsgedanken zum nächsten Jahrtausend * Maßnahmenvollzug: Psychiatrie als Befreiung * 7300 Gefangene: Zahlen u. Daten zur Lage in Österreich * Seelsorge in der Schubhaft

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